Beschluss vom 04.08.2004 -
BVerwG 2 WDB 2.04ECLI:DE:BVerwG:2004:040804B2WDB2.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.08.2004 - 2 WDB 2.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:040804B2WDB2.04.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 2.04

In der Antragssache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 4. August 2004
b e s c h l o s s e n :

  1. Der „unbenannte Rechtsbehelf“ des Antragstellers gegen den Beschluss der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 13. August 2003 wird als unzulässig verworfen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten dieses Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Gründe

I

Der Antragsteller ist Kommandeur .../Luftwaffenausbildungsregiment ... in B.

Am 7. März 2003 wurde ihm eine Einstellungsverfügung des Kommandeurs Luftwaffenausbildungskommando vom 17. Februar 2003 ausgehändigt, in der dieser feststellt, dass der Antragsteller ein Dienstvergehen begangen habe, was er missbillige. Außerdem gab er bekannt, dass er gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 WDO die gegen den Antragsteller geführten disziplinaren Vorermittlungen einstelle.

Gegen diese Einstellungsverfügung hat der Antragsteller am 19. März 2003, eingegangen bei der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... am 20. März 2003, Antrag auf Entscheidung des Truppendienstgerichts „gegen die missbilligende Feststellung und inhaltliche Begründung, ein Dienstvergehen begangen zu haben“ gestellt.

Dabei hat er zunächst Verfahrensfehler gerügt. Er sei in seiner Ladung durch den Wehrdisziplinaranwalt vom 26. November 2002 nicht ordnungsgemäß belehrt worden. Des Weiteren sei § 27 Abs. 2 SBG nicht beachtet worden, da weder die Beteiligung der zuständigen Vertrauensperson erwogen, noch er dazu befragt worden sei. Auch sei ihm vor Zustellung der Einstellungsverfügung kein Schlussgehör gewährt worden. Im Übrigen habe er kein Dienstvergehen begangen.

Die ... Kammer des Truppendienstgerichts ... hat den Antrag des Soldaten durch Beschluss vom 13. August 2003 als unbegründet zurückgewiesen.

Sie hat die Einstellungsverfügung vom 17. Februar 2003 als rechtmäßig angesehen. Die von dem Antragsteller behaupteten Verfahrensverstöße seien nicht gegeben. Sowohl das Unterbleiben einer Anhörung der Vertrauensperson als auch das Fehlen des Schlussgehörs seien nicht zu beanstanden. Sinn und Zweck des § 27 Abs. 2 SBG sei es, der Einleitungsbehörde Entscheidungshilfe dafür zu geben, ob bei Betrachtung der Person und Bewertung des Sachverhalts die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens geboten erscheine oder nicht. Der Hinzuziehung der Vertrauensperson bedürfe es aber nicht, wenn die Einleitungsbehörde schon von sich aus zu der Einsicht gelange, dass ein gerichtliches Disziplinarverfahren ausscheide. Dasselbe gelte für den Sinn und Zweck des Schlussgehörs. Die gemäß § 97 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 92 Abs. 2 WDO notwendige Belehrung sei zwar im Ladungsschreiben vergessen, in der Vernehmung aber wirksam nachgeholt worden.

Auch in der Sache sei der Antrag nicht begründet, da der Antragsteller ein Dienstvergehen begangen habe.

Dazu hat das Gericht im Wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt:

Hintergrund der Entscheidung der Einleitungsbehörde sei ein Vorfall, der sich am 27. Juli 2002 abends zwischen Soldaten der ... und einer Soldatin der ... Kompanie des Bataillons des Antragstellers bei einem geselligen Zusammensein im Kasernenbereich in privatem Rahmen ereignet hätte. Im Verlauf einer Diskussion über das Thema „Sexualität in den Streitkräften“ habe die Soldatin behauptet, in ihrer Einheit würden sich nach entsprechend anstrengenden Ausbildungen Soldaten beiderlei Geschlechts gegenseitig ohne sexuellen Hintergrund den Rücken massieren. Darüber habe sich der Stabsunteroffizier S. aufgeregt und erklärt: „Dann kann ich mir auch den Penis massieren lassen!“

Dieser Vorfall sei Hauptmann S., zu dieser Zeit Chef der ... und ... Kompanie, bekannt geworden, der am 31. Juli 2002 gegen 22.00 Uhr den damals amtierenden Chef der ... Kompanie, Oberleutnant K., telefonisch informiert und dabei angemerkt habe, dass er den Bataillonskommandeur und den eigentlichen Chef der ... Kompanie, Hauptmann E., der sich zu dieser Zeit im Urlaub befand, auch schon benachrichtigt habe. In einer Besprechung im Laufe des 1. August 2002 zwischen dem Antragsteller, seinem Stellvertreter Major S., Hauptmann S. und Oberleutnant K. sei man zur Erkenntnis gelangt, unverzüglich Letzteren mit den notwendigen Ermittlungen/Vernehmungen beginnen zu lassen, gleichwohl aber auch Hauptmann E. aus dem Urlaub zurückzurufen. Dies sei telefonisch durch den Antragsteller selbst geschehen, wobei es längerer und in ihrer Intensität immer eindringlicherer Ausführungen von seiner Seite bedurft hätte, um Hauptmann E. letztlich dazu bewegen zu können, sich sofort von seinem derzeitigen Aufenthaltsort südlich von N. in den Dienst nach B. zu begeben. Bis dahin sei dem Vernehmenden, Oberleutnant K., auf Weisung des Antragstellers gewissermaßen als Berater, Major S., der Stellvertreter des Antragstellers, zur Seite gestellt worden, da Oberleutnant K. zwar per Befehl des Bataillonkommandeurs die Vertretung des Chefs der ... Kompanie übertragen worden sei, gleichwohl aber der Antragsteller bei diesem Offizier das „Erfordernis zur helfenden Dienstaufsicht“ gesehen habe. Major S. hätte sich deshalb in der ihm von seinem Kommandeur unter vier Augen zugewiesenen Rolle als „Berater“ zu folgenden Aufträgen verpflichtet gefühlt: „Die Dienstaufsicht über die für Vernehmungen ausgewählten Stammsoldaten und Rekruten zu führen; beim organisatorischen Ablauf mitzuwirken; bei den Vernehmungen zugegen zu sein, um gegebenenfalls Ratschläge zu erteilen und letztlich den Bataillonskommandeur darüber informieren zu können“. In der Praxis sei diese Absicht dahingehend realisiert worden, dass nach einer gewissen Vorbereitungszeit Oberleutnant K. um ca. 16.15 Uhr mit den Vernehmungen begonnen habe, weitere Stammsoldaten der ... Kompanie in einem Zugarbeitsraum durch Major S. beaufsichtigt worden seien, um Absprachen unter diesen zu verhindern, des Weiteren die zur Vernehmung anstehenden Rekruten ihrerseits in einem anderen Aufenthaltsraum durch einen Leutnant unter Aufsicht gestanden hätten und für einen Teil der Wartenden das Abendessen aus der Truppenküche herbeigeschafft worden sei. Hauptmann E., der ca. um 17.30 Uhr im Kompaniegebäude eingetroffen sei und sofort von Major S. erfahren habe, dass dieser mit den durch Oberleutnant K. gewählten Vernehmungsinhalten nicht zufrieden gewesen sei, habe nach kurzer Vorbereitung seinerseits die Funktion des Vernehmenden übernommen, wobei nunmehr zumeist Oberleutnant K. als Protokollführer fungiert habe. Major S. sei überwiegend bei diesen Vernehmungen anwesend gewesen, wobei er jeweils den zu vernehmenden Soldaten befragt habe, ob er gegen seine Anwesenheit bzw. eine gelegentliche Fragestellung seinerseits etwas einzuwenden habe. Auch der Antragsteller sei sowohl bei Oberleutnant K. als auch Hauptmann E. kurzfristig im Vernehmungsraum erschienen, um sich den Sachstand berichten zu lassen. Gegen 0.00 Uhr - es sei noch immer vernommen worden - habe dann Major S. mit dem Antragsteller in seiner Privatwohnung telefoniert und gefragt, ob die Ermittlungen weitergeführt werden sollten. Dies habe der Antragsteller bejaht, worauf sich Major S. aus dem Vernehmungsbereich entfernt habe, nachdem er eine entsprechende Frage des Hauptmanns E. über die Vernehmungsdauer mit den Worten „Bis alle durch sind“ beantwortet habe. Erst am 2. August 2002 gegen 4.30 Uhr habe sich Hauptmann E. entschlossen, die Vernehmungen abzubrechen und seinen Bataillonskommandeur ebenfalls zu Hause angerufen, um ihn hierüber, aber auch über den Sachstand und seine Entscheidung, die bis dahin anwesenden Soldaten länger schlafen zu lassen, zu informieren. Am 2. August 2002 gegen 9.30 Uhr sei dann letztlich die Vernehmung des Verursachers des Vorfalls vom 27. Juli 2002, Stabsunteroffizier S., erfolgt, der sich freilich schon seit dem Nachmittag des Vortages ab ca. 17.00 Uhr unter den wartenden Soldaten befunden habe. Auf Veranlassung des Bataillonskommandeurs sei dieser Soldat, bis dahin als Personalunteroffizier bei der ... Kompanie tätig, am 5. August 2002 aus dem Dienstbetrieb herausgelöst und bis auf weiteres zum Stab Versorgungszug des Bataillons kommandiert worden. Nach dem vorläufigen Abschluss der hier geschilderten Vernehmungen sei Oberleutnant K. durch den Antragsteller aufgefordert worden, ein Gedächtnisprotokoll zu erstellen. Dieses, datiert mit 21. August 2002, sei anschließend dem Antragsteller zur Kenntnis gebracht worden, der Oberleutnant K. daraufhin veranlasst habe, seine Formulierung, dass der Antragsteller Hauptmann E. aus dem Urlaub in den Dienst „befohlen“ habe, dahingehend zu korrigieren, dass er Hauptmann E. „gebeten“ habe.

