Beschluss vom 03.12.2008 -
BVerwG 10 B 13.08ECLI:DE:BVerwG:2008:031208B10B13.08.0

Beschluss

BVerwG 10 B 13.08

  • VGH Baden-Württemberg - 20.11.2007 - AZ: VGH A 10 S 70/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Dezember 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und Prof. Dr. Kraft
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. November 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht werden, bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die von ihr aufgeworfenen Fragen,
„ob Ahmadis in Pakistan, bei - auch i.S.d. Art. 10 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG öffentlicher - Ausübung ihrer Religion mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von Verfolgungsmaßnahmen, die für sich oder in ihrem Zusammenwirken die insoweit nötigen Maßnahmen erfüllen, bedroht sind“
und
„ob nur für Ahmadis mit besonders tiefer oder enger Bindung bzw. religiös geprägter Persönlichkeit oder sog. bekennende Ahmadis die internationale Schutzverpflichtung gem. Art. 9 und 10 der Richtlinie 2004/83/EG ausgelöst wird“,
betreffen in erster Linie die den Tatsachengerichten vorbehaltene Klärung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse in Pakistan. Dem verschließt sich letztlich auch die Beschwerde nicht, wenn sie ausführt, dass diese Rechts- und Tatsachenfragen bislang obergerichtlich nicht abschließend geklärt seien, sondern nur im Rahmen eines Revisionsverfahrens geklärt werden könnten. Das Revisionsgericht darf aber von sich aus keine Tatsachen ermitteln; es hat - auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen - Fragen des revisiblen Rechts zu klären (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).

3 2. Die Beschwerde rügt, die Ablehnung der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge und des Antrags auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung finde im Prozessrecht keine Stütze und verletze dadurch den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Dieser Vorwurf greift nicht durch.

4 a) Das Berufungsgericht hat den auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bzw. einer Auskunft des Auswärtigen Amtes zielenden Beweisantrag, dass alle Ahmadis in Pakistan bei öffentlicher Religionsausübung u.a. mit Bestrafung rechnen müssten und es deshalb die überwiegende Zahl der Ahmadis nicht wage, sich öffentlich religiös zu betätigen (vgl. Schriftsatz vom 19. November 2007), laut Niederschrift über die mündliche Verhandlung (VGH Akte Bl. 124) wegen Unerheblichkeit der Beweistatsachen abgelehnt. Die Beschwerde legt nicht hinreichend dar, dass diese Begründung - nach der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - die Ablehnung der beantragten Beweisaufnahme nicht trägt. Denn das Berufungsgericht hat aufgrund der persönlichen Befragung des Klägers nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dieser „sich innerlich dem Glauben überhaupt verbunden fühlt und diesem entsprechend ... im Falle seiner Rückkehr handeln wird, namentlich auch in öffentlichen Bezügen.“ (UA S. 8). Vielmehr ist es zu der Überzeugung gelangt, dass „beim Kläger über seine bloße Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft hinaus engere und tiefer gehende Bindungen nicht vorhanden sind, weshalb er, wenn überhaupt, von den vorgenannten Verboten etc. nicht in einer schwer wiegenden Art und Weise betroffen ist.“ (UA S. 15). Damit fehlt den unter Beweis gestellten Tatsachen der notwendige individuelle Bezug zu der Person des Klägers und dessen Verfolgungsbetroffenheit.

5 b) Den auf Einholung einer Auskunft der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat Zentrale gerichteten Beweisantrag, der Kläger sei ein aktives Mitglied der Ahmadiyya Gemeinde, nehme am religiösen Gemeindeleben teil und habe dies auch in Pakistan getan, hat das Berufungsgericht laut Niederschrift über die mündliche Verhandlung (VGH Akte Bl. 124) insbesondere wegen Fehlens „konkreter Beweistatsachen mit Rückbindung an den klägerischen Vortrag“ abgelehnt. Mit dem dagegen gerichteten Vorbringen zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensverstoß auf.

6 Die Tatsache der bloßen Mitgliedschaft in der Ahmadiyya-Gemeinde war nach den materiellrechtlichen Maßstäben des Berufungsgerichts für dessen Entscheidung unerheblich. Soweit das in der mündlichen Verhandlung formulierte Beweisanerbieten des Klägers darüber hinausging, haben sich die abstrakte Beschreibung einer „Teilnahme am religiösen Gemeindeleben“ und die Wertung einer „aktiven Mitgliedschaft“ als nicht hinreichend konkretisiert erwiesen. Im Anschluss an die Befragung in der mündlichen Verhandlung zu seiner inneren Beziehung zum Glauben sowie zu seiner Glaubensbetätigung wäre vom Kläger zu erwarten gewesen, dass er sein Beweisanerbieten detaillierter fasst. Er hätte einzelne Tatsachen benennen und unter Beweis stellen müssen, die seine Behauptung der Einbindung in die Gemeinde als Ausdruck innerer religiöser Prägung hätten stützen können. Die in dem Antrag genannten Beweisthemen, die Umstände aus der persönlichen Sphäre des Klägers betreffen und deshalb ohne Weiteres von ihm hätten untermauert werden können, genügten nicht der gebotenen Konkretisierung. Einem unsubstanziierten Beweisantrag brauchte das Berufungsgericht aber nicht nachzugehen (vgl. Beschlüsse vom 25. Januar 1988 - BVerwG 7 CB 81.87 - und vom 29. März 1995 - BVerwG 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 und 266).

7 3. Das Berufungsgericht hat den Gehörsanspruch des Klägers nicht dadurch verletzt, dass es dem Wiedereröffnungsbegehren nicht nachgekommen ist. Nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO kann das Gericht die bereits geschlossene mündliche Verhandlung wieder eröffnen. Hierauf besteht zwar grundsätzlich kein Anspruch der Beteiligten, doch hat das Gericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung zu beachten, dass diese Regelung u.a. auch dazu dienen soll, den Parteien die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte insbesondere durch mündlichen Vortrag zu dem aufgrund der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamtergebnis des Verfahrens zu ermöglichen. § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO steht damit in enger Beziehung zu dem Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör mit der Folge, dass Bedeutung und Tragweite dieses Rechts die Ermessensfreiheit des Gerichts zu einer Wiedereröffnungspflicht verdichten kann (Urteil vom 11. April 1989 - BVerwG 9 C 55.88 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 23 S. 3 <6>).

8 Die Beschwerde macht keine Gründe geltend, aus denen sich eine Pflicht des Berufungsgerichts zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hätte ergeben können. Auf die bloße Mitgliedschaft des Klägers in der Ahmadiyya-Gemeinde kam es - wie bereits ausgeführt - für die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht an. Unabhängig davon ist dieses von einer Mitgliedschaft ausgegangen (UA S. 15). Weshalb der Kläger auf die Kenntnis seines Bevollmächtigten von der in den Gerichtsakten bereits enthaltenen Mitgliedsbescheinigung der Ahmadiyya Muslim Jamaat angewiesen war, um zu seiner religiösen Prägung im Hinblick auf seine seit Kindheit bestehende Bindung besser vortragen und seinen Beweisantrag konkreter formulieren zu können, erscheint nicht nachvollziehbar.

9 Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.