Beschluss vom 01.12.2005 -
BVerwG 8 B 68.05ECLI:DE:BVerwG:2005:011205B8B68.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.12.2005 - 8 B 68.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:011205B8B68.05.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 68.05

  • VG Greifswald - 03.05.2005 - AZ: VG 2 A 1289/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Dezember 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. H a u s e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 3. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

2 1. Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht sei mit seiner Entscheidung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 1999 - BVerwG 8 C 8.99 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 4) und vom Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 7 B 105.03 - abgewichen, indem es den Rechtssatz aufgestellt habe, der Anscheinsbeweis für unlautere Machenschaften gelte dann nicht, wenn zwar die drei vom Bundesverwaltungsgericht geforderten Voraussetzungen vorlägen (Antrag auf Ausreise, Veräußerung vor Ausreise, Ausreise mit staatlicher Genehmigung), die Genehmigung zur Ausreise aber bereits vor der Veräußerung liege.

3 Das Verwaltungsgericht hat keinen derartigen Rechtssatz aufgestellt. Vielmehr hat es erkennbar den Anscheinsbeweis als widerlegt angesehen, indem es den festgestellten Sachverhalt dahingehend gewürdigt hat, dass die staatlichen Stellen die Genehmigung des Ausreiseantrags nicht von einer Veräußerung des streitgegenständlichen Grundbesitzes abhängig gemacht haben, sondern, dass Grundlage der Genehmigung für die Ausreise die Bevollmächtigung von Frau H., der Schwester der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, für alle mit dem streitgegenständlichen Grundbesitz zusammenhängenden Fragen war. Bei der Formulierung des Verwaltungsgerichts "die Ausreisegenehmigung hat zur Überzeugung der Kammer bereits vor dem Abschluss des Kaufvertrages vom 31.03.1977 vorgelegen", handelt es sich um keinen Rechtssatz, sondern um eine richterliche Überzeugung, die anhand von festgestellten Tatsachen gebildet wurde.

4 2. Soweit sich die Beschwerde gegen die richterliche Überzeugungsbildung wendet, § 108 Abs. 1 VwGO, hat sie schon deswegen keinen Erfolg, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Würdigung des Sachverhalts grundsätzlich dem materiellen Recht zuzurechnen ist. Allenfalls bei einem Verstoß gegen Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung kann ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegen (Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272 f.> = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 S. 74 f.). Hiervon kann keine Rede sein (vgl. zu den Voraussetzungen für einen Verstoß gegen die Denkgesetze Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 147.86 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 <4>).

5 3. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht gegen die Grundsätze der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1, § 112 VwGO) verstoßen, weil im Termin vom 15. März 2005 andere ehrenamtliche Richterinnen mitgewirkt haben als im Termin vom 3. Mai 2005 mit anschließender Urteilsverkündung. Wegen des eingetretenen Richterwechsels brauchte entgegen der Ansicht der Beschwerde die Beweisaufnahme nicht wiederholt zu werden. Das Prinzip der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verlangt dies grundsätzlich nicht. Eine Wiederholung der Beweisaufnahme steht im Ermessen des Gerichts. Lediglich dann, wenn es entscheidend auf persönliche Eindrücke ankommt, muss je nach den Umständen des Falles eine Wiederholung der Zeugenvernehmung in Erwägung gezogen werden (Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 56 S. 29 <32>). Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht der Aussage des Zeugen H. nicht wegen des gewonnenen persönlichen Eindrucks keinen Glauben geschenkt, sondern weil diese Aussage den Angaben im Überlassungsvertrag vom 29. Januar 1973 und seiner Anhörung im Verwaltungsverfahren vom 20. August 1999 widersprochen hat. Entscheidend war somit der sachliche Inhalt der beiden genannten Quellen und nicht der Eindruck, den das Verwaltungsgericht vom Zeugen in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat. Um den neu in das Verfahren eingetretenen ehrenamtlichen Richterinnen die Aussage des Zeugen H. zur Kenntnis zu bringen, bedurfte es keiner erneuten Beweisaufnahme, es genügte vielmehr, dass ausweislich der Sitzungsniederschrift (S. 4) "das Ergebnis der Beweisaufnahme vom 15. März 2005 verlesen" wurde.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.