Beschluss vom 03.03.2009 -
BVerwG 3 B 131.08ECLI:DE:BVerwG:2009:030309B3B131.08.0

Beschluss

BVerwG 3 B 131.08

  • VGH Baden-Württemberg - 26.09.2008 - AZ: VGH 2 S 2847/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. März 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. September 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 198,91 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt nicht die von der Klägerin allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu.

2 Gestritten wird darum, ob die Klägerin, wie die Vorinstanzen angenommen haben, zugleich mit ihrem Antrag auf Prozesskostenhilfe auch schon Klage erhoben oder nur den Entwurf einer Klageschrift eingereicht hat. Der eingereichte Schriftsatz ist als „Klage“ bezeichnet und nach Nennung der Beteiligten heißt es: „Namens und in Vollmacht der Klägerin erheben wir gegen den Beklagten Klage und beantragen vorab, der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen. ... Nach Gewährung der Prozesskostenhilfe wird die Klägerin in der mündlichen Verhandlung folgende Anträge stellen ...“

3 Eine sich in diesem Zusammenhang stellende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird in der Beschwerdebegründung nicht in einer den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3VwGO genügenden Weise herausgearbeitet.

4 In der Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass bei gleichzeitiger Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuches und einer Klage- oder Antragsschrift neben dem Prozesskostenhilfegesuch auch der Rechtsstreit als solcher anhängig wird, es sei denn der Antragsteller stellt eindeutig klar, dass er das Hauptsacheverfahren nur unter der Voraussetzung der Prozesskostenhilfebewilligung einleiten will, etwa indem er dies im Text selbst unmissverständlich kundtut, die Klage- oder Antragsschrift nur als Anlage zum Prozesskostenhilfegesuch einreicht, als Entwurf bezeichnet oder nicht unterschreibt (so bereits BGH, Urteil vom 24. Januar 1952 - III ZR 196/50 - BGHZ 4, 328 <333 f.>; ebenso Urteil vom 22. Mai 1996 - XII ZR 14/95 - FamRZ 1996, 1142). Das wird auch weder vom Berufungsgericht noch von der Klägerin in Frage gestellt. Ist damit aber im Grundsatz geklärt, dass es einer eindeutigen Klarstellung bedarf, bleibt es eine Frage der besonderen Gegebenheiten jedes Einzelfalls, ob eine solche Klarstellung tatsächlich erfolgt ist.

5 Der Hinweis der Klägerin auf eine verbreitete zivilgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine solche Klarstellung durch die Bitte erfolgen könne, vorab über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 146/04 - NJW-RR 2005, 1015) führt deshalb nicht weiter. Zwar überzeugt die Erwägung des Berufungsgerichts nicht, wegen der unterschiedlichen Zeitpunkte der Klageerhebung bzw. Rechtshängigkeit im Zivilprozess (bei Zustellung der Klageschrift an den Gegner) und Verwaltungsprozess (bei Einreichung der Klage) komme einer solchen Bitte je nach Gerichtsbarkeit unterschiedliche Bedeutung zu. Im Regelfall geht es einer bedürftigen Partei, die zunächst nur eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag begehrt, darum, noch keine Prozesskosten für das Hauptverfahren auszulösen. Gerichtskosten werden aber auch im Zivilprozess nicht erst bei Zustellung an den Gegner, sondern bereits bei Einreichung der Klage fällig (§ 6 GKG). Insofern unterscheidet sich auch im Zivilprozess die Einreichung einer Klage durchaus von der Einreichung eines bloßen Klageentwurfs. Das ändert aber nichts daran, dass die Annahme einer eindeutigen Klarstellung in dem vorgenannten Sinne eine der grundsätzlichen Klärung nicht weiter zugängliche Einzelfallwürdigung voraussetzt. Dabei stellt die Formulierung, es werde um Vorabentscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag gebeten, lediglich einen Aspekt dar, den das Berufungsgericht hier angesichts der ansonsten eindeutigen Formulierung des Schriftsatzes als Klage für nicht ausreichend gehalten hat.

6 Soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht hätte im Zweifel rückfragen müssen, ob der Schriftsatz als Klage gemeint sei, wird ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt. Im Übrigen lässt sie unberücksichtigt, dass ihr mit gerichtlichem Schreiben vom 6. Dezember 2005 der Eingang der „Klageschrift“ und die Weiterleitung der „Klage“ an die Gegenseite bestätigt worden ist, verbunden mit einem Hinweis auf einen sachdienlichen Klageantrag. Das hat die Klägerin lediglich zum Anlass genommen, den Klageantrag dem Hinweis entsprechend umzustellen.

7 Ebenso wenig ist mit dem Hinweis auf die Zulassung der Berufung auch schon die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in der gebotenen Weise dargetan. Die Berufung wurde hier wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des vorinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen. Diesen Zulassungsgrund bejaht der Verwaltungsgerichtshof dann, wenn schlüssige Gegenargumente gegen die dem erstinstanzlichen Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung vorgetragen wurden. Es liegt auf der Hand, dass sich das nicht mit den Voraussetzungen für die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO deckt.

8 Der Klägerin hilft es auch nicht weiter, wenn man in ihrer Grundsatzrüge zugleich eine Verfahrensrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sehen wollte, mit der die fehlerhafte Behandlung eines bei Gericht eingereichten Klageentwurfs als Klageerhebung beanstandet werden soll (vgl. zur Behandlung einer Divergenzrüge als Verfahrensrüge Beschluss vom 12. April 2001 - BVerwG 8 B 2.01 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 13 = NVwZ 2001, 918). Zwar eröffnet eine solche Rüge den Blick auf den Einzelfall; ihr Erfolg setzt jedoch die Existenz eines Verfahrensfehlers voraus. Ein solcher ist hier nicht feststellbar. Die Beurteilung des vom Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin eingereichten Schriftsatzes vom 1. Dezember 2005 als Klage lässt eine rechtsfehlerhafte Einschätzung des Gerichts nicht erkennen. Soweit angesichts der im Übrigen vorbehaltlosen Formulierungen wegen der gewünschten Zeitfolge der Entscheidungen („vorab“) überhaupt noch Zweifel an einer Klageerhebung bestehen konnten, hat sie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin selbst ausgeräumt, indem er auf den Hinweis des Gerichts den Klageantrag geändert hat, ohne den Entwurfscharakter der Klageschrift zu betonen oder auch nur anzudeuten. Dazu hätte aber spätestens zu diesem Zeitpunkt aller Anlass bestanden; denn der Umstand, dass das Gericht seine Aufmerksamkeit bereits auf Einzelheiten der Antragstellung richtete, legte nahe, dass es von einer erhobenen Klage ausging.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG.