Beschluss vom 02.07.2003 -
BVerwG 7 B 124.02ECLI:DE:BVerwG:2003:020703B7B124.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.07.2003 - 7 B 124.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:020703B7B124.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 124.02

  • VG Berlin - 26.06.2002 - AZ: VG 22 A 74.98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Der Kläger begehrt die Rückübertragung des Eigentums an mehreren Grundstücken in Berlin-Rahnsdorf nach dem Vermögensgesetz (VermG). Die Grundstücke sind aus dem ehemaligen 4 996 m² großen Grundstück hervorgegangen, dessen Eigentümerin die Mutter des Klägers war. Das seit November 1980 nicht mehr bewohnte Gebäude auf dem Grundstück wurde im Jahr 1983 wegen Baufälligkeit abgerissen. Mit Bescheid vom 5. Januar 1984 wurde das Grundstück gemäß § 14 des Aufbaugesetzes i.V.m. § 9 des Entschädigungsgesetzes enteignet; die Entschädigung für das Grundstück wurde auf 19 628 M festgesetzt. Der Antrag des Klägers auf Rückübertragung des Eigentums an den Grundstücken hatte im Verwaltungsverfahren keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil kein Schädigungstatbestand im Sinne des § 1 VermG gegeben sei; die Revision hat es nicht zugelassen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Weder weicht das Urteil des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab noch liegt der gerügte Verfahrensmangel vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht einen inhaltlich bestimmten seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Eine etwaige fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, kann dagegen eine Divergenz nicht begründen (stRspr, z.B. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Nach diesem rechtlichen Maßstab haben die Divergenzrügen des Klägers, soweit sie überhaupt den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügen, keinen Erfolg.
a) Das Verwaltungsgericht weicht nicht von dem Urteil vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 11.93 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 20) ab. Danach ist der typische Fall für eine diskriminierende staatliche Praxis bei der Entschädigung, die den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG erfüllt, die Festsetzung der Entschädigung nach Maßgabe des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrats der DDR vom 28. Juli 1977 gewesen. Das Verwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass im vorliegenden Fall keine diskriminierenden Entschädigungsbestimmungen angewandt, insbesondere die Entschädigung nicht nach Maßgabe des Beschlusses vom 28. Juli 1977 festgesetzt worden ist. Der Kläger wendet sich lediglich gegen diese tatsächliche Würdigung und macht damit nur eine vermeintlich unrichtige Anwendung des vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatzes geltend.
b) Der Kläger rügt ferner eine Abweichung von mehreren Entscheidungen, welche die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG betreffen. Die behaupteten Abweichungen könnten selbst dann nicht zur Zulassung der Revision führen, wenn sie vorlägen. Denn das angefochtene Urteil beruht auf ihnen nicht. Das Verwaltungsgericht hat eine Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG aus zwei selbstständig tragenden Erwägungen verneint. Es hat zum einen angenommen, das zurückverlangte Grundstück sei kein bebautes Grundstück im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG gewesen. Der Kläger setzt sich zwar auch mit dieser Auffassung auseinander, ohne indes insoweit einen Grund für die Zulassung der Revision zu bezeichnen. Seine Divergenzrügen betreffen ausschließlich die weitere Begründung des Verwaltungsgerichts, es fehle darüber hinaus an der Voraussetzung des § 1 Abs. 2 VermG, dass eine etwaige Überschuldung des Grundstücks wesentliche Ursache für dessen Inanspruchnahme war. Diese zusätzliche Begründung war aber nicht mehr entscheidungserheblich.
c) Nach Auffassung des Klägers verstößt die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass § 1 Abs. 3 VermG nicht erfüllt sei, gegen die Urteile des erkennenden Senats vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 11.93 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 20) und vom 24. Juni 1993 - BVerwG 7 C 14.92 - (Buchholz 428 § 28 VermG Nr. 1). Der Kläger begründet die Divergenz mit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass Einzelfallunrecht nicht vorliege, wenn bei dem Erwerbsvorgang gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorschriften und den sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Damit hat aber das Verwaltungsgericht lediglich einen mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts übereinstimmenden Rechtssatz aufgestellt, was der Kläger nicht verkennt. Er sieht die Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darin, dass tatsächlich im vorliegenden Fall Einzelfallunrecht geschaffen worden sei, wobei er zur Begründung auf den Beschluss des Ministerrates der DDR vom 28. Juli 1977 verweist. Er macht damit der Sache nach wiederum eine unrichtige Anwendung des in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatzes geltend, die aber, wie bereits dargelegt, eine Divergenz nicht begründen kann.
2. Auch die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch. Dies betrifft den Antrag, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, dass die tatsächlichen Bodenpreise für Baugrundstücke/Einfamilienhäuser zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Grundstücks wesentlich höher gewesen seien als die im Entschädigungsbescheid errechneten vier Mark pro Quadratmeter. Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag verfahrensfehlerfrei abgelehnt. Es hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Auffassung vertreten, dass allein eine geringere als die in der DDR übliche Entschädigung noch nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG erfülle. Entscheidend sei vielmehr, dass bei der Wertermittlung keine diskriminierenden Entschädigungsbestimmungen zur Anwendung gekommen seien. Da das Verwaltungsgericht dies verneint hat, kam es nach seiner für die Beurteilung von Verfahrensfehlern zugrunde zu legenden Rechtsauffassung nicht darauf an, ob der Quadratmeterpreis zutreffend berechnet worden ist.
Ebenso hat das Verwaltungsgericht ohne Verstoß gegen Verfahrensrecht den weiteren Beweisantrag abgelehnt, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, dass die Baufälligkeit des Hauses infolge der niedrigen Mieten und der deshalb fehlenden finanziellen Mittel zur Instandsetzung eingetreten sei. Nach der für die Aufklärungsrüge maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts kam es auf die Gründe nicht an, aus denen das Haus baufällig geworden ist. Das Verwaltungsgericht schließt aus dem Tatbestand des § 1 Abs. 2 VermG die Fälle aus, in denen das Gebäude zum Zeitpunkt der Enteignung nicht mehr benutzbar und nicht mehr vermietet war, ohne Rücksicht darauf, ob die mangelnde Nutzbarkeit des Hauses zuvor durch überschuldungsbedingt unterbliebene Instandhaltung eingetreten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.