Beschluss vom 03.05.2005 -
BVerwG 8 B 111.04ECLI:DE:BVerwG:2005:030505B8B111.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.05.2005 - 8 B 111.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:030505B8B111.04.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 111.04

  • VG Potsdam - 31.08.2004 - AZ: VG 11 K 1495/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Mai 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f und P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 31. August 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 511 291,88 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ergibt für die Zulassung der Revision keinen der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe.
1. Divergenzrügen
a) Die Rüge der Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 1998 - BVerwG 7 C 8.97 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 140) ist unbegründet. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung der selben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26). Daran mangelt es hier. Der Kläger will dem Urteil den Rechtssatz entnehmen, Voraussetzung für eine manipulationsfreie Enteignung nach dem Aufbaugesetz sei, dass eine Durchführung von Baumaßnahmen konkret geplant gewesen sei. Mit dieser Auffassung engt der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen einer unlauteren Machenschaft gemäß § 1 Abs. 3 VermG in Gestalt einer manipulativen Enteignung auf einen von mehreren Gesichtspunkten ein. Der angeführten Entscheidung ist diese Verengung nicht zu entnehmen. Zur Restitution führende unlautere Machenschaften können auf vielfältige Weise erfolgt sein. Mit dem von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts herausgearbeiteten Gesichtspunkt, dass ein Vorschieben des bei der Enteignung angegebenen Zweckes der Inanspruchnahme eine Manipulation darstellen könne, erschöpft sich die Tatbestandlichkeit von § 1 Abs. 3 VermG nicht. Ein verwaltungsgerichtliches Urteil, dass - wie hier - nicht auf den angegebenen Zweck und die konkrete Planung bei der Enteignung, sondern auf deren Zulässigkeit abhebt, steht daher nicht im Widerspruch zu der vermeintlichen Divergenzentscheidung.
b) Die Beschwerde sieht ferner eine Divergenz zum Urteil vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 25.96 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113). Sie nennt jedoch keinen abstrakten Rechtssatz, von dem die Vorinstanz abgewichen sein könnte. Diesem Urteil kann nicht entnommen werden, dass es stets auf den angegebenen Zweck für die Beurteilung der unlauteren Machenschaft ankommt. Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht nur das manipulative Element der Enteignung einer konkreten Sachgestaltung entnommen, ohne andere Erscheinungsformen der Manipulation auszuschließen oder den gewählten Subsumtionsansatz zum alleinigen Maßstab für die Annahme zu erheben, dass eine Manipulation vorliege.
c) Auch der Hinweis auf den Beschluss vom 31. März 1994 - BVerwG 7 B 171.93 - (VIZ 1995, 33) vermag die Revision nicht zu eröffnen. Soweit der Kläger diesem Beschluss den Rechtssatz entnimmt, ein Anspruch auf Rückübertragung eines Vermögenswertes werde nicht allein deswegen gewährt, weil Regelungen des DDR-Rechts nicht eingehalten worden seien, bleibt unklar, welcher Aussage im angefochtenen Urteil der Kläger einen davon abweichenden Rechtssatz des Verwaltungsgerichts entnehmen will. Vielmehr führt das Verwaltungsgericht aus, dass es nicht ausreiche, dass das Enteignungsverfahren verfahrensfehlerfrei durchgeführt worden sei.
d) Auf die gleichen Bedenken trifft der Kläger mit seiner Ansicht, der Aussage in dem Urteil vom 28. Oktober 1999 - BVerwG 7 C 38.98 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6) - ein qualifiziertes Einzelfallunrecht liege nicht vor, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen sei - werde mit dem angefochtenen Urteil widersprochen. Davon kann keine Rede sein. Wenn der Kläger meint, in seinem Fall sei nicht alles "mit rechten Dingen" zugegangen, rügt er die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Subsumtion des Sachverhalts unter den Schädigungstatbestand, eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wird damit nicht dargetan.
