Beschluss vom 01.12.2009 -
BVerwG 4 B 37.09ECLI:DE:BVerwG:2009:011209B4B37.09.0

Beschluss

BVerwG 4 B 37.09

  • VGH Baden-Württemberg - 18.02.2009 - AZ: VGH 1 S 893/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Dezember 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
  2. Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Keine der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen erfüllt diese Voraussetzungen.

3 1.1 Die Frage,
ob Verfahrensfehler bei der nach § 1 Abs. 3 SchBerG vorgeschriebenen Anhörung der betroffenen Gemeinden unbeachtlich sein können,
stellt sich nicht in dieser Allgemeinheit. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin angehört worden. Sie hat eine ausführliche Stellungnahme abgegeben, die der Beklagten vorgelegt worden ist und mit der sich diese ausführlich auseinander gesetzt hat. Dieses Verfahren entspricht - wie das Berufungsgericht ausgeführt hat - den formellen Vorgaben des § 2 Abs. 4 i.V.m. § 1 Abs. 3 SchBerG und genügt auch inhaltlich den Anforderungen, die im Lichte des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG an eine - mittelbare - Anhörung der Gemeinde zu stellen sind. Lediglich den Umstand, dass nach den maßgeblichen landesrechtlichen Bestimmungen nicht das Finanzministerium, sondern das Kabinett als Landesregierung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 SchBerG zu handeln gehabt hätte, hat das Berufungsgericht als verfahrensfehlerhaft angesehen. Der Verfahrensfehler liegt also nicht im Mangel einer unterbliebenen Anhörung der Klägerin, sondern betrifft die Frage, welches Organ zuständig ist, nach Anhörung der betroffenen Gemeinde die geforderte Stellungnahme als Landesregierung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 SchBerG gegenüber dem Bundesverteidigungsministerium abzugeben. Insofern trägt die in der Beschwerde herangezogene Rechtsprechung zur Unanwendbarkeit des § 46 VwVfG bei wesentlichen bzw. „absoluten“ Verfahrensfehlern ebenso wenig wie der Hinweis auf Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Grundsatzrüge der Klägerin reduziert sich damit auf die Frage, ob der vom Berufungsgericht markierte Zuständigkeitsfehler gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich sein kann. Rechtsfragen zu § 46 VwVfG, die allgemeiner fallübergreifender Klärung mit Blick auf das Verfahren nach § 1 Abs. 3 Satz 1 SchBerG bedürften und die sich nicht auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung beantworten ließen, zeigt die Klägerin indes nicht auf.

4 1.2 Mit den Fragen,
ob die ZDv 34/230 „Schutzabstandsbestimmungen für den Umgang mit Munition“ zur Konkretisierung der in § 1 Abs. 2 und 4 sowie § 2 Abs. 2 Schutzbereichsgesetz enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe herangezogen werden kann,
ob bei der Konkretisierung der Genehmigungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Schutzbereichsgesetz die ZDv 34/230 herangezogen werden kann,
ob eine Schutzbereichsanordnung dem Bestimmtheitsgebot genügt, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 SchBG nur mit Hilfe von zentralen Dienstvorschriften des Bundesministers der Verteidigung ermittelt werden können,
wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, das davon ausgeht, die Zentralen Dienstvorschriften des Bundesministeriums der Verteidigung ZDv 34/230 könnten als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften bei der Frage der erforderlichen Ausdehnung des Schutzbereichs sowie der Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens in den Schutzabstandszonen herangezogen werden. Der Sache nach rügt die Klägerin, dass die Vorschriften des Schutzbereichsgesetzes nicht dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügten, und macht damit die Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage geltend.

5 Es bedarf nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens um festzustellen, dass die Vorschriften des Schutzbereichsgesetzes den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots genügen. Bereits mit Urteil vom 23. Oktober 1968 (BVerwG 4 C 101.67 - BVerwGE 30, 287 <292>) hat der Senat darauf hingewiesen, dass er die in § 2 Abs. 1 SchBerG enthaltene Ermächtigung für hinreichend bestimmt hält. Dabei hat der Senat auch Bezug genommen auf die von der Beschwerde unter anderem genannten Bestimmungen des § 1 Abs. 4 und § 2 Abs. 2 SchBerG. Dass der Senat hierbei Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG als Maßstab herangezogen hat, weil er damals der Auffassung war, eine Schutzbereichsanordnung sei durch Rechtsverordnung zu treffen, ändert an der Bestimmtheit der Regelungen nichts. Das gilt auch für die von der Beschwerde genannte Vorschrift des § 3 Abs. 1 SchBerG. Es liegt in der Natur der Sache oder, wie das Berufungsgericht es formuliert, an den Besonderheiten der Regelungsmaterie, dass das Gesetz keine detaillierten Angaben darüber enthält, wo und mit welcher Ausdehnung ein Schutzbereich anzuordnen ist, da der Schutzbereich abhängig ist von dem konkreten Verteidigungsvorhaben. Generalklauseln und unbestimmte Begriffe sind jedenfalls dann verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Norm mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für ihre Auslegung und Anwendung bietet oder sie eine gefestigte Rechtsprechung übernimmt und damit aus dieser Rechtsprechung hinreichende Bestimmtheit gewinnt. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften gewährleisten eine möglichst einheitliche Bestimmung und Anwendung und können dadurch mit dazu beitragen, dass unbestimmte Rechtsbegriffe dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügen (BVerfG, Beschluss vom 26. September 1978 - 1 BvR 525/77 - BVerfGE 49, 168 - juris Rn. 36). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verwaltungsgerichte nicht an norminterpretierende Verwaltungsrichtlinien gebunden sind (Urteil vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 8 C 16.96 - BVerwGE 107, 338 <340 f.>). Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat damit nicht - wie die Fragen der Klägerin es nahelegen - die Vorschriften des Schutzbereichsgesetzes deswegen als „noch“ hinreichend bestimmt angesehen, weil es Verwaltungsvorschriften zu deren Auslegung gibt. Es hat vielmehr - wie dargelegt - auf die „Besonderheiten der Regelungsmaterie“ abgestellt und lediglich darauf verwiesen, dass die Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen im konkreten Einzelfall durch die Vorgaben der ZDv 34/230 erleichtert werde. Soweit die Klägerin geltend macht, die ZDv 34/230 sei veraltet und beruhe nicht auf unabhängigem Sachverstand, zeigt sie keinen Klärungsbedarf auf, sondern greift lediglich die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts an, das davon ausgeht, die ZDv 34/230 beruhe auf gesicherten Erkenntnissen und Erfahrungen von Fachleuten und erlaube daher eine zuverlässige Beurteilung, ob die Ausdehnung des Schutzbereichs nach dem im Schutzbereichsgesetz normierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung unbeteiligter Dritter erforderlich sei.

6 2. Die Verfahrensrüge führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Als Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rügt die Klägerin, das Berufungsgericht sei ihrem hilfsweise in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, ergänzend auf Einholung einer Auskunft der US-Armee nicht nachgegangen. Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) wird damit nicht substantiiert dargelegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter nicht ausdrücklich und nicht lediglich hilfsweise (Beschluss vom 10. Juni 1999 - BVerwG 9 B 81.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302) beantragt hat. Die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht setzt voraus, dass unter Auseinandersetzung mit dem Prozessgeschehen und der Begründung der vorinstanzlichen Entscheidung schlüssig aufgezeigt wird, dass sich dem Gericht auch ohne unbedingten Beweisantrag auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde beschränkt sich auf den mit der Grundsatzrüge vorgetragenen Einwand, die ZDv 34/230 könne als veraltetes und nur für den Bereich des Verteidigungsministeriums verbindliches Regelwerk nicht angewendet werden. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht - wie dargelegt - die ZDv 34/230 gerade nicht als das Gericht bindende normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift angesehen hat, nimmt die Klägerin in ihrem ersten Hilfsbeweisantrag selbst Bezug auf die ZDv 34/230. Unabhängig davon geht die Beschwerde nicht auf die im angefochtenen Urteil angegebene Begründung ein, dass keine veränderten Umstände vorgetragen worden seien, die eine Reduzierung des in den bestandskräftigen Anordnungen festgelegten Schutzbereichs rechtfertigen könnten (UA S. 21 f.).

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.