Beschluss vom 04.02.2015 -
BVerwG 5 B 28.14ECLI:DE:BVerwG:2015:040215B5B28.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.02.2015 - 5 B 28.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:040215B5B28.14.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 28.14

  • VG Cottbus - 10.04.2014 - AZ: VG 1 K 917/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Februar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 10. April 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 47 918,27 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde der Klägerin, die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (1.) und eines Verfahrensfehlers (2.) gestützt ist, hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Eine die Revision nach dieser Vorschrift eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Dem genügt das Vorbringen der Beschwerde nicht.

3 Die Beschwerde macht geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 4. September 2008 - 5 C 21.07 -) abgewichen. An einer hinreichenden Darlegung einer Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mangelt es ihrem Vorbringen jedoch bereits deshalb, weil sich das zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu der Vorschrift verhält, die das Verwaltungsgericht als Maßstab ausgelegt und herangezogen hat und die auch die Beschwerde als streitentscheidend ansieht, nämlich auf § 8 des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz - EntschG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Juli 2004 (BGBl. I S. 1658), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2006 (BGBl. I S. 1466). Hierbei handelt es sich um die alte Fassung der Vorschrift (im Folgenden: § 8 EntschG a.F.), da die durch das Gesetz vom 23. Mai 2011 (BGBl. I S. 920) bewirkte umfassende Änderung dieser Vorschrift auf den Streitfall nicht anwendbar war. Demgegenüber bezieht sich das von der Beschwerde zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (vom 4. September 2008 a.a.O.) auf § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG. Der Einwand der Beschwerde, das Bundesverwaltungsgericht habe in dieser Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz „ohne Bezug auf eine bestimmte Rechtsvorschrift aufgestellt“ (Beschwerdebegründung S. 7), trifft nicht zu. Vielmehr stehen die von der Beschwerde in Bezug genommenen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in untrennbarem Zusammenhang mit der für diese Entscheidung maßgeblichen Regelung des § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG.

4 Überdies legt die Beschwerde nicht dar, dass das Verwaltungsgericht einen abstrakten Rechtssatz gebildet hat, welcher demjenigen, den das Bundesverwaltungsgericht (sinngemäß) formuliert haben soll, entgegensteht. Die teilweise in der Art einer Revisionsbegründung gehaltene Kritik der Beschwerde an der angegriffenen Entscheidung konzentriert sich vielmehr darauf, dem Verwaltungsgericht im Hinblick auf § 8 EntschG a.F. eine fehlerhafte Auslegung und „willkürliche Rechtsanwendung“ (Beschwerdebegründung S. 7) vorzuwerfen. Unabhängig davon, ob und inwieweit diese Kritik berechtigt ist, vermag dieses Vorbingen der Beschwerde die Zulassung der Revision wegen Divergenz auch deshalb nicht zu rechtfertigen, weil das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung einer Vorschrift oder eines Rechtssatzes, den das betreffende Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, den Zulässigkeitsanforderungen nicht genügt (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 25. August 2014 - 4 BN 9.14 - juris Rn. 8 f.).

5 Aus dem vorbezeichneten Grund käme eine Revisionszulassung auch dann nicht in Betracht, wenn die Divergenzrüge in eine Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) umgedeutet würde. Über die Rüge der fehlerhaften („willkürlichen“) Anwendung einer Vorschrift bzw. eines Rechtssatzes hinaus ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht - wie es für die Zulassung wegen Grundsatzbedeutung erforderlich gewesen wäre -, dass in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - 5 B 51.09 - ZOV 2010, 31). Eine Zulassung wegen Grundsatzbedeutung käme auch deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei der entscheidungserheblichen Regelung in der hier anwendbaren Fassung (§ 8 EntschG a.F.) um - wie oben dargelegt - ausgelaufenes Recht handelt. Fragen auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 2013 - 5 B 7.13 - juris Rn. 6 m.w.N.).

6 2. Aus dem Vorbringen der Beschwerde ergibt sich auch nicht, dass das angegriffene Urteil an einem Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO leidet.

7 a) Die Beschwerde rügt einen „Verfahrensmangel der gerichtlichen Willkür“, auf dem die Entscheidung beruhen könne (Beschwerdebegründung S. 4). Im Hinblick auf § 8 EntschG a.F. liege - wie die Beschwerde weiter (Beschwerdebegründung S. 7 ff.) ausführt - eine „willkürliche Rechtsanwendung“ vor; das Verwaltungsgericht habe bereits verkannt, dass § 8 Abs. 1 Satz 3 EntschG a.F. nach seinem unmissverständlichen Wortlaut einen „bestandskräftig festgesetzten Rückforderungsbetrag“ voraussetze. Die Anwendung der Vorschrift, deren Voraussetzungen offenkundig nicht erfüllt seien, entbehre eines sachlichen Grundes; sie diene dem Verwaltungsgericht nur dazu, einen Behördenfehler „contra legem“ zu heilen. Auch eine Gesetzeslücke sei von der Vorinstanz nicht festgestellt worden.

8 Mit diesem Vorbringen wird jedoch ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht aufgezeigt. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf bzw. den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteilsinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Der von der Beschwerde erhobene Vorwurf willkürlicher Rechtsanwendung betrifft jedoch die Auslegung und Anwendung materiellen Rechts. Ein solcher Fehler, der die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung zum Gegenstand hat, kann nur unter den Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VwGO zur Zulassung der Revision führen (BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 und vom 21. Februar 2003 - 9 B 64.02 - juris Rn. 6). Diese Zulassungsgründe liegen hier indes - wie oben erläutert - nicht vor.

9 Soweit die Beschwerde (S. 7 der Beschwerdebegründung unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 2012 - 9 BN 3.11 - juris) geltend macht, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, dass eine willkürliche Rechtsanwendung vorliege, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder ihr Inhalt in krasser Weise missdeutet werde, verkennt sie, dass sich diese Rechtsprechung zum inhaltlichen Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als Willkürverbot (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 3. November 1992 - 1 BvR 1243/88 - BVerfGE 87, 273) verhält. Dieser Rechtsprechung ist jedoch nicht zu entnehmen, dass im Falle willkürlicher Rechtsanwendung ein die Zulassung der Revision begründender (Verfahrens-) Fehler vorliegt. Soweit sich diesbezüglich aus der von der Beschwerde zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, Beschluss vom 20. Dezember 2005 - X B 120/05 - juris Rn. 9) im Hinblick auf die Revisionszulassung im finanzgerichtlichen Verfahren etwas Anderes ergeben sollte, ist dies auf der Grundlage der Auslegung einer hier nicht anwendbaren Prozessrechtsnorm, nämlich des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO, entschieden worden, die überdies - auch aufgrund des teilweise unterschiedlichen Gesetzeswortlauts - nicht in jeder Hinsicht mit der Auslegung der hier anzuwendenden Zulassungsregelungen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO) übereinstimmen muss.

10 b) Soweit der Beschwerde schließlich sinngemäß die Rüge zu entnehmen sein sollte, das Verwaltungsgericht habe gegen Denkgesetze verstoßen (vgl. Beschwerdebegründung S. 7: „denklogisch ... nicht möglich“), ist damit ebenfalls ein Verfahrensmangel nicht dargetan. Denn auch ein Verstoß gegen Denkgesetze führt grundsätzlich nicht auf einen Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, sondern auf einen Fehler, der die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung betrifft (BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2003 - 9 B 64.02 - juris Rn. 6). Der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angenommene Ausnahmefall einer von Willkür geprägten (bzw. gegen Denkgesetze verstoßenden) Beweiswürdigung, die einen als Verfahrensfehler anzusehenden Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. März 2014 - 5 B 48.13 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 22 m.w.N.), ist weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.

11 c) Ein Verfahrensfehler wird schließlich auch nicht ausreichend bezeichnet im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, soweit die Beschwerde ausführt: „Eine vom Verwaltungsgericht möglicherweise angenommene, aber unter Verletzung des verfassungskräftigen klägerischen Anspruchs auf rechtliches Gehör weder erörterte noch festgestellte Gesetzeslücke (Verfahrensfehler), lag allerdings auch nicht vor, ...“ (Beschwerdebegründung S. 9). Denn die Rüge, der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) sei verletzt, weil die Vorinstanz die Ausführungen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und/oder in Erwägung gezogen hat, erfordert die substantiierte Darlegung, welches konkrete entscheidungserhebliche Vorbringen vernachlässigt worden sei (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 7 und vom 28. November 2011 - 5 B 55.11 - juris Rn. 2). Dem wird die Beschwerde mit der soeben zitierten Äußerung, die sie nur beiläufig im Rahmen ihrer inhaltlichen Kritik an der angegriffenen Entscheidung gemacht hat, nicht ansatzweise gerecht. Mit ihrer auch insoweit im Vordergrund stehenden Kritik, die Vorinstanz habe das materielle Recht fehlerhaft ausgelegt, kann ein Zulassungsgrund im Sinne vom § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht in zulässiger Weise begründet werden.

12 3. Im Übrigen sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

13 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.