e) Gleiches gilt für den Einwand des Klägers, das angefochtene Urteil weiche von dem Urteil vom 3. September 1998 - BVerwG 7 C 26.97 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 160) ab, weil es an einer kritischen Gesamtschau habe fehlen lassen, auf die es danach ankomme. Die Notwendigkeit einer "kritischen Gesamtschau" hat das Verwaltungsgericht nicht bestritten und wenn es sich, wie der Kläger meint, nur mit Einzelaspekten begnügt haben soll, mag es den Sachverhalt fehlerhaft gewertet haben, ein abstrakter Rechtssatzwiderspruch liegt darin nicht.
2. Verfahrensrügen
a) Entgegen dem Vorbringen des Klägers liegt ein Verstoß gegen § 108 Abs. 2 VwGO nicht vor. Nach dieser Vorschrift darf das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Mit der Beschwerde wird insofern keine Gehörsrüge erhoben, sondern werden die Gründe angezweifelt, die nach dem Urteil für die richterliche Überzeugung leitend gewesen waren (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Mit materiellen Angriffen gegen das Urteil lässt sich indes der geltend gemachte Verfahrensfehler nicht begründen. Bei den für die Entscheidungsfindung maßgebenden Gründen muss es sich nicht nur um Tatsachen handeln, auch das Erfahrungswissen der Richter und tatsächliche Vermutungen können in die Überzeugungsbildung einfließen.
b) Die Kläger halten dem Verwaltungsgericht im Übrigen zu Unrecht vor, es fehlten Tatsachen für die Behauptung, dass die Inanspruchnahme zugunsten des VEB Industriebau erfolgt sei. Diese Erkenntnis geht auf die im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegebene Standortgenehmigung vom 1. Dezember 1971 für das Investitionsvorhaben "Zentraler Lagerplatz" zurück. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang vorgetragene Kritik an der tatsächlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung bezeichnet keinen Verfahrensmangel.
3. Grundsätzliche Bedeutung
Die Rechtssache weist schließlich auch nicht die ihr beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf.
Der Kläger will in einem Revisionsverfahren zweierlei geklärt wissen, zum einen, ob sich das Kriterium "Enteignungszweck vorschieben" auf den im Rahmen der Inanspruchnahme ausdrücklich bezeichneten oder den mutmaßlichen Zweck beziehe, zum anderen, ob die Möglichkeit des rechtmäßigen Alternativverhaltens der DDR-Behörden das Vorliegen einer willkürlichen Enteignung ausschließe. Bei beiden Fragestellungen lässt der Kläger jedoch außer Betracht, dass es sich vorliegend um die nachträgliche Legalisierung eines bereits damals vor Jahren erfolgten faktischen Zugriffs auf die umstrittenen Grundstücke handeln sollte. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in der vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Durchführung einer Enteignung, die der nachträglichen Fehlerkorrektur dient, also eine entstandene "formelle" Gesetzwidrigkeit nachträglich beseitigen soll, unter dem Blickwinkel der Willkür offenkundig anders zu beurteilen sei als die mit einer Enteignung beabsichtigte Verfestigung einer "materiellen" Gesetzeswidrigkeit (Beschlüsse vom 28. März 2000 - BVerwG 7 B 19.00 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 12 und vom 5. Februar 2003 - BVerwG 7 PKH 4.02 -). Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass hier die Schwelle der Willkürlichkeit noch nicht überschritten sei, beruht auf einer Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalles. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass für das bebaute Flurstück Nr. 311 ein Enteignungsverfahren nach dem Baulandgesetz eingeleitet worden war und die hier umstrittenen Grundstücke, die faktisch dem Eigentümer schon entzogen waren, nachträglich zur nachträglichen Legalisierung in dieses Verfahren einbezogen wurde. Die Besonderheiten dieses Sachverhaltes lassen eine fallübergreifende Aussage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht erwarten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.