Beschluss vom 02.03.2011 -
BVerwG 6 BN 2.10ECLI:DE:BVerwG:2011:020311B6BN2.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.03.2011 - 6 BN 2.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:020311B6BN2.10.0]

Beschluss

BVerwG 6 BN 2.10

  • OVG Berlin-Brandenburg - 27.05.2010 - AZ: OVG 5 A 1.08

In der Normenkontrollsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. März 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich und Vormeier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die allein auf die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Es fehlt nämlich an der Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem an der Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.

2 Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Antragsteller „die Frage der Verhältnismäßigkeit eines allgemeinen Leinenzwanges für alle Hunde im gesamten Gemeindegebiet, also Inner- wie Außerorts“. Sollte mit dieser nicht näher eingegrenzten Frage eine revisionsgerichtliche Klärung dahin angestrebt werden, unter welchen Voraussetzungen ein genereller Leinenzwang dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trägt, genügte sie in dieser Allgemeinheit nicht dem aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO folgenden Gebot, eine konkrete und für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts substantiiert aufzuzeigen.

3 Für den Fall, dass die aufgeworfene Frage dahin zu verstehen ist, dass der Antragsteller geklärt wissen möchte, ob es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einklang mit der auf Seite 19, zweiter Absatz, des Urteils in Bezug genommenen Rechtsprechung gebietet, vor Erlass eines generellen Leinenzwanges Begrenzungen nach Flächen, Zeiten oder Art und Größe der Hunde zu prüfen, führte dies nicht zur Zulassung der Revision. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer ausführlichen Begründung eine solche Pflicht verneint. Der Antragsteller setzt sich mit dieser ins Einzelne gehenden Begründung nicht ansatzweise auseinander, so dass die Beschwerde insoweit nicht den Begründungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügte.

4 Soweit der Antragsteller darlegt, dass die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis dazu führe, dass ein freier Auslauf von Hunden unmöglich werde, ist eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgeworfen. Die Beschwerde bringt insoweit vor, das Normenkontrollgericht vertrete die Ansicht, dass der allgemeine Leinenzwang das einzig wirksame Mittel zur Begegnung der von frei laufenden Hunden ausgehenden Gefahr sei. Diese Ansicht führe im Ergebnis dazu, dass ein freier Auslauf von Hunden letztlich unmöglich werde. Dem Ziel der Antragsgegnerin, die von frei laufenden Hunden ausgehenden Gefahren wirkungsvoll abzuwehren, könne aus seiner Sicht aber auch durch eine Anordnung des Leinenzwanges für bestimmte, nach den Erfahrungen vor Ort regelmäßig von Personen benutzte Teile des Gemeindegebietes auch außerhalb der bebauten Ortslage hinreichend Rechnung getragen werden. Hierzu könnten markierte Wanderwege, ausgewiesene Lauf- und Walkingstrecken oder Ortsverbindungsstraßen gehören. Durch die Anordnung eines allgemeinen Leinenzwanges werde die artgerechte Haltung eines Hundes unmöglich gemacht.

5 Die Beschwerde verkennt, dass das Normenkontrollurteil die angegriffene „Ordnungsbehördliche Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet der Stadt Frankfurt (Oder) - Stadtordnung -“ rechtsverbindlich dahingehend ausgelegt hat, dass der größte Teil des Außenbereichs als Auslauf für nicht angeleinte Hunde in Betracht kommt. Damit entfällt aber die Befürchtung des Antragstellers, eine artgerechte Haltung von Hunden werde durch die Stadtordnung unmöglich gemacht, weil sie den freien Auslauf dieser Tiere verhindere.

6 In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Beschluss vom 24. Januar 2008 - BVerwG 6 BN 2.07  - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 85 Rn. 15 ff.) geht das Normenkontrollgericht von der abstrakt-generellen Gefährlichkeit nicht angeleinter Hunde im polizeirechtlichen Sinn aus und sieht in der Anordnung eines Leinenzwanges ein Mittel, diese Gefahr abzuwehren (Normenkontrollurteil S. 11 ff.). Zum räumlichen Ausmaß des Leinenzwanges und somit seiner verhältnismäßigen Umsetzung hat in revisionsrechtlich bindender Weise das Normenkontrollgericht festgestellt, dass es für 2 500 bis 3 000 registrierte Hunde im Bereich der kreisfreien Stadt Frankfurt (Oder) allein innerhalb des Stadtgebietes vier Hundeauslaufgebiete mit insgesamt 120 000 qm Fläche gibt (Normenkontrollurteil S. 20 ff.). Hinzu kommt, dass nach der für das Revisionsgericht bindenden Auslegung des Landesrechts durch das Normenkontrollgericht der größte Teil des unbebauten Außenbereichs von Frankfurt (Oder) den Hundebesitzern als Auslauf ohne Anleinzwang zur Verfügung steht:
„Danach sollen auch außerhalb der Ortslage neben den öffentlichen Straßen nur die ‚öffentlichen Anlagen’ im Sinne von § 3 Abs. 2 StadtO vom Anleinzwang erfasst werden. Das bedeutet, dass auf anderen Flächen - mit Ausnahme des Waldes, in dem nach § 15 Abs. 8 Satz 1 des Waldgesetzes des Landes Brandenburg (LWaldG) vom 20. April 2004 (GVBl. I 137) Hunde (mit Ausnahme von Jagdhunden im Rahmen der Ausübung der Jagd und Polizeihunden) ohnehin nur angeleint mitgeführt werden dürfen - Hunde, die nicht nach § 3 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 der Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Halten und Führen von Hunden (Hundehalterverordnung - HundehV) des Ministers des Innern vom 16. Juni 2004 (GVBl. II S. 458) als gefährlich gelten und als solche stets an der Leine zu führen sind, nicht dem Leinenzwang unterliegen. Solche anderen Flächen sind insbesondere Feldraine, Heide- und Öd- und Brachflächen sowie landwirtschaftliche Nutzflächen außerhalb der Nutzzeit, soweit auf diesen Flächen nicht auf Grund der Vorschriften des Jagdgesetzes für das Land Brandenburg - BbgJagdG - vom 9. Oktober 2003 (GVBl. I S. 250) oder des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes - BbgNatSchG - vom 26. Mai 2004 (GVBl. I S. 350) im Einzelfall eine Anleinpflicht angeordnet ist. Diese Flächen zählen nicht zu den ‚öffentlichen Anlagen’, weil die in § 3 Abs. 2 StadtO aufgeführten Anlagen nur die ‚der Allgemeinheit bestimmungsgemäß zur Benutzung freistehenden und zugänglichen Flächen’ umfassen; Feldraine, Heide- und Öd- und Brachflächen sowie landwirtschaftliche Nutzflächen stehen aber nicht der Allgemeinheit bestimmungsgemäß zur Benutzung im Sinne einer ‚öffentlichen Anlage’ frei; nach § 44 Abs. 1 BbgNatSchG darf zwar jedermann solche Flächen ‚in der freien Landschaft’ zum Zwecke der Erholung betreten, sie stehen aber nicht ‚bestimmungsgemäß’ der Allgemeinheit zur Benutzung zur Verfügung, sind von der Gemeinde nicht zur allgemeinen Benutzung gewidmet. Aus der Aufzählung in § 3 Abs. 2 StadtO ergibt sich zweifelsfrei, dass solche Flächen nicht zu den öffentlichen Anlagen zählen, ‚in’ (!) denen Hunde an der Leine zu führen sind. Die Freiflächen in der Landschaft lassen sich auch nicht unter die beispielhaft aufgeführten öffentlichen Anlagen, wie ‚Waldungen, Gärten, Friedhöfe, Grünanlagen und sonstige Anpflanzungen, Gemeinschaftsanlagen, wie Kinderspielplätze, Brunnen, Springbrunnen, Wasserspiele, öffentliche Toilettenanlagen sowie Gewässer einschließlich der Uferzonen’ einordnen. Hätte der Verordnungsgeber die Feldraine, Heide- und Öd- und Brachflächen sowie landwirtschaftliche Nutzflächen mit einbeziehen wollen, hätte sich schon angesichts ihres Umfangs und ihres flächenmäßigen Anteils am Gemeindegebiet eine ausdrückliche Erwähnung angeboten.“ (Normenkontrollurteil S. 9 f.).

7 Dem Antragsteller kann nicht gefolgt werden, wenn er diese Auslegung des brandenburgischen Landesrechts bestreitet und die Nutzungsmöglichkeit des Außenbereichs im Hinblick auf Art und zeitliches Ausmaß seiner landwirtschaftlichen Nutzung für unzureichend hält. Insofern weist bereits das Normenkontrollgericht zu Recht darauf hin, dass es nicht vorrangige Aufgabe der beklagten Stadt, sondern des Antragstellers selbst ist, die artgerechte Haltung seiner Hunde sicherzustellen (Normenkontrollurteil S. 17).

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG.