Beschluss vom 02.08.2007 -
BVerwG 8 B 23.07ECLI:DE:BVerwG:2007:020807B8B23.07.0

Beschluss

BVerwG 8 B 23.07

  • VG Frankfurt/Oder - 12.12.2006 - AZ: VG 8 K 1750/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. August 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 12. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 3. Die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 34 646 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

2 1. Soweit die Kläger rügen, sie seien durch die Feststellung des Urteils, über den Kaufantrag der Klägerin vom 29. Juni 1988 läge eine mündliche Ablehnung vor, überrascht worden, verkennen sie die Anforderungen an die richterliche Hinweispflicht. Die Frage, ob der Erwerb des streitgegenständlichen Grundstücks durch die Kläger bereits vor dem Kaufantrag des Klägers vom 7. Dezember 1989 durch einen Antrag der Klägerin vom 29. Juni 1988 angebahnt worden war, war sowohl Gegenstand des Widerspruchsbescheides als auch des schriftsätzlichen Vorbringens aller Beteiligten im gerichtlichen Verfahren. Ebenso war es Gegenstand des Verfahrens, dass der Kläger in seinem Kaufantrag vom 7. Dezember 1989 vorgetragen hat, sein erster Antrag sei mündlich dahingehend beantwortet worden, dass ein Kauf nicht möglich sei. Die daraus gezogene Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass die Kläger wussten, dass ihr Antrag abgelehnt worden war, ist eine vom Verwaltungsgericht vorgenommene Würdigung des Sachverhaltes. Damit kann ein Verfahrensmangel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dargetan werden. Das Gericht ist auch nicht verpflichtet, den Beteiligten vorab die von ihm beabsichtigte Würdigung des Sachverhaltes mitzuteilen. Den von der Beschwerde angeführten „Grundsatz der Prozessfairness“, der es gebieten soll, den Parteien einen richterlichen Hinweis zu geben, welche Rechtsauffassung das Gericht habe, gibt es nicht.

3 Auch ein Gebot der „Waffengleichheit“, demzufolge den Klägern ein richterlicher Hinweis zu geben gewesen wäre, weil der Beklagte einen richterlichen Hinweis „in eine ganz andere Richtung“ erhalten habe, gibt es in dieser Form nicht. Unabhängig davon ist die Anfrage bei dem Beklagten, ob der angefochtene Bescheid aufrecht gehalten wird, als solche kein richterlicher Hinweis.

4 2. Auch der von der Beschwerde gerügte Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nicht vor. Zwar kann ein Verstoß gegen die Denkgesetze im Einzelfall auch als Verfahrensfehler i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO anzusehen sein (Beschluss vom 3. Juni 2002 - BVerwG 8 B 67.02 -). Dies setzt aber voraus, dass der gerügte Verstoß gegen die Denkgesetze sich auf die tatsächliche Würdigung bezieht und nicht die rechtliche Subsumtion betrifft (vgl. z.B. Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 und Beschluss vom 3. April 1996 - BVerwG 4 B 253.95 - Buchholz a.a.O. Nr. 269). Die Beschwerde bemängelt aber nicht die Würdigung tatsächlicher Umstände durch das Verwaltungsgericht, sondern dessen rechtliche Folgerungen.

5 Davon abgesehen liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze nicht vor. Ein Tatsachengericht hat nämlich nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fernliegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen. Es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 147.86 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37; Beschlüsse vom 14. März 1988 - BVerwG 5 B 7.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 und vom 8. Juli 1988 - BVerwG 4 B 100.88 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 34). Nach dem Sachverhalt darf denkgesetzlich ausschließlich eine einzige Folgerung möglich sein, die das Gericht aber nicht gezogen hat. Einen solchen Verstoß legt die Beschwerde nicht dar. Vielmehr meint sie, dass die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, soweit sie von ihrer Rechtsauffassung abweichen, „gegen Denkgesetze verstoßen dürften“. Diese Ausführungen sind nicht geeignet, einen Verfahrensmangel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu begründen.

6 3. Auch der gerügte Verstoß gegen das Prinzip der Fairness des Prozesses und des Rechts auf rechtliches Gehör, weil das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sei, dass die Kläger den von dem Beklagten im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen zur Unredlichkeit nicht substantiiert entgegengetreten seien, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass es die im Ausgangsbescheid getroffenen Feststellungen zur Unredlichkeit der Kläger teilt und auf sie Bezug nimmt, stellen neben den Ausführungen zur Frage des Zeitpunkts der Kaufantragstellung eine weitere selbständig tragende Begründung dar. Ist aber die Entscheidung der Vorinstanz auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt. Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. In diesem Fall kann das erstinstanzliche Urteil auf der hinwegdenkbaren Begründung nicht beruhen (Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Da es an einer durchgreifenden Verfahrensrüge gegen die selbständig tragende Begründung des Verwaltungsgerichts fehlt, die Ausnahme des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VermG sei nicht erfüllt, kommt es auf die Angriffe der Kläger gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Unredlichkeit nicht mehr an.

7 Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 47, 52 GKG.