Beschluss vom 01.10.2008 -
BVerwG 4 B 52.08ECLI:DE:BVerwG:2008:011008B4B52.08.0

Beschluss

BVerwG 4 B 52.08

  • Niedersächsisches OVG - 28.05.2008 - AZ: OVG 12 LB 64/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Oktober 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn,
Gatz und Dr. Jannasch
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 550 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Der Senat unterstellt zugunsten der Klägerin ein weiterhin bestehendes Fortsetzungsfeststellungsinteresse.

2 Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).

3 Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt. So liegt es hier.

4 Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlicher Klärung bedürftig, ob die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde verpflichtet ist, mit der Entscheidung über den Genehmigungsantrag für ein privilegiertes Außenbereichsvorhaben zuzuwarten, wenn die Raumordnungsbehörde beabsichtigt, ein Raumordnungsverfahren durchzuführen.

5 Diese Frage lässt sich schon kaum losgelöst von den Besonderheiten der jeweiligen Verfahrenssituation beantworten, auf die die Klägerin selbst in ihrer Beschwerdebegründung in Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts näher eingeht. Ferner stützt sich das Oberverwaltungsgericht für die Begründung des von ihm gewonnenen Ergebnisses, der Beklagte sei bis zu einem bestimmten Zeitpunkt - der Änderung des Flächennutzungsplans - nicht verpflichtet gewesen, über den Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die streitigen Windenergieanlagen positiv zu entscheiden, auf die Auslegung und Anwendung des Niedersächsischen Raumordnungsgesetzes. In Anwendung von § 13 NROG gelangt es zu dem Ergebnis, es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte nicht von vornherein auf die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens verzichtet habe. Insoweit legt das Oberverwaltungsgericht nicht revisibles Landesrecht aus und wendet dieses auf den Einzelfall an.

6 Soweit die von der Beschwerde aufgeworfene Frage trotz dieser Bedenken noch einen der Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglichen Kern enthält, lässt sie sich ohne Weiteres beantworten.

7 Bei der Prüfung, ob eine Windenergieanlage im Außenbereich zu genehmigen ist, hat die nach dem Immissionsschutzrecht zuständige Behörde nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG auch der Frage nachzugehen, ob andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Anlage nicht entgegenstehen. Dies schließt eine umfassende bauplanungsrechtliche Prüfung ein (Beschluss vom 2. Februar 2000 - BVerwG 4 B 87.99 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 163 = NVwZ 2000, 679; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 6 BImSchG Rn. 30). Hierzu gehört auch § 35 BauGB. Die Beschwerde stellt dies selbst nicht in Frage und bezweifelt auch nicht, dass das Ergebnis eines Raumordnungsverfahrens als öffentlicher Belang im Zuge der nachvollziehenden Abwägung nach § 35 BauGB Berücksichtigung finden muss (S. 3 der Beschwerdebegründung). Daraus ergibt sich, dass die nach dem Immissionsschutzrecht zuständige Behörde ein als erforderlich angesehenes Raumordnungsverfahren abwarten darf, um dessen Ergebnis bei ihrer Entscheidung berücksichtigen zu können. Die von der Beschwerde (S. 9) vermisste „Raumordnungsklausel“ findet sich in § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB.

8 Die in der Beschwerde angesprochene Frage, inwieweit dieser Grundsatz im Hinblick auf § 15 Abs. 7 Satz 1 ROG, § 10 Abs. 6a BImSchG und andere im Rahmen des Beschleunigungsgebots erlassene Regelungen (vgl. §§ 14 Abs. 2 Satz 1, 16 Abs. 1 NROG) zeitlichen Grenