Beschluss vom 03.12.2015 -
BVerwG 1 WB 42.15ECLI:DE:BVerwG:2015:031215B1WB42.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.12.2015 - 1 WB 42.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:031215B1WB42.15.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 42.15

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
am 3. Dezember 2015 beschlossen:

Die dem Antragsteller in dem durch seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 2. Juli 2015 eingeleiteten Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden zur Hälfte dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Dem Antragsteller geht es um die Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen in einem Verfahren gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3).

2 Der 1983 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf des 31. Mai 2038 enden. Mit Wirkung vom 1. Juni 2011 erfolgte seine Ernennung zum Hauptfeldwebel. Seit dem 1. Juli 2008 wurde er beim Kommando ... verwendet. Aufgrund der im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Vorfälle wurde er im Mai 2014 aus dem ... herausgelöst. Mit Verfügung vom 2. Juli 2015 ordnete das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Versetzung des Antragstellers auf einen nicht sicherheitsempfindlichen Dienstposten Gruppenführer Streitkräfte/Jägerfeldwebel bei der ... an. Dort hat der Antragsteller am 1. Juli 2015 den Dienst angetreten.

3 Für den Antragsteller wurde zuletzt am 9. März 2010 eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) ohne Einschränkungen abgeschlossen.

4 Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Juni 2015, dem Antragsteller eröffnet am 19. Juni 2015, stellte das Bundesministerium der Verteidigung - R II 3 - Geheimschutzbeauftragter - (im Folgenden: der Geheimschutzbeauftragte im BMVg) für den Antragsteller unter Berücksichtigung der Stellungnahmen seines Bevollmächtigten vom 25. März 2015 und vom 22. Mai 2015 sowie der persönlichen Anhörung des Antragstellers am 13. April 2015 fest, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) Umstände ergeben habe, die ein Sicherheitsrisiko darstellen. Dieser auf § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SÜG gestützten Feststellung lag u.a. zugrunde, dass über das Vermögen des Antragstellers am 27. März 2013 ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Der Einsatz des Antragstellers in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit wurde für einen Zeitraum von fünf Jahren ausgeschlossen.

5 Gegen diese Entscheidung beantragte der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 2. Juli 2015 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts; er erklärte zugleich, dass die Antragsbegründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleibe.

6 Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 2. Juli 2015 an den Geheimschutzbeauftragten im BMVg legte der Antragsteller dar, dass er zur Fristwahrung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos beantragt habe. Vorab wolle er aber eine einvernehmliche Regelung anregen. Im Anhörungstermin habe der Geheimschutzbeauftragte ausgeführt, es sei Spruchpraxis, dass ein Sicherheitsrisiko für den gesamten Verlauf der insolvenzrechtlichen Wohlverhaltensphase und darüber hinaus noch für einen zwei- bis dreijährigen weiteren Zeitraum festgestellt werde; wegen der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles sei jedoch ein Entgegenkommen in der Form vorstellbar, dass ein Sicherheitsrisiko nur bis zu einem Zeitpunkt festgestellt werde, der ein Jahr vor dem Ablauf der Wohlverhaltensphase liege. Daher rege er angesichts des Endes der Wohlverhaltensphase im März 2019 an, die Feststellung eines Sicherheitsrisikos - vorbehaltlich einer späteren Überprüfung - bis März 2018 zu befristen.

7 Mit Bescheid vom 17. September 2015 änderte der Geheimschutzbeauftragte im BMVg seine Entscheidung vom 9. Juni 2015 wie folgt ab:
Der Einsatz in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit wird ab März 2018 erneut zugelassen, sofern der Betroffene dann in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit eingesetzt/eingeplant werden soll und vor dem Einsatz eine Sicherheitsüberprüfung positiv abgeschlossen wurde. Dieser Erlass ist zu meiner Entscheidung (Bezug) vom 9. Juni 2015 zu nehmen."

8 Im Hinblick auf diesen Änderungsbescheid hat der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 1. Oktober 2015 das gerichtliche Antragsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,
die Kosten des Verfahrens dem Bund aufzuerlegen.

9 Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit seiner Stellungnahme vom 3. November 2015 dem Senat vorgelegt, den Rechtsstreit ebenfalls in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,
über die Kosten zu entscheiden.

10 Es vertritt die Auffassung, dass der Antragsteller sein Ziel der Aufhebung der Entscheidung vom 9. Juni 2015 nicht in vollem Umfang erreicht habe. In der Sache habe er sich im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 2. Juli 2015 uneingeschränkt gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos für die Dauer von fünf Jahren gewandt. Nach dem Abänderungsbescheid des Geheimschutzbeauftragten im BMVg vom 17. September 2015 bleibe es bei der Feststellung eines Sicherheitsrisikos, das den Antragsteller zugleich vom Einsatz in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit bis mindestens März 2018 ausschließe. Daher erscheine es sachgerecht, dem Bund lediglich ein Drittel der Kosten aufzuerlegen.

11 Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat auf Rückfrage des Gerichts am 1. Dezember 2015 fernmündlich die Erklärung des Geheimschutzbeauftragten im BMVg übermittelt, dass die Angabe "ab März 2018" im Änderungsbescheid vom 17. September 2015 als "ab 1. März 2018" zu verstehen sei.

12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - 775/15 - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

13 Das Auslagenerstattungsbegehren des Antragstellers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

14 1. Über den Antrag entscheidet der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter (stRspr, grundlegend: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 1 WB 35.12 - Buchholz 450.1 § 20 WBO Nr. 4 Rn. 9 bis 14).

15 2. Erledigt sich ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder erklären - wie hier - die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt, bevor das Bundesministerium der Verteidigung den bei ihm gestellten (§ 21 Abs. 1 Satz 2 WBO) Antrag dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat, so kann der Antragsteller weiterhin die Vorlage seines Antrags verlangen, um die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen nach § 20 Abs. 3 WBO herbeizuführen; Gegenstand des rechtshängigen Verfahrens ist dann der geltend gemachte Auslagenerstattungsanspruch (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juni 2006 - 1 WB 60.05 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 60 Rn. 16 ff. und vom 17. Juli 2012 - 1 WB 35.12 - Buchholz 450.1 § 20 WBO Nr. 4 Rn. 11).

16 Nach den im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätzen ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO i.V.m. § 23a Abs. 2 WBO; stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 22. April 2008 - 1 WB 4.08 - und vom 27. Juli 2011 - 1 WB 21.11 -).

17 Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die dem Antragsteller im gerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen zur Hälfte dem Bund aufzuerlegen.

18 Zwar ist dem Antragsteller im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 1 WB 35.12 - Buchholz 450.1 § 20 WBO Nr. 4 Rn. 17 m.w.N.) in der Regel die notwendigen Aufwendungen vollständig dem Bund aufzuerlegen sind, wenn die übereinstimmenden Erledigungserklärungen darauf beruhen, dass der Antragsteller klaglos gestellt wurde.

19 Diese Voraussetzung ist hier allerdings nicht in vollem Umfang erfüllt. Das Rechtsschutzziel des Antragstellers war die vollständige Aufhebung der Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im BMVg vom 9. Juni 2015. Im Rahmen der Anhörung durch den Geheimschutzbeauftragten hatte der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 25. März 2015 die sicherheitsrechtlichen Zweifel des Geheimschutzbeauftragten im Einzelnen bestritten, vollständig als widerlegt angesehen und mit mehreren Hilfsanträgen, die sämtlich auf seine Weiterverwendung in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit gerichtet waren, eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass es ihm hauptsächlich darum ging, dass der Geheimschutzbeauftragte im BMVg (insgesamt) von der Feststellung eines Sicherheitsrisikos absehe. Diesen Antrag, "von der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abzusehen", hat der Antragsteller dann ausdrücklich als (Haupt-)Antrag im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22. Mai 2015 gestellt.

20 Gegen den anschließend ergangenen Bescheid über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos hat er unter dem 2. Juli 2015 beim Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Dabei handelt es sich um einen prozessualen Antrag im Sinne des § 21 Abs. 1 WBO, der in der Regel um einen konkreten Sachantrag zu ergänzen ist. Für dessen Inhalt war bei Eingang des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 2. Juli 2015 beim Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - der Sachantrag des Antragstellers aus dem Schriftsatz vom 22. Mai 2015 zugrunde zu legen, d.h. das Begehren der vollständigen Aufhebung der Feststellung eines Sicherheitsrisikos. Von diesem umfassenden Aufhebungsantrag hat der Antragsteller im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 2. Juli 2015 nicht Abstand genommen; er hat darin nicht einen neuen oder geänderten Sachantrag angekündigt, sondern lediglich die Antragsbegründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten.

21 Die Anregung einer "einvernehmlichen Regelung" im Schreiben seines Bevollmächtigten vom 2. Juli 2015 an den Geheimschutzbeauftragten im BMVg hat der Antragsteller demgegenüber parallel zu dem eingeleiteten gerichtlichen Verfahren verfolgt. Auf Rückfrage des zuständigen Referenten des Prozessreferats R II 2 vom 12. August 2015 hat er diesem gegenüber keinen (neuen) Sachantrag formuliert, sondern mit Email-Schreiben seines Bevollmächtigten vom 13. August 2015 lediglich mitgeteilt, dass "in dieser Angelegenheit noch Ermittlungen erforderlich" seien.

22 Vor diesem Hintergrund stellt die Modifikation der angefochtenen Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten im BMVg vom 9. Juni 2015 durch den Befristungsbescheid vom 17. September 2015 nur eine teilweise Klaglosstellung des Antragstellers dar. Bezogen auf die Geltungsdauer des Bescheids vom 9. Juni 2015 von fünf Jahren = 60 Monaten (§ 35 Abs. 3 SÜG i.V.m. Nr. 2710 Abs. 2 Satz 1 ZDv 2/30; vgl. auch S. 8 des Begründungsschreibens des Geheimschutzbeauftragen im BMVg vom 9. Juni 2015) hat das Bundesministerium der Verteidigung dem Anliegen des Antragstellers nur insoweit stattgegeben, als eine neue sicherheitsempfindliche Tätigkeit - nach Durchführung einer positiven Sicherheitsüberprüfung - bereits ab 1. März 2018, also nach Ablauf von gut 32 Monaten ab Erlass des Bescheids vom 9. Juni 2015, gestattet worden ist. Da die Geltungsdauer damit um etwa die Hälfte verkürzt wurde, erscheint es angemessen, den Bund mit der Hälfte der Kosten zu belasten. Im Übrigen trägt der Antragsteller die ihm entstandenen Aufwendungen selbst, weil er mit seiner Erledigungserklärung zum Ausdruck gebracht hat, dass er die strittige Entscheidung weitergehend nicht mehr anfechten will (insoweit verdeckte Antragsrücknahme).

23 Da die angefochtene Entscheidung vom Bundesministerium der Verteidigung erlassen worden ist und deshalb im vorliegenden Verfahren ein vorgerichtliches Beschwerdeverfahren (vgl. Legaldefinition in § 16a Abs. 1 WBO) nicht statthaft war, beschränkt sich die anteilige Kostenbelastung des Bundes auf die notwendigen Aufwendungen des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren.