Beschluss vom 03.03.2009 -
BVerwG 6 A 4.08ECLI:DE:BVerwG:2009:030309B6A4.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.03.2009 - 6 A 4.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:030309B6A4.08.0]

Beschluss

BVerwG 6 A 4.08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. März 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich und Dr. Bier
beschlossen:

Der Antrag des Klägers, ihm für die Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen und der Antrag, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, werden abgelehnt.

Gründe

1 1. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt und ein Rechtsanwalt nicht beigeordnet werden, weil die erhobene Klage wegen Anordnung und Vollzugs von Maßnahmen nach dem Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz (G 10) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

2 Der Bundesnachrichtendienst hat mit Bescheid vom 19. Mai 2008 den Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass er auf der Grundlage einer Anordnung nach § 5 Abs. 1 G 10 in der Zeit vom 15. November 2001 bis 31. Januar 2003 und vom 27. Juli 2003 bis 27. September 2003 internationale Telekommunikation überwacht habe, um rechtzeitig die Gefahr der Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland zu erkennen und ihr zu begegnen. Der Bundesnachrichtendienst sei nach § 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 G 10 dazu verpflichtet, dem von einer Maßnahme nach dem G 10 Betroffenen die Erfassung mitzuteilen, sobald ausgeschlossen werden könne, dass durch die Mitteilung der Zweck der Beschränkungsmaßnahme gefährdet werde. Angefügt war dem Bescheid eine nach Datum, Uhrzeit und Anschlussnummern gegliederte Liste von mehr als zwei Dutzend Fällen, in denen Gespräche bzw. Anwahlversuche an Anschlüssen, welche dem Kläger zugeordnet würden, erfasst worden waren.

3 Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben und begehrt im Wesentlichen - zum einen - die Feststellung der Rechtswidrigkeit bestimmter Beschränkungen der Freiheit der Telekommunikation und - zum anderen - die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihm die Überwachung bereits vor dem 19. Mai 2008 mitzuteilen. Außerdem hat er einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage gestellt. Zur Begründung des Prozesskostenhilfeantrags hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2008 sich zum einen „auf Ziffer II.1., Bl. 3 - 5, (des) Schriftsatzes vom 09.08.2007“ in dem Verfahren BVerwG 6 A 1.07 bezogen. Der Sinnzusammenhang lässt erkennen, dass damit der erste Streitgegenstand, die Rechtswidrigkeitsfeststellung der Maßnahme selbst gemeint ist (a). Zum anderen rügt er, dass es rechtswidrig sei, dass er erst zu einem so späten Zeitpunkt über die umfangreichen und lang andauernden Abhörmaßnahmen durch die Beklagte unterrichtet worden sei; er sei nicht einmal wegen einer terroristischen Straftat vorbestraft; ein Ermittlungsverfahren durch den Generalbundesanwalt sei eingestellt worden (b). Die fehlende Erfolgsaussicht bezieht sich auf beide Begehren.

4 a) Die streitgegenständlichen strategischen Überwachungsmaßnahmen des Bundesnachrichtendienstes sind von diesem beantragt, vom Bundesministerium des Innern angeordnet und von der G 10-Kommission gebilligt worden (§§ 9, 10, 15 Abs. 6 G 10). Gegen ihre formelle Rechtmäßigkeit sind Bedenken nicht erhoben worden. Sie sind auch in der Sache voraussichtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 Nr. 2 G 10. Danach ist die strategische Telefonüberwachung u.a. zulässig zur Sammlung von Informationen über Sachverhalte, deren Kenntnis notwendig ist, um die Gefahr der Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall erfüllt. Aus den auch dem Kläger zugänglich gemachten Unterlagen des Bundesministeriums des Innern und des Bundesnachrichtendienstes ergibt sich, dass die im Streit stehende Maßnahme aufgrund eines Lagebildes angeordnet und verlängert wurde, demzufolge von einer Verschärfung der Sicherheitslage in Europa auszugehen war und sich in Deutschland aufhaltende islamistische Extremisten in Planungen für Terroranschläge verwickelt waren. Diesbezügliche Erkenntnisse konnten zu einem großen Teil aus der Fernmeldeaufklärung gewonnen werden.

