Beschluss vom 20.10.2011 -
BVerwG 9 B 84.11ECLI:DE:BVerwG:2011:201011B9B84.11.0

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    BVerwG, Beschluss vom 20.10.2011 - 9 B 84.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:201011B9B84.11.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 84.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Oktober 2011
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ
beschlossen:

Der Antrag des Klägers auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und des Richters am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen wegen Besorgnis der Befangenheit wird abgelehnt.

Gründe

1 Der Senat ist zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufen, § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO. Ein Fall des § 45 Abs. 3 ZPO liegt entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor.

2 Der Antrag des Klägers auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost wegen Besorgnis der Befangenheit ist bereits unzulässig, weil ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost ist mit Erreichen der Altersgrenze aus dem Gericht ausgeschieden und wird deshalb an der Entscheidung über die Anhörungsrüge nicht mehr mitwirken.

3 Soweit der Antrag sich gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen richtet, ist er unbegründet. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 54 Abs. 1 VwGO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Es genügt, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Eine rein subjektive Besorgnis, für die vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen nicht aus (Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.>). Hinreichende objektive Gründe, die bei vernünftiger Betrachtungsweise Anlass geben, an der Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu zweifeln, sind hier nicht gegeben.

4 Der Kläger sieht einen Ablehnungsgrund vor allem darin, dass Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes sowohl materiellrechtlich wie auch verfahrensrechtlich anders beurteilt als er selbst. Das gilt insbesondere für den Vorwurf, der im Rahmen der Gehörsrüge nach § 152a VwGO zu behandeln sein wird, der Richter habe die einschlägigen, vom Kläger angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 12. Januar 2005 - Vf. 3-VII-03 - nicht zur Kenntnis genommen oder sich bewusst über sie hinweggesetzt und deshalb nicht darauf abgestellt, dass Bundesverfassungsrecht selbstverständlich revisibles Bundesrecht sei, auch wenn hier eine gemeindliche Satzung in Rede stehe. Der abgelehnte Richter habe fortgesetzt Beweise vereitelt, indem er die Ablehnung aller Beweisanträge trotz Verstoßes gegen Bundesverfassungsrecht für rechtmäßig gehalten habe. Die Frage des Rechts auf Einsicht in Urkunden nach § 99 VwGO sei ebenfalls gesetzeswidrig und verfahrensfehlerhaft beurteilt worden. Die vor Erlass der Ausbaubeitragssatzung durchgeführten Maßnahmen seien „contra legem“ der Beitragspflicht unterworfen worden.

5 Der Kläger leitet damit seine Besorgnis der Befangenheit aus einer unterschiedlichen - d.h. von der seinigen abweichenden - Beurteilung der Rechtslage durch den abgelehnten Richter her. Dass ein abgelehnter Richter bei der rechtlichen Beurteilung eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, reicht indes regelmäßig nicht aus, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen; das gilt selbst für irrige Ansichten (Beschluss vom 29. Mai 1991 - BVerwG 4 B 71.91 - NJW 1992, 1186 <1187> stRspr; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 54 Rn. 11b m.w.N.). Danach erweisen sich die vorstehend wiedergegebenen Ablehnungsgründe als nicht tragfähig. Im Beschluss vom 6. September 2011 findet sich - soweit im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde veranlasst - eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Rügen der unzutreffenden Beurteilung der materiellen Rechtslage sowie der aufgeworfenen Verfahrensfragen wie der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Ablehnung der Beweisaufnahme und der Anträge auf Beiziehung von Verwaltungsvorgängen und der Einsicht in diese nach § 99 VwGO. Dass dies Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen anders beurteilt als der Kläger, begründet keine Befangenheit. Soweit der Kläger rügt, die Anträge auf Beiziehung von Urkunden hätten nicht mit Verweis auf § 86 Abs. 2 VwGO abgelehnt werden dürfen, weil die Vorschrift auf den Urkundenbeweis nicht anwendbar sei, missversteht der Kläger den Inhalt der Entscheidung. Diese befasst sich insoweit mit seiner Rüge, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe verfahrensfehlerhaft die „Beweisanträge“ des Klägers nicht gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorab beschieden.

6 Soweit der Kläger sein Ablehnungsgesuch außerdem darauf stützt, dass im Beschluss vom 6. September 2011 (Rn. 15) seine Schriftsätze vom 7., 14. und 24. Juni 2011 nicht zur Kenntnis genommen worden seien, mit denen er sehr wohl das Problem „Sonnleitnergasse“ vor dem Verwaltungsgerichtshof gerügt habe, kann ihm gleichfalls nicht gefolgt werden. Diese Schriftsätze sind erst nach Erlass des Berufungsurteils beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen und konnten deshalb in dem Urteil nicht berücksichtigt werden. Für die Frage, ob und inwieweit sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem erwähnten Problem befassen musste, sind sie daher ohne Belang und brauchten folglich unter diesem Aspekt auch nicht in dem Senatsbeschluss vom 6. September 2011 gewürdigt zu werden.

7 Die Behauptung, es stehe eine Rechtsbeugung im Raum, ist abwegig, weshalb eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 149 ZPO nicht in Betracht kommt.

Beschluss vom 03.11.2011 -
BVerwG 9 B 84.11ECLI:DE:BVerwG:2011:031111B9B84.11.0

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Beschluss

BVerwG 9 B 84.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. November 2011
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 20. Oktober 2011 - BVerwG 9 B 84.11 - wird verworfen.
  2. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 6. September 2011 - BVerwG 9 B 49.11, BVerwG 9 VR 4.11  - wird zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Verfahrens über die Anhörungsrüge trägt der Kläger.

Gründe

1 Die Anträge können keinen Erfolg haben. Hierbei berücksichtigt der Senat das gesamte Vorbringen in sämtlichen bis zum Beschlussdatum eingegangenen Schriftsätzen in den vier vom Prozessbevollmächtigten des Klägers parallel geführten Verfahren.

2 1. Die Sache ist spruchreif. Für eine vom Kläger begehrte Aussetzung des Verfahrens (§ 94 VwGO) bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs besteht kein Anlass. Die Anhörungsrüge missversteht ebenso wie schon die vorangegangene Beschwerde die Ausführungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zum Satzungsrecht der Beklagten.

3 2. Die mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2011 erhobene Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 20. Oktober 2011 über den Antrag des Klägers auf Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist unzulässig. Bei dem vorbezeichneten Senatsbeschluss handelt es sich um eine Zwischenentscheidung i.S.v. § 152a Abs. 1 Satz 2 VwGO, gegen die nach der genannten Vorschrift eine Anhörungsrüge nicht statthaft ist.

4 3. Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 6. September 2011 - BVerwG 9 B 49.11 , BVerwG 9 VR 4.11  - ist unbegründet. Aus dem Rügevorbringen ergibt sich nicht, dass der Senat in dem vorbezeichneten Beschluss den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Der Senat hat vielmehr das gesamte Vorbringen des Klägers im vorangegangenen Beschwerde- und Eilverfahren in der gebotenen Weise beschieden, soweit es für die Entscheidung entscheidungserheblich war, und im Übrigen gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO von einer weiteren Begründung abgesehen. Die Anhörungsrüge erschöpft sich - unter Vernachlässigung grundlegender Voraussetzungen des Revisionszulassungsrechts - in einer Kritik an der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des Streitfalls durch den Verwaltungsgerichtshof und an der Zurückweisung der gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde und der Verwerfung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Senat im Beschluss vom 6. September 2011. Dass der Kläger (weiterhin) in zahlreichen Punkten anderer Ansicht als der Verwaltungsgerichtshof und der Senat ist, begründet keinen Gehörsverstoß. Der Kläger nimmt insbesondere nicht zur Kenntnis, dass der Verwaltungsgerichtshof die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vorauszahlungsbescheids in Anwendung irrevisiblen bayerischen Landesrechts beurteilt hat, so dass weite Teile des Beschwerdevorbringens, namentlich etwa zu dem in der Anhörungsrüge erneut thematisierten Schrammbord, zu Kosten für das nach Ansicht des Klägers nicht zum Bauprogramm gehörende Sonnleitnergäßchen oder zur Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung, nicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

5 Die von der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat im Beschluss vom 6. September 2011 sämtlich in der gebotenen Weise beschieden. Dass der Senat die Rügen aus den dort im Einzelnen genannten Gründen für nicht durchgreifend erachtet hat, begründet keinen Gehörsverstoß. Die Anhörungsrüge nimmt u.a. weiterhin nicht zur Kenntnis, dass ein Verfahrensfehler (Gehörsverstoß) des Verwaltungsgerichtshofs selbst dann nicht vorliegt, wenn dessen Auffassung, das Sonnleitnergäßchen gehöre nicht zum Bauprogramm, fehlerhaft sein sollte und diesbezügliche Kosten zu Unrecht in den beitragsfähigen Aufwand einbezogen sein sollten (vgl. Rn. 15 <a.E.> des Beschlusses vom 6. September 2011). Soweit der Kläger mit Blick auf die im Beschwerdeverfahren erhobene Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen § 86 Abs. 2 VwGO verstoßen, u.a. den Einwand erhebt, er (der Kläger) habe entgegen der Annahme des Senats (Rn. 11 des Beschlusses vom 6. September 2011) im Berufungsverfahren seine „Beweisanträge“ nicht zeitgleich mit dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt (Schriftsatz vom 20. Mai 2011), sondern erst danach (in einem Schriftsatz vom 24. Mai 2011), weist der Senat darauf hin, dass dies im Widerspruch zu eigenem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers steht. Dieser hat im Parallelverfahren BVerwG 9 B 51.11 als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 25. Juli 2011 u.a. ein Schreiben an den Verwaltungsgerichtshof vom 20. Mai 2011 vorgelegt, in dem er in allen vier beim Verwaltungsgerichtshof parallel geführten Berufungsverfahren auf mündliche Verhandlung verzichtet und gleichzeitig seine „Beweisanträge“ aus dem Berufungsschriftsatz vom „04.04.2010“ (richtig: 4. Oktober 2010) wiederholt hat.

6 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Gebührenhöhe für die Anhörungsrüge unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.