Rechtlich wertete das Gericht die Veranlassung dienstaufsichtlicher Maßnahmen bei Aufnahme der Ermittlungen bezüglich des Vorfalls vom 27. Juli 2002 durch den nächsten Disziplinarvorgesetzten, Oberleutnant K., die telefonische Herbeiholung des Hauptmanns E. aus dem Urlaub, die Dauer der Vernehmungen und die Korrektur des Gedächtnisprotokolls des Oberleutnants K. als schuldhafte Verstöße gegen die Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG), die Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG) und das dienstliche Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG), wobei der Antragsteller insgesamt der verschärften Haftung des § 10 Abs. 1 SG unterliege. Keinen Pflichtverstoß sah die Kammer allerdings in der Herauslösung des Stabsunteroffiziers S. aus dem Dienstbetrieb. Auch wenn diese Maßnahme bei nachträglicher Betrachtung als unzweckmäßig oder nicht notwendig angesehen werde, sei sie doch nur die Folge einer - wenn auch groben - Verkennung des Inhalts der Äußerung des Stabsunteroffiziers S. an sich, bzw. die Folge einer falschen Gewichtung dieser Bemerkung. Die Versetzung beruhe nicht unmittelbar auf einer disziplinar relevanten Schuld des Antragstellers.

Gegen diesen, dem Antragsteller am 23. August 2003 zugestellten Beschluss hat sein Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom 2. Februar 2004, eingegangen am 3. Februar 2004, einen „unbenannter Rechtsbehelf“ gegen die Einstellungsverfügung und Missbilligung des Kommandeurs Luftwaffenausbildungskommando vom 17. Februar 2003 und gegen den Beschluss der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 13. August 2003 wegen „greifbarer und offenkundiger Gesetzeswidrigkeit“ eingelegt und beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Missbilligung des Kommandeurs Luftwaffenausbildungskommando gegenüber dem Antragsteller in der Einstellungsverfügung vom 17. Februar 2003 nichtig ist.