5 Der Kläger selbst rügt keine Rechtsfehler bei der Anordnung der strategischen Überwachungsmaßnahmen. Sein Hinweis auf die gegen das Urteil des beschließenden Senats vom 23. Januar 2008 (BVerwG 6 A 1.07 ) eingelegte Verfassungsbeschwerde vermag dem vorliegenden Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht zum Erfolg zu verhelfen, denn das Urteil enthält ausführliche Erwägungen zur Verfassungsmäßigkeit der strategischen Telekommunikationsüberwachung (a.a.O. Rn. 33 - 36), von deren Richtigkeit der Senat weiterhin überzeugt ist.

6 b) Der Prozesskostenhilfeantrag erscheint aber auch hinsichtlich der Feststellung einer verspäteten Mitteilung ohne Erfolgsaussicht. Ob und zu welchem Zeitpunkt einem Betroffenen die strategische Telefonüberwachung mitgeteilt wird, ist in § 12 G 10 geregelt. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 G 10 sind Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G 10, sofern die personenbezogenen Daten nicht unverzüglich gelöscht wurden, dem Betroffenen nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann. Lässt sich in diesem Zeitpunkt noch nicht beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 G 10 vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 G 10 kann die Mitteilung unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund einstimmiger Feststellung der G 10-Kommission unterbleiben. Auch hinsichtlich des Zeitpunkts unterliegt die Entscheidung über die Mitteilung der Beschlussfassung durch die G 10-Kommission. Denn nach § 15 Abs. 7 Satz 1 G 10 unterrichtet das zuständige Bundesministerium die G 10-Kommission monatlich über Mitteilungen gemäß § 12 Abs. 1 und 2 G 10 oder über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen. Nach § 15 Abs. 7 Satz 2 G 10 ist die Mitteilung unverzüglich vorzunehmen, wenn die Kommission sie für geboten hält. Demnach liegt die Entscheidung über die Mitteilung letztlich stets in der Hand der Kommission. Maßstab für die Festlegung des Mitteilungszeitpunkts ist die Frage, ob „eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann“. Die Kommission muss sich also bei der Prüfung des richtigen Zeitpunkts davon überzeugen, dass die Möglichkeit einer Zweckgefährdung nicht besteht. Hat sie insoweit Zweifel, ist die Mitteilung - noch - zu unterlassen.

7 Der Senat hat in der vorgenannten Entscheidung ausgeführt (a.a.O. Rn. 42), dass das Urteil der G 10-Kommission über den richtigen Zeitpunkt der Mitteilung der Telefonüberwachung an den Betroffenen vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden kann. Der Kommission steht insoweit eine Beurteilungsermächtigung zu, die die Rechtskontrolle begrenzt. Die Beklagte hat dazu erläuternd ausgeführt, der Zeitraum von bis zu fünf Jahren zwischen Beendigung der Maßnahme und ihrer Mitteilung an den Beklagten erscheine nicht als zu lang. Der den Kläger betreffende Teil der strategischen Aufklärung gemäß § 5 G 10 habe keine individuellen Absichten gegen den Kläger verfolgt, sondern sei Teil der Erforschung eines gesamten Verdachtsfeldes gewesen. Der Zweck der Überwachung könne daher sehr viel schneller gefährdet werden, wenn gegenüber einer Einzelperson - zu früh - Mitteilungen von der Maßnahme gemacht würden. Bei dem Kläger handele es sich um eine Person, die nachweislich Kontakt zu einem terroristischen Unterstützernetzwerk gehabt habe. Der Bundesnachrichtendienst habe noch im August 2003 Meldungen, die ihn betroffen hätten, an das Bundeskriminalamt übermittelt. Angesichts dieser bestehenden Kontakte habe es nahe gelegen, ihm auch dann noch Daten über die Telekommunikationsbeschränkung vorzuenthalten, wenn er selbst seine Aktivitäten eingestellt habe bzw. diese nach außen nicht mehr erkennbar gewesen seien. Niemand habe wissen können, wer bei einer Mitteilung an ihn noch von der strategischen Überwachung erfahren hätte. Nachdem der Kläger selbst aktiv geworden sei, um seine „persönliche Wende“ zu dokumentieren und im Oktober 2006 auf das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz zugegangen sei, sei 16 Monate später die Mitteilung in die Wege geleitet worden. Dies sei für die vorliegende Verwaltungstätigkeit ein eher geringer Zeitraum. Es sei abzuwarten gewesen, ob die Abwendung des Klägers ernst gemeint gewesen sei. Außerdem habe der Kläger den Kontakt nicht zum Bundesnachrichtendienst, sondern zum Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz geknüpft.

8 Dieses durch die vorgelegten Akten gestützte Vorbringen lässt nachvollziehbare Gründe dafür erkennen, dass die in Rede stehende Mitteilung dem Kläger nicht früher erteilt worden ist.

9 2. Der Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens ist abzulehnen, weil es an einem darauf gerichteten Antrag der „beiden Parteien“ (§ 173 VwGO i.V.m. § 251 ZPO) fehlt. Die Beklagte hat der Ruhensanordnung widersprochen.

10 Der Senat zieht aber auch keine Aussetzung des Verfahrens mit Blick auf die gegen das Urteil vom 23. Januar 2008 (BVerwG 6 A 1.07 ) eingelegte Verfassungsbeschwerde in Betracht (§ 94 VwGO analog). Aufgrund seiner ausführlichen Erwägungen zur Verfassungsmäßigkeit der strategischen Überwachung in diesem Urteil geht er nicht davon aus, dass die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften als mit der Verfassung unvereinbar erkannt werden. Bis zur etwaigen Verwerfung einer Rechtsnorm durch das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsanwendung grundsätzlich von einem gültigen Gesetz auszugehen.

Urteil vom 20.05.2009 -
BVerwG 6 A 4.08ECLI:DE:BVerwG:2009:200509U6A4.08.0

Urteil

BVerwG 6 A 4.08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Mai 2009
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge als Vorsitzenden
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich, Vormeier, Dr. Bier und Dr. Möller
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Der Bundesnachrichtendienst hat mit Schreiben vom 19. Mai 2008 den Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass er auf der Grundlage von sechs Beschränkungsanordnungen des Bundesministeriums des Innern nach § 5 Abs. 1 G 10 in der Zeit vom 15. November 2001 bis 31. Januar 2003 und vom 27. Juli 2003 bis 27. September 2003 die internationale Telekommunikation überwacht habe, um rechtzeitig die Gefahr der Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland zu erkennen und ihr zu begegnen. Der Bundesnachrichtendienst sei nach § 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 G 10 dazu verpflichtet, dem von einer Maßnahme nach dem G 10 Betroffenen die Erfassung mitzuteilen, sobald ausgeschlossen werden könne, dass durch die Mitteilung der Zweck der Beschränkungsmaßnahme gefährdet werde. Angefügt war dem Bescheid eine nach Datum, Uhrzeit und Anschlussnummern gegliederte Liste von mehr als zwei Dutzend Fällen, in denen - im Rahmen der Durchführung der vorgenannten Maßnahme - Gespräche bzw. Anwahlversuche an Anschlüsse, welche dem Kläger zugeordnet würden, erfasst worden seien.

2 Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben, mit der er grundsätzliche Bedenken gegen die Rechtsgrundlage des Vorgehens der Beklagten erhebt. Außerdem rügt er, erst zu spät über die Abhörmaßnahmen unterrichtet worden zu sein. Er sei nicht wegen terroristischer Straftaten vorbestraft. Ein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwaltes sei eingestellt worden.

3 Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass die auf Grundlage der Beschränkungsanordnungen des Bundesministeriums des Innern
vom 3. Juli 2003,
vom 17. Oktober 2002,
vom 4. Juli 2002,
vom 11. April 2002,
vom 24. Januar 2002 und
vom 15. November 2001
vom Bundesnachrichtendienst gegen den Kläger durchgeführte Überwachung der Telekommunikation vom 15. November 2001 bis 31. Januar 2003 und vom 27. Juli 2003 bis 27. September 2003 dem Grunde nach sowie bezüglich des Vollzuges rechtswidrig gewesen sind,
2. festzustellen, dass die Beklagte nicht zur Überwachung der vom Kläger genutzten Telefonanschlüsse berechtigt war,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger die Überwachung bereits vor dem 19. Mai 2008 mitzuteilen.

4 Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

5 Zur Begründung führt sie aus, die angegriffenen Maßnahmen seien rechtmäßig gewesen und hätten insbesondere auf einer verfassungskonformen Rechtsgrundlage beruht. Die Dauer von fünf Jahren bis zur Mitteilung der durchgeführten Maßnahme sei nicht zu lang gewesen. Der Kläger habe nachweislich Kontakt zu einem terroristischen Unterstützernetzwerk gehabt. Deshalb sei es längere Zeit nicht möglich gewesen, ihm von den ausgeübten Telekommunikationsbeschränkungen Kenntnis zu geben. Erst nachdem er auf das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz zugegangen sei, um seine „persönliche Wende“ zu dokumentieren, und die Sicherheitsbehörden sich von der Ernsthaftigkeit dieses Entschlusses überzeugt hätten, habe die Mitteilung in die Wege geleitet werden können.

II

6 1. Die vorliegende Entscheidung kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 101 Abs. 2 VwGO).

7 2. Mit den Anträgen zu 1. und 2. wendet der Kläger sich gegen die Rechtmäßigkeit der strategischen Überwachung des Fernmeldeverkehrs und der dadurch erfolgten Aufklärung im Einzelnen aufgeführter Telekommunikationsverbindungen (a). Mit dem Antrag zu 3. macht er geltend, dass es rechtswidrig gewesen sei, ihn erst zu einem so späten Zeitpunkt über die Abhörmaßnahmen durch die Beklagtenseite unterrichtet zu haben (b). Beide Begehren bleiben ohne Erfolg.

8 a) Die streitgegenständliche strategische Überwachungsmaßnahme des Bundesnachrichtendienstes ist von diesem beantragt, vom Bundesministerium des Innern angeordnet und von der G 10-Kommission gebilligt worden (§§ 9, 10, 15 Abs. 6 G 10). Gegen ihre formelle Rechtmäßigkeit sind Bedenken weder erhoben worden noch ersichtlich. Die Maßnahmen sind auch in der Sache nicht zu beanstanden. Ihre Rechtsgrundlage beruht auf § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 Nr. 2 G 10. Danach ist die strategische Telefonüberwachung u.a. zulässig zur Sammlung von Informationen über Sachverhalte, deren Kenntnis notwendig ist, um die Gefahr der Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall erfüllt. Aus den - auch dem Kläger zugänglich gemachten - Unterlagen des Bundesministeriums des Innern und des Bundesnachrichtendienstes ergibt sich, dass die im Streit stehenden Maßnahmen aufgrund eines Lagebildes angeordnet und verlängert wurden, demzufolge von einer Verschärfung der Sicherheitslage in Europa auszugehen war und in Deutschland aufenthältliche islamistische Extremisten in Planungen für Terroranschläge verwickelt waren. Diesbezügliche Erkenntnisse konnten zu einem großen Teil aus der Fernmeldeaufklärung gewonnen werden.

9 Der Kläger selbst hat keine konkreten rechtlichen Bedenken gegen die Anordnung der streitgegenständlichen strategischen Überwachungsmaßnahme vorgebracht. Sein Hinweis auf die gegen das Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 2008 (BVerwG 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 = Buchholz 402.9 G 10 Nr. 2) eingelegte Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht vermag der vorliegenden Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn in der seinerzeitigen Entscheidung des erkennenden Senats sind ausführliche Erwägungen zur Verfassungsmäßigkeit der strategischen Telekommunikationsüberwachung enthalten (a.a.O. Rn. 32 - 36), von deren Richtigkeit er weiterhin überzeugt ist.

10 b) Die Klage bleibt aber auch hinsichtlich der Behauptung einer verspäteten Mitteilung der durchgeführten Aufklärungsmaßnahmen ohne Erfolg. Ob und zu welchem Zeitpunkt einem Betroffenen die strategische Telefonüberwachung mitgeteilt wird, ist in § 12 G 10 geregelt. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 G 10 sind Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G 10, sofern die personenbezogenen Daten nicht unverzüglich gelöscht wurden, dem Betroffenen nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann. Lässt sich in diesem Zeitpunkt noch nicht beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 G 10 vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 G 10 kann die Mitteilung unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund einstimmiger Feststellung der G 10-Kommission unterbleiben. Auch hinsichtlich des Zeitpunkts unterliegt die Entscheidung über die Mitteilung der Beschlussfassung durch die G 10-Kommission. Denn nach § 15 Abs. 7 Satz 1 G 10 unterrichtet das zuständige Bundesministerium die G 10-Kommission monatlich über Mitteilungen gemäß § 12 Abs. 1 und 2 G 10 oder über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen. Nach § 15 Abs. 7 Satz 2 G 10 ist die Mitteilung unverzüglich vorzunehmen, wenn die Kommission sie für geboten hält. Demnach liegt die Entscheidung über die Mitteilung letztlich stets in der Hand der Kommission. Maßstab für die Festlegung des Mitteilungszeitpunkts ist die Frage, ob „eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann“. Die Kommission muss sich also bei der Prüfung des richtigen Zeitpunkts davon überzeugen, dass die Möglichkeit einer Zweckgefährdung nicht besteht. Hat sie insoweit Zweifel, ist die Mitteilung - noch - zu unterlassen.

11 Der erkennende Senat hat in der vorgenannten Entscheidung ausgeführt (a.a.O. Rn. 42) und hält daran fest, dass das Urteil der G 10-Kommission über den richtigen Zeitpunkt der Mitteilung der Telefonüberwachung an den Betroffenen vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden kann. Der Kommission steht insoweit eine Beurteilungsermächtigung zu, die die Rechtskontrolle begrenzt. Die Beklagte hat dazu für den vorliegenden Fall erläuternd ausgeführt, der Zeitraum von bis zu fünf Jahren zwischen Beendigung der Maßnahme und ihrer Mitteilung an den Kläger erscheine nicht als zu lang. Der den Kläger betreffende Teil der strategischen Aufklärung gemäß § 5 G 10 habe keine individuellen Absichten gegen diesen verfolgt, sondern sei Teil der Erforschung eines gesamten Verdachtsfeldes gewesen. Der Zweck der Überwachung könne in einem solchen Fall sehr viel schneller gefährdet werden, wenn gegenüber einer Einzelperson - zu früh - Mitteilungen von der Maßnahme gemacht würden. Bei dem Kläger handele es sich um eine Person, die nachweislich Kontakt zu einem terroristischen Unterstützernetzwerk gehabt habe. Der Bundesnachrichtendienst habe noch im August 2003 Meldungen, die ihn betroffen hätten, an das Bundeskriminalamt übermittelt. Angesichts dieser bestehenden Kontakte habe es nahegelegen, ihm auch dann noch Daten über die Telekommunikationsbeschränkung vorzuenthalten, als er selbst seine Aktivitäten eingestellt habe bzw. diese nach außen nicht mehr erkennbar gewesen seien. Niemand habe nämlich wissen können, wer bei einer Mitteilung an ihn möglicherweise noch von der strategischen Überwachung erfahren hätte. Nachdem der Kläger selbst aktiv geworden sei, um seine „persönliche Wende“ zu dokumentieren und im Oktober 2006 auf das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz zugegangen sei, sei 16 Monate später die Mitteilung in die Wege geleitet worden. Dies sei für die vorliegende Verwaltungstätigkeit ein eher geringer Zeitraum. Es sei abzuwarten gewesen, ob die Abwendung des Klägers ernst gemeint gewesen sei. Außerdem habe der Kläger den Kontakt nicht zum Bundesnachrichtendienst, sondern zum Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz gesucht.

12 In diesem Vorbringen liegen ausreichende Gründe, die den streitgegenständlichen Mitteilungszeitpunkt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben aus § 12 G 10 plausibel erscheinen lassen.

13 3. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO).