Beschluss vom 03.09.2003 -
BVerwG 7 B 44.03ECLI:DE:BVerwG:2003:030903B7B44.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.09.2003 - 7 B 44.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:030903B7B44.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 44.03

  • VG Greifswald - 07.11.2002 - AZ: VG 6 A 1925/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. September 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 7. November 2002 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 31.955 € festgesetzt.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie und ihre Schwester in ungeteilter Erbengemeinschaft Berechtigte hinsichtlich eines Achtels am Grundvermögen des ehemaligen Kurhauses und Hotels Kaiserhof in Binz/Rügen sind; sie begehrt ferner die Auskehr eines entsprechenden Anteils des Erlöses aus der investiven Veräußerung der Grundstücke an diese Erbengemeinschaft. Das Verwaltungsgericht hat einen Antrag der Klägerin abgelehnt, die mündliche Verhandlung wegen einer krankheitsbedingten Verhinderung aufzuheben. Es hat sodann über die Klage in Abwesenheit der Klägerin mündlich verhandelt und die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es in ihrer Abwesenheit über ihre Klage verhandelt und entschieden hat. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs gebot es, den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den Antrag der Klägerin zu verlegen. Sie hatte erhebliche Gründe im Sinne des § 173 VwGO, § 227 Abs. 1 ZPO für eine Verlegung geltend gemacht. Derartige Gründe liegen in der Regel vor, wenn ein anwaltlich nicht vertretener Kläger am Tag der mündlichen Verhandlung in seiner Sache krankheitsbedingt nicht reise- oder verhandlungsfähig ist (vgl. Beschluss vom 2. November 1998 - BVerwG 8 B 162.98 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 285).
Die Klägerin hatte ihrem Antrag ein Attest in ungarischer Sprache sowie eine auszugsweise Übersetzung dieses Attestes beigefügt. Nach dem übersetzten Auszug war die Klägerin wenige Tage vor der anberaumten mündlichen Verhandlung vom 7. November 2002, nämlich am späten Abend des 1. November 2002 untersucht worden; es waren weiter tägliche Kontrollen mit Reinigung und Wechsel des Wundverbandes erforderlich. Das Verwaltungsgericht hat nicht in Zweifel gezogen, dass die eingereichte Übersetzung das Attest zutreffend wiedergibt und dieses auch inhaltlich richtig ist. Aus den danach belegten Umständen ergab sich bereits, dass es der Klägerin nicht möglich war, von Budapest zur mündlichen Verhandlung nach Greifswald zu reisen. Die Angaben in dem Attest wurden erhärtet durch die Angaben, welche die Schwester der Klägerin am Terminstag gegenüber dem Verwaltungsgericht gemacht hat. Danach war die Klägerin am 1. November nach einer Notaufnahme operiert worden; es bestand eine fiebrige Infektion. Die Richtigkeit auch dieser Angaben hat das Verwaltungsgericht nicht in Zweifel gezogen. Danach war aber eine krankheitsbedingte Verhinderung hinreichend glaubhaft gemacht. Indem das Verwaltungsgericht hierfür eine vollständige Übersetzung des Attestes verlangt, überzieht es die insoweit zu stellenden Anforderungen.
Das angefochtene Urteil ist gemäß § 138 Nr. 3 VwGO als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs erfasst den gesamten Prozessstoff. Der festgestellte Verfahrensfehler haftet deshalb der vorinstanzlichen Entscheidung insgesamt an; die Klägerin muss deshalb nicht näher dartun, was sie im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und inwiefern dies zu einer für sie günstigeren Entscheidung geführt hätte (Beschluss vom 28. August 1992 - BVerwG 5 B 159.91 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 252).
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, wegen des Verfahrensfehlers die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.