2. Der Beschluss der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 13. August 2003 wird für gegenstandslos erklärt.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen:

Der der Einstellungsverfügung vom 17. Februar 2003 zugrunde liegende Vorgang sei sachlich spätestens am 5. August 2002 beendet gewesen. Das Truppendienstgericht habe in seinem Beschluss vom 13. August 2003 nicht berücksichtigt, dass der mit der Einstellungsverfügung vom 17. Februar 2003 - dem Antragsteller am 7. März 2003 ausgehändigt - ausgesprochenen Missbilligung bereits seit dem 5. Februar 2003 ein Verhängungsverbot entgegengestanden habe.

Dieses gesetzliche Verhängungsverbot ergebe sich aus § 17 Abs. 2 WDO. Danach dürfe eine einfache Disziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden, wenn seit dem Dienstvergehen sechs Monate verstrichen seien. Begrifflich gehöre die missbilligende Äußerung in den Bereich der erzieherischen Maßnahmen und liege rechtlich unterhalb der einfachen Disziplinarmaßnahme. Deshalb dürften auch erzieherische Maßnahmen nach Ablauf dieser Frist nicht mehr angeordnet werden. Der dem Verhängungsverbot zugrunde liegende Rechtsgedanke werde mit einer erzieherischen Maßnahme umgangen. Da die Missbilligung gegen ein gesetzliches Ahndungs- und Verhängungsverbot verstoße, sei sie nichtig. Diese Nichtigkeit könne jederzeit geltend gemacht werden. Da die Nichtigkeit ex tunc vorhanden gewesen sei, sei auch der Beschluss der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... im diesbezüglichen Antragsverfahren gegenstandslos. Sollte das angerufene Gericht dennoch eine unbenannte Frist für die Geltendmachung der Nichtigkeit der verfahrensgegenständlichen Einstellungsverfügung in Erwägung ziehen, dann gelte analog die Jahresregelung in § 58 Abs. 2 VwGO. Diese sei auch hinsichtlich der Geltendmachung der Gegenstandslosigkeit des Beschlusses des Truppendienstgerichts maßgebend.

Dem Anliegen des Antragstellers wäre materiell auch entsprochen, wenn der nächste Disziplinarvorgesetzte des Kommandeurs Luftwaffenausbildungskommando gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 6 WDO die verfahrensgegenständliche Missbilligung in der Einstellungsverfügung vom 17. Februar 2003 im Wege der Dienstaufsicht aufheben würde.

Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hält in seinem Schriftsatz vom 20. April 2004 das „Außerordentliche Rechtsmittel“ für unstatthaft. Nach §§ 42, 93 Abs. 4 WDO i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 5 WBO entscheide das Truppendienstgericht abschließend. Nach dem Gesetzeswortlaut der Wehrdisziplinar- bzw. Wehrbeschwerdeordnung sei ein dagegen gerichtetes Rechtsmittel ausdrücklich nicht vorgesehen. Die in der Verwaltungsgerichtsordnung zulässigen Rechtsmittel der außerordentlichen Beschwerde seien nur als notwendig erachtet worden, wenn eine gerichtliche Entscheidung wegen schwerwiegender Mängel es unumgänglich mache, diese zu korrigieren. Das sei nur der Fall, wenn die Entscheidung wegen der Art, mit diesem Inhalt oder aufgrund eines derartigen Verfahrens offensichtlich mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar und deshalb auch unzulässig sei, also z.B. jeder gesetzlichen Grundlage entbehre, inhaltlich dem Gesetz fremd sei oder offensichtlich dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes widerspreche. Solche schwerwiegenden Verstöße lägen im vorliegenden Fall jedoch nicht vor und könnten daher auch in entsprechender Anwendung von § 91 WDO i.V.m. § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht gerügt werden. Ferner sei die ausgesprochene Missbilligung mit der Feststellung eines Dienstvergehens so eng verbunden, dass sie für sich allein gesehen keine eigenständige Maßnahme etwa im Sinne einer „einfachen erzieherischen Maßnahme“ sei. Sie stelle vielmehr im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 WDO eine „Zurechtweisung“ unter dem beispielhaft zusammengefassten Oberbegriff „Missbilligende Äußerung“ dar, die auch nach Nr. 309 Abs. 2 ZDv 14/3 B 151 ausdrücklich nicht der Sechs-Monats-Frist unterliege.

Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2004 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers erwidert und im Wesentlichen weiter ausgeführt, dass der Verstoß gegen das Verhängungsverbot des § 17 Abs. 2 WDO offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspreche und eine Gesetzesanwendung zur Folge habe, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden solle.

Das Verhängungsverbot des § 17 Abs. 2 WDO sei eine Konkretisierung des Beschleunigungsgebots aus § 17 Abs. 1 WDO, welches seinerseits eine Emanation des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei. Das Verhängungsverbot diene dem Schutz des Soldaten und der Herstellung des Rechts- und Dienstfriedens, mithin auch dem soldatischen Zusammenhalt der Bundeswehr. Diesen Prinzipien laufe es zuwider, wenn auch nach dem Zeitablauf, nach welchem einfache Disziplinarmaßnahmen verboten seien, über dem betroffenen Soldaten das „Schwert“ der Missbilligung hängen dürfe. Da der Zweck der erzieherischen Maßnahme sui generis in der unmittelbaren und schnellen Eingriffsmöglichkeit des Disziplinarvorgesetzten liege, den auch der innere Zusammenhang seiner Maßnahme zum erkannten Mangel objektiv zu einer unverzüglichen Reaktion veranlassen müsse, werde auch die Ansicht vertreten, erzieherische Maßnahmen dürften bereits nach Ablauf einer erheblich kürzeren Frist als sechs Monate nicht mehr angeordnet werden. Der Umstand, dass missbilligende Äußerungen eines Disziplinarvorgesetzten gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 WDO keine Disziplinarmaßnahmen seien, stelle ihre eigenständige Bedeutung im Bereich der erzieherischen Maßnahme begrifflich nicht in Frage.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akte verwiesen.

II

Das vom Antragsteller als „unbenannter Rechtsbehelf’“ eingelegte Rechtsmittel gegen die Einstellungsverfügung und Missbilligung des Kommandeurs Luftwaffenausbildungskommando vom 17. Februar 2003 und den Beschluss der 9. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 13. August 2003 ist nicht statthaft und daher unzulässig.

Gegen die Entscheidung des Truppendienstgerichts vom 13. August 2003, die nach § 92 Abs. 4, § 42 Nr. 11 WDO ergangen ist, ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 92 Abs. 4 Satz 4 WDO kein Rechtsmittel gegeben; das Truppendienstgericht entscheidet „endgültig“, ob ein Dienstvergehen vorliegt und eine missbilligende Äußerung angebracht war. Ausnahmen sieht das Gesetz nicht vor.

Die vom Bundesgerichtshof und vom Bundesverwaltungsgericht im Anwendungsbereich des Zivil- bzw. des Verwaltungsprozessrechts früher grundsätzlich eröffnete Möglichkeit, eine außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit auch bei einer nach den gesetzlichen Vorschriften unanfechtbaren Entscheidung zuzulassen, wenn die angefochtene Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrte, inhaltlich dem Gesetz fremd und mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar war (BGH, Beschlüsse vom 14. November 1991 - I ZB 15/91 - <NJW 1992, 983 [984]> und vom 4. März 1993 - V ZB 5/93 - <BGHZ 121, 397 [398]>; BVerwG, Beschlüsse vom 30. Januar 2001 - BVerwG 1 B 150.00 -, vom 31. Januar 2001 - BVerwG 6 B 9.01 -, vom 11. September 2001 - BVerwG 1 DB 24.01 -, vom 23. Oktober 2001 - BVerwG 1 B 350.01 - m.w.N. und vom 1. März 2002 - BVerwG 9 B 11.02 -), besteht nach dem geltenden Recht für Verfahren nach der Wehrdisziplinarordnung nicht. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zwischenzeitlich geändert (vgl. Beschluss vom 7. März 2002 - IX ZB 11/02 - <BGHZ 150, 133 = NJW 2002, 1577>).

