Beschluss vom 04.02.2004 -
BVerwG 1 B 202.03ECLI:DE:BVerwG:2004:040204B1B202.03.0

Beschluss

BVerwG 1 B 202.03

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 23.05.2003 - AZ: OVG 4 A 3414/01.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Februar 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Verstöße gegen das Recht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG) werden zum Teil schon nicht in einer Weise dargelegt, die den Anforderungen des § 133 Abs. 2 Satz 3 VwGO genügt, zum Teil liegen sie nicht vor.
Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die vor allem auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 18. Juli 2002 an das Verwaltungsgericht Münster gestützte Auffassung des Berufungsgerichts, dass bestimmte exilpolitische Aktivitäten von Kongolesen - soweit sie nicht in Belgien oder Frankreich stattfänden - in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) nicht als ernst zu nehmende Opposition betrachtet, sondern dahin gehend gewertet würden, dass sie in erster Linie dazu dienten, ein Bleiberecht im Ausland zu erhalten. Die Beschwerde meint, diese schematische Betrachtungsweise stehe im Widerspruch zu den differenzierten Ausführungen des Auswärtigen Amtes in seinem aktuelleren Lagebericht vom 2. August 2002. Eine Gehörsverletzung wird damit nicht aufgezeigt. Vielmehr greift die Beschwerde in der Art einer Berufungsbegründung die ihrer Ansicht nach unrichtige Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an. Etwaige Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind aber in der Regel - und so auch hier - nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 = DVBl 1996, 108; Beschluss vom 10. August 2001 - BVerwG 9 B 43.01 - <juris>). Eine Verfahrensrüge kann darauf nicht gestützt werden.
Soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe in seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen, dass die Botschaft der DRK in Deutschland auf den Inhalt der Zeitschrift "Eveil", deren Mitarbeiter der Kläger sei, in einer Weise reagiert habe, die gerade verdeutliche, dass man seitens der Regierung der DRK die Artikel ernst genommen habe und eine Unterbindung wünsche, führt dies ebenfalls nicht auf eine Gehörsverletzung. Die Beschwerde räumt selbst ein, dass das Berufungsgericht auf die vom Kläger vorgetragene Reaktion der kongolesischen Botschaft gegenüber der Zeitschrift "Eveil" in der Sache eingegangen ist. Wenn es daraus nicht dieselben Schlussfolgerungen gezogen hat wie der Kläger, sondern aufgrund seiner Bewertung der Erkenntnislage zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die behauptete "scharfe Reaktion" der Botschaft für das Verhalten der Behörden in der DRK bei einer Rückkehr des Klägers nicht maßgeblich sein werde (BA S. 10), so gehört dies ebenfalls zum Bereich der dem Tatrichter vorbehaltenen Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs erstreckt sich nur darauf, dass entscheidungserhebliches Vorbringen zur Kenntnis genommen und erwogen wird, nicht aber darauf, dass dieses Vorbringen in einer bestimmten Weise - etwa wie vom Betroffenen erwartet - berücksichtigt wird.
Allerdings bemängelt die Beschwerde zu Recht, dass das Berufungsgericht die mit Schriftsatz vom 8. September 2000 vom Kläger eingereichte Kopie des in französischer Sprache abgefassten Schreibens der Botschaft der DRK vom 8. Februar 2000 an den Herausgeber der Zeitschrift "Eveil" selbst übersehen und damit nicht zur Kenntnis genommen hat. Denn anders lassen sich die weiteren Ausführungen auf Seite 10 der Berufungsentscheidung, es komme hinzu, dass nach der Schilderung des Klägers völlig offen sei, in welcher Form die "Reaktion" erfolgt und ob überhaupt der Kläger ihr Adressat gewesen sei, nicht erklären. Gleichwohl kann dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil sich der Fehler nur auf eine zusätzliche, nicht entscheidungserhebliche Erwägung des Berufungsgerichts bezieht (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwGE 110, 40 <48 f.> m.w.N.; Beschluss vom 15. Mai 2003 - BVerwG 7 B 9.03 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 19). Wie bereits dargelegt, hat das Berufungsgericht in erster Linie darauf abgestellt, dass die vom Kläger behauptete, als wahr unterstellte "scharfe Reaktion" der Botschaft der DRK für das Verhalten der Behörden in der DRK bei einer Rückkehr des Klägers nicht maßgeblich sein werde. Gegen diese tatrichterliche Würdigung, die die Berufungsentscheidung selbständig trägt, hat die Beschwerde keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben. Der in Rede stehende Gehörsverstoß betrifft lediglich die zusätzlichen Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen im Wege eines obiter dictum die Angaben des Klägers über die Reaktion der Botschaft der Sache nach außerdem als nicht hinreichend substantiiert und belegt bezeichnet werden. Die Berufungsentscheidung hat daher auch ohne die von dem Verfahrensfehler betroffenen Ausführungen im Ergebnis Bestand.
Schließlich zeigt die Beschwerde auch mit ihrem Vorbringen, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Kläger Leserbriefe in der international erscheinenden Zeitschrift "L´autre Afrique" veröffentlicht und sich seine exilpolitische Tätigkeit somit auch in Frankreich und Belgien ausgewirkt habe, eine Gehörsverletzung nicht schlüssig auf. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in ihrer Erwägung einbeziehen. Nur wenn die Umstände des einzelnen Falles deutlich ergeben, dass das Gericht bestimmtes Vorbringen eines Beteiligten nicht berücksichtigt hat, kann darin eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegen (vgl. BVerfGE 96, 205, <216 f.> m.w.N.). Solche Umstände lassen sich der Beschwerde in Bezug auf die Leserbriefe für die Zeitschrift "L´autre Afrique" nicht entnehmen. Die Tatsache, dass das Berufungsgericht diesen Vortrag des Klägers in den Entscheidungsgründen wiedergegeben hat (BA S. 7), spricht eher dafür, dass es ihn zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Es ist in seiner Würdigung auch sinngemäß darauf eingegangen, indem es eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung zurückkehrender Asylbewerber u.a. bei Verfassen von Zeitungsartikeln oder Schreiben an Regierungsstellen bzw. an den jeweiligen Präsidenten, auch wenn in diesen eine Gegnerschaft zum bestehenden Regime zum Ausdruck gebracht werde, verneint hat. Diese Aktivitäten würden von kongolesischen Regierungsstellen dahin gewertet, dass sie in erster Linie asyltaktischen Überlegungen entsprängen, um ein Bleiberecht im Ausland zu erreichen (BA S. 8). Wenn die Beschwerde meint, das Berufungsgericht selbst habe insoweit für exilpolitische Aktivitäten in Belgien oder Frankreich etwas anderes angenommen und hätte deshalb auf die Leserbriefe des Klägers in der international erscheinenden Zeitschrift näher eingehen müssen, ist dieser Schluss nicht zwingend. Vielmehr legt der Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe es nahe, dass das Berufungsgericht mit solchen "in Belgien oder Frankreich stattfindenden" exilpolitischen Aktivitäten (BA S. 9) nur die von Kongolesen in diesen Ländern ausgehenden Aktivitäten, nicht aber die in einer international erscheinenden Zeitschrift veröffentlichten Leserbriefe von Asylbewerbern aus Deutschland gemeint hat. Aus der fehlenden ausdrücklichen Erörterung der Leserbriefe in diesem Zusammenhang kann daher nicht auf eine mangelnde Kenntnisnahme und Erwägung dieses Vortrags geschlossen werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.