Beschluss vom 02.01.2012 -
BVerwG 4 BN 32.11ECLI:DE:BVerwG:2012:020112B4BN32.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.01.2012 - 4 BN 32.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:020112B4BN32.11.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 32.11

  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2011 - AZ: OVG 2 A 14.10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Januar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung.

3 1.1 Die Klägerin möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob eine Verfügungsbefugnis im Sinne von § 106 Satz 1 VwGO auch dann bestehen kann, wenn der Landesgesetzgeber klare gesetzliche anderweitige Organkompetenzen festgelegt hat.

4 Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat in Auslegung der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg festgestellt, dass der Bürgermeister der Klägerin den gerichtlichen Vergleich ungeachtet der Frage, ob er zuvor die Zustimmung der Gemeindevertretung hätte einholen müssen, im Außenverhältnis wirksam schließen konnte (UA S. 13 f.). An diese Auslegung des nichtrevisiblen Landesrechts wäre das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisionsverfahren gebunden.

5 1.2 Als rechtsgrundsätzlich bezeichnet die Klägerin weiter die Frage, ob eine Verfügungsbefugnis im Sinne von § 106 Satz 1 VwGO auch dann besteht, wenn der gerichtliche Vergleich nicht nur als ersten Schritt die Einleitung einer Bauleitplanung vorsieht, sondern darüber hinaus weitere Einzelheiten festlegt bis hin zu Vorgaben für die Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB.

6 Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin mit dieser Frage nicht nur die Relevanz der „weiteren Einzelheiten“ geklärt wissen möchte, sondern auch, ob ein gerichtlicher Vergleich überhaupt die Einleitung einer Bauleitplanung vorsehen darf oder ob bereits eine solche Verpflichtung gegen § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB verstößt und damit die Verfügungsbefugnis im Sinne von § 106 Satz 1 VwGO überschreitet. In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren allerdings nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat nur „unter den Umständen des hier vorliegenden Einzelfalls“ (UA S. 15) die Vereinbarkeit der Verpflichtung, ein Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans einzuleiten, mit § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB bejaht. Diese Umstände sind nach seinen Feststellungen dadurch gekennzeichnet, dass die Beteiligten den gerichtlichen Vergleich zur Beendigung eines Normenkontrollverfahrens geschlossen haben, in dem die damaligen Antragsteller und jetzigen Beklagten geltend gemacht hatten, der angefochtene Bebauungsplan leide an beachtlichen Abwägungsfehlern, weil abwägungserhebliche Belange der Plannachbarn nicht ausreichend berücksichtigt worden seien; die Klägerin habe sich - so das Oberverwaltungsgericht - nicht zu einem bestimmten Planungsergebnis, sondern lediglich zur Einleitung eines ergebnisoffenen Planänderungsverfahrens verpflichtet, das die Möglichkeit zur Behebung von Mängeln des Abwägungsvorgangs eröffnen solle (UA S. 16). Das Planänderungsverfahren sollte mithin nicht der Umsetzung geänderter städtebaulicher Ziele, sondern der Behebung etwaiger Fehler des Planaufstellungsverfahrens dienen und dadurch eine Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans durch das Normenkontrollgericht vermeiden. Der Sache nach hatte es damit eine dem ergänzenden Verfahren vergleichbare Funktion.

7 Warum die Vereinbarkeit eines solchen gerichtlichen Vergleichs mit § 106 Satz 1 VwGO, § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB klärungsbedürftig sein sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf. Das Oberverwaltungsgericht hat dargelegt, dass eine Verpflichtung zur Einleitung eines Planänderungsverfahrens, wie sie hier von der Klägerin eingegangen wurde, weder die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde noch die rechtsstaatlichen Anforderungen einer angemessenen Abwägung und eines hinreichend durchschaubaren Verfahrensganges beeinträchtige; die Erforderlichkeit der Planung habe die Gemeinde im Grundsatz bereits bejaht (UA S. 16), nämlich durch Aufstellung des im Normenkontrollverfahren angefochtenen Bebauungsplans. Die Beschwerde setzt sich mit dieser Begründung nicht auseinander; sie beruft sich lediglich auf die Beschlüsse des Senats vom 28. Dezember 2000 - BVerwG 4 BN 37.00 - (Buchholz 406.11 § 2 BauGB Nr. 40) und vom 28. Dezember 2005 - BVerwG 4 BN 40.05 - (Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 123) und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Mai 1989 - III ZR 88/87 - (BRS 53 Nr. 12). Diese Entscheidungen stellen die Zulässigkeit eines solchen gerichtlichen Vergleichs - wie bereits das Oberverwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat - nicht in Frage. Im Beschluss vom 28. Dezember 2000 (a.a.O. juris Rn. 5) hat der Senat lediglich entschieden, dass das Gebot, Bauleitpläne aufzustellen, zu ändern, zu ergänzen oder aufzuheben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1, Abs. 8 BauGB), nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass die Gemeinde einen Vertrag über die Durchführung eines Bebauungsplans abgeschlossen hat, und dass auch kein Anspruch auf Nicht-Aufstellung oder Nicht-Änderung eines Bauleitplans besteht. Ein Vertrag über die Durchführung des Bebauungsplans ist hier nicht geschlossen, ein Anspruch auf Nicht-Aufstellung oder Nicht-Änderung eines Bauleitplans nicht begründet worden. Im Fall, der dem Beschluss vom 28. Dezember 2005 zugrunde lag, war die Gemeinde gegenüber anderen Gebietskörperschaften die Verpflichtung eingegangen, einen bestehenden Bebauungsplan nicht zu ändern. Insoweit hat der Senat entschieden, dass eine Gemeinde auf ihre Befugnis, einen Bebauungsplan aufzustellen oder zu ändern, auch gegenüber anderen Gebietskörperschaften nicht verzichten kann (a.a.O juris Rn. 5). Ein Verzicht auf die Planungsbefugnis steht hier - wie bereits dargelegt - nicht in Rede. Im Urteil vom 11. Mai 1989 (a.a.O. juris Rn. 22) hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt, dass vertragliche Zusagen einer Gemeinde, einen inhaltlich näher bestimmten Bebauungsplan aufzustellen oder doch zumindest die Aufstellung in Übereinstimmung mit dem Vertragspartner zu fördern, der Wirksamkeit entbehren (ebenso BVerwG, Urteil vom 25. November 2005 - BVerwG 4 C 15.04 - BVerwGE 124, 385 <389>; Beschluss vom 28. Dezember 2005 a.a.O.). Die Verpflichtung, den Bebauungsplan in einer inhaltlich bestimmten Weise zu ändern, hat die Klägerin nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht übernommen (UA S. 16 f.).

8 Die Frage, ob die Verfügungsbefugnis im Sinne von § 106 Satz 1 VwGO auch dann nicht überschritten ist, wenn der gerichtliche Vergleich über die Verpflichtung zur Einleitung einer Bauleitplanung hinaus weitere Einzelheiten festlegt bis hin zu Vorgaben für die Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB, wäre, soweit entscheidungserheblich, einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Vorgaben für das Abwägungsergebnis enthält der gerichtliche Vergleich nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht. Ob Vorgaben für das Verfahren - wie hier die im Vergleich enthaltenen Vorgaben für die im Planänderungsverfahren zu prüfenden Planungsvarianten (UA S. 2 f.) - den Abwägungsspielraum im Ergebnis einschränken, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.

9 1.3 Die Klägerin möchte schließlich die Frage geklärt wissen, ob eine Verfügungsbefugnis im Sinne von § 106 Satz 1 VwGO auch dann gegeben ist, wenn ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB vorliegt. Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB verneint. Auch insoweit ergibt sich aus der Beschwerde kein über die bisherigen Darlegungen hinausgehender Klärungsbedarf.

10 2. Eine Divergenz zu den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Dezember 2000 (a.a.O.) und vom 28. Dezember 2005 (a.a.O.) ist nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend bezeichnet (zu diesen Anforderungen vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Die Beschwerde benennt keinen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts tragenden abstrakten Rechtssatz, der einem die genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz widerspricht. Ein solcher Widerspruch liegt im Übrigen - wie bereits dargelegt - nicht vor.

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.