Anders als im „normalen“ Verwaltungsgerichtsverfahren, in dem über § 173 VwGO die Regelungen der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden sind, finden jedenfalls im - hier vorliegenden - Verfahren nach der Wehrdisziplinarordnung ergänzend die Regelungen der Strafprozessordnung Anwendung (§ 91 Abs. 1 WDO). Darin ist ein Rechtsmittel wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit gerade nicht vorgesehen (so auch BGH, Beschluss vom 19. März 1999 - 2 ARs 109/99 - <BGHSt 45, 37 = NJW 1999, 2290> und Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 349 RNr. 49). Daran ist der Senat gebunden (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG).

Im Übrigen verstoßen außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffene außerordentliche Rechtsbehelfe auch gegen den in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtsmittelklarheit (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - <BVerfGE 107, 395 = NJW 2003, 1924> und vom 7. Oktober 2003 - 1 BvR 10/99 - <BVerfGE 108, 341 = NJW 2003, 3687>). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat deshalb auch das Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden, dass das Institut der außerordentlichen Beschwerde im Verwaltungsprozessrecht keine Anwendung findet (Beschlüsse vom 16. Mai 2002 - BVerwG 6 B 28, 29.02 - <Buchholz 310 § 152 VwGO Nr. 14 = NJW 2002, 2657>, vom 27. Juni 2003 - BVerwG 5 PKH 21.03 -, vom 20. August 2003 - BVerwG 20 F 11.03 - und vom 6. Oktober 2003 - BVerwG 4 B 86.03 -) und dass damit - ohne entsprechende gesetzliche Regelung - der Zugang zu einer weiteren Instanz nicht gegeben ist

Darüber hinaus wären hier aber auch - bei unterstellter Zulässigkeit - die Voraussetzungen einer außerordentlichen Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht schon deshalb nicht gegeben, weil die Entscheidung des Truppendienstgerichts vom 13. August 2003 jedenfalls nicht „greifbar gesetzeswidrig“ ist. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Ob eine „missbilligende Äußerung“ unter das Verhängungsverbot für einfache Disziplinarmaßmaßnahmen wegen Zeitablaufs fällt, ist umstritten (einerseits: BDiG vom 25. August 1969 - IV BK 2.69 - <DokBer B 1970, 3641>; Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl. 2003, § 15 RNr. 14; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 17 RNr. 16; Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl. 1996, § 4 RNr. 5; andererseits: Claussen in: Festschrift für Ostler, 1983, 34; Pflüger, DÖD 1992, 250). Der Wortlaut des Gesetzes, wonach missbilligende Äußerungen keine Disziplinarmaßnahmen sind (§ 23 Abs. 3 Satz 1 WDO), sowie der Sinn und Zweck einer solchen Äußerung sprechen eher gegen eine Einbeziehung. Sie ist als „erzieherische Weisung“ und damit als pädagogisches Mittel darauf angelegt, dass die zuständige Stelle spezial- und generalpräventiv auf ein dienstlich unzureichendes Verhalten angemessen reagieren kann, ohne sogleich mit der Strenge disziplinarer Ahndung einschreiten zu müssen. Auch der Gesetzgeber ging bei Schaffung der Verjährungsvorschrift in der Wehrdisziplinarordnung erkennbar davon aus, dass nur Disziplinarmaßnahmen, nicht aber andere Maßnahmen des Disziplinarvorgesetzten der Verjährung anheim fallen sollten (vgl. BTDrucks VI/1834, S. 38). Einer abschließenden Entscheidung bedarf es hier freilich nicht. Denn jedenfalls ist dem Beschluss des Truppendienstgerichts vom 13. August 2003 die Rechtswidrigkeit nicht „auf die Stirn geschrieben“, wenn zu einer gewissen Rechtsfrage verschiedene Meinungen zumindest vertretbar sind und sich das Truppendienstgericht (inzidenter) bei seiner Entscheidung eine dieser Meinungen zu eigen gemacht hat.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 141 Abs. 1 WDO i.V.m. § 139 Abs. 2 WDO.