Urteil vom 02.07.2003 -
BVerwG 2 WD 47.02ECLI:DE:BVerwG:2003:020703U2WD47.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 02.07.2003 - 2 WD 47.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:020703U2WD47.02.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 47.02

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 2. Juli 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberfeldapotheker Woelk,
Stabsunteroffizier Fritzsch
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Mühlbächer
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt Lübke, Berlin,
als Verteidiger,
Justizangestellte Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 8. Mai 2002 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme geändert.
  2. Gegen den Soldaten wird eine Kürzung der Dienstbezüge um ein Zehntel für die Dauer von zehn Monaten verhängt.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

Der 26 Jahre alte Soldat besuchte von 1983 bis 1993 die Grund- und Realschule in N., die er im Juli 1993 mit dem Realschulabschluss verließ, danach von August 1993 bis Juli 1996 das berufliche Gymnasium in F., wo er das Abgangszeugnis erwarb.

Zum 1. Juli 1996 wurde er als Grundwehrdienstleistender zur .../Panzergrenadier-bataillon ... in B. einberufen und aufgrund seiner Bewerbung und Verpflichtung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr am 27. März 1997 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und zugleich als Unteroffizieranwärter zugelassen. Seine Dienstzeit wurde zuletzt auf zwölf Jahre festgesetzt. Seinem Antrag gem. § 40 Abs. 7 SG vom 13. Mai 2002 auf Verkürzung seiner Dienstzeit auf acht Jahre wurde entsprochen und demgemäß mit Verfügung der Stammdienststelle des Heeres vom 5. August 2002 sein Dienstzeitende auf den 30. Juni 2004 festgesetzt.

Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt am 22. Dezember 1998 zum Stabsunteroffizier.

Nach seiner Grundausbildung verblieb er in der .../Panzergrenadierbataillon ... und nahm in der Zeit vom 1. Juli bis 26. November 1997 am Unteroffizierlehrgang Teil I in D. mit der Abschlussnote „befriedigend“ teil. Zum 1. Januar 1998 wurde er in seiner Einheit als Panzergrenadierunteroffizier eingesetzt. Vom 31. März bis 26. Juni 1998 besuchte er den Unteroffizierlehrgang Teil II bei der .../Panzergrenadierbataillon ... in D., den er bestand. Nach dem Besuch der Kraftfahrgrundausbildung vom 19. Januar bis 8. Februar 1999 in H. erwarb er die Bundeswehrfahrerlaubnis der Klassen B und F. Im Zeitraum 1. November 1999 bis 27. Mai 2000 nahm er am Auslandseinsatz der Bundeswehr im Kosovo (Deutsches Heereskontingent KFOR) teil. Er war Angehöriger der zunächst in S.R., dann in P. und zuletzt in O. stationierten .../Einsatzbataillon ... und wurde dort ebenfalls als Panzergrenadierunteroffizier und Panzerabwehrunteroffizier „Milan“ verwendet. Von dem für den Zeitraum vom 15. August bis 7. November 2000 vorgesehenen Feldwebellehrgang an der ...schule in M. musste er wegen des vorliegenden gerichtlichen Disziplinarverfahrens zurückgestellt werden.

In der planmäßigen Beurteilung vom 16. September 1998 erhielt der Soldat als Unteroffizier in der gebundenen Beschreibung (entsprechend den damaligen Beurteilungsbestimmungen) achtmal die Wertung „2” und siebenmal die Wertung „3”. In der freien Beschreibung wird er als einsatzfreudiger und aufgeweckter junger Unteroffizier beschrieben, der über besondere Lernbereitschaft und Fleiß verfüge. Dadurch eigne er sich selbständig stets weiteres Fachwissen an. Er trete höflich und sicher, manchmal aber noch nicht straff genug auf. Bei seinen Soldaten, die er schwungvoll von vorne führe, erreiche er stets gute Ausbildungsergebnisse und überzeugte Gefolgschaft. Er sei sehr kameradschaftlich und stets hilfsbereit und aufgrund seiner offenen humorvollen Art im Kameradenkreis geschätzt. Gleichbleibende Leistungen vorausgesetzt, könne er sich zu einem Kandidaten für die Feldwebellaufbahn entwickeln.

In der Sonderbeurteilung vom 11. September 2002 erhielt der Soldat in den Einzelmerkmalen für seine Leistungen sechsmal die Wertung „6“ und fünfmal die Wertung „5“. In der freien Beschreibung wurde über ihn ausgeführt:

„SU ... ist ein äußerst verantwortungsbewusster und stets einsatzbereiter Soldat, der seine Aufträge hoch motiviert und kreativ angeht und präzise ausführt. Im täglichen Dienst zeigt er für seinen Dienstgrad weit über der Norm liegendes Engagement, Tatkraft und Flexibilität. SU ... ist ein intelligenter und geistig sehr wendiger Führer mit guter Auffassungsgabe. Er ist in der Lage, Probleme und Sachverhalte zu analysieren und übertragene Aufträge korrekt und durchdacht abzuarbeiten. Sein Interessenschwerpunkt liegt in der EDV. Durch seine offene Art gewinnt er schnell das Vertrauen seiner Soldaten, wobei sich seine Fürsorge gegenüber seinem unterstellten Bereich nicht nur auf die Dienstzeit beschränkt.

SU ... hat seine Stärken in der Materialbewirtschaftung und -erhaltung. Hierbei hat er das vollste Vertrauen seiner Vorgesetzten. Auch in der Arbeitsorganisation und -planung besticht er durch hervorragende Umsetzung seiner Aufträge und Ausnutzung aller Ressourcen. Deshalb hebt sich SU ... aus seiner Dienstgradgruppe ab und zeigt Feldwebelqualitäten.

Die Einsatzgrundsätze als Gruppenführer-PzGren beherrscht er, dies hat er im GüZ (H) Mai 2001 bewiesen. In das UffzKorps der Kompanie ist er voll integriert und nimmt das Amt des Kassenwarts wahr. Physisch und psychisch ist er zu jeder Zeit voll belastbar.“

Der nächsthöhere Vorgesetzte nahm hierzu wie folgt Stellung:

„Aus mehrfachem eigenem Erleben mit der sehr guten Beurteilung des KpChef einverstanden.

Ein verantwortungsfreudiger, aufgeschlossener, forsch auftretender Unteroffizier mit fachlichem Können, methodischem Geschick und zeitgemäßer Menschenführung. Flexibel, tatkräftig und durchdacht gestaltet er seinen Aufgabenbereich so, dass die Untergebenen hinter ihm stehen und seinem Vorbild willig folgen.

In der vergleichbaren Betrachtung auf Bataillonsebene gehört er in das erste Drittel und damit ist er ein potentieller Feldwebelkandidat.“

In einer weiteren Sonderbeurteilung vom 6. Juni 2003 wurde dem Soldaten in den Einzelmerkmalen für seine Leistungen wiederum sechsmal die Wertung „6” und fünfmal die Wertung „5” erteilt; in der freien Beschreibung wurde über ihn ausgeführt:

„SU ... ist ein äußerst verantwortungsbewußter und stets einsatzbereiter Soldat, der seine Aufträge hoch motiviert und kreativ angeht und präzise ausführt. Im täglichen Dienst zeigt er für seinen Dienstgrad weit über der Norm liegendes Engagement, Tatkraft und Flexibilität. SU ... ist ein intelligenter und geistig sehr wendiger Führer mit guter Auffassungsgabe. Er ist in der Lage, Probleme und Sachverhalte zu analysieren und übertragene Aufträge korrekt und durchdacht abzuarbeiten. Sein Interessenschwerpunkt liegt in der EDV. Durch seine offene Art gewinnt er schnell das Vertrauen seiner Soldaten, wobei sich seine Fürsorge gegenüber seinem unterstellten Bereich nicht nur auf die Dienstzeit beschränkt.

SU ... hat seine Stärken in der Materialbewirtschaftung und -erhaltung. Hierbei hat er das vollste Vertrauen seiner Vorgesetzten. Auch in der Arbeitsorganisation und -planung besticht er durch hervorragende Umsetzung seiner Aufträge und Ausnutzung aller Ressourcen. Deshalb hebt sich SU Walther aus seiner Dienstgradgruppe ab und zeigt Feldwebelqualitäten.

Die Einsatzgrundsätze als Gruppenführer-PzGren beherrscht er, dies hat er im GüZ (H) Mai 2001 bewiesen. In das UffzKorps der Kompanie ist er voll integriert und nimmt das Amt des Kassenwarts war. Physisch und psychisch ist er zu jeder Zeit voll belastbar.”

Der nächsthöhere Vorgesetzte hat hierzu wie folgt Stellung genommen:

„Die Beurteilung des Kompaniechefs unterstütze ich ohne Einschränkungen, vor allem in Kenntnis des Beurteilungsmaßstabes. Ich habe Stabsunteroffizier Walther im Rahmen der Dienstaufsicht als Ausbilder und Truppführer persönlich erlebt und einen positiven Eindruck von ihm gewonnen. Ich halte SU ... für einen überdurchschnittlich verantwortungsbewussten und einsatzbereiten Soldaten.”

In der erstinstanzlichen Hauptverhandlung hat Major B., früherer Disziplinarvorgesetzter des Soldaten, als Leumundszeuge über ihn ausgesagt, dieser sei in P. einer größeren Belastung ausgesetzt gewesen als alle anderen Soldaten. Der Soldat sei ein hervorragender Vorgesetzter mit vorbildlicher Dienstauffassung und Pflichterfüllung, er wäre heute schon Feldwebel, wenn es nicht dieses Verfahren gäbe. Er, der Zeuge, ordne den Soldaten in die Spitzengruppe ein. Hauptmann L., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten, hat als Leumundszeuge ausgesagt, der Soldat gehöre eindeutig zur Spitzengruppe, nach wie vor übernehme er freiwillige Aufgaben und erfülle diese zu seiner vollsten Zufriedenheit. Der Soldat habe acht Unterstellte, die ebenfalls vollstes Vertrauen in den Soldaten als Vorgesetzten hätten.

Der weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastete Soldat ist Träger des Leistungsabzeichens in Gold und der Schützenschnur in Gold. Im Mai 2000 wurde ihm die KFOR-Einsatzmedaille der NATO verliehen. Durch seinen jeweiligen Kompaniechef erhielt er am 22. Juni 1999 eine förmliche Anerkennung wegen einer hervorragenden Einzeltat und am 13. Dezember 2000 eine solche wegen vorbildlicher Pflichterfüllung.

Die Dienstbezüge des ledigen Soldaten berechnen sich aus der 3. Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A 6 (Tarif Ost) des Bundesbesoldungsgesetzes und betragen monatlich 1.563,89 € brutto bzw. 1.363,80 € netto. Er wohnt nicht mehr bei seinen Eltern, sondern in einer eigenen Wohnung in Bernau. Seine Vermögensverhältnisse sind geordnet.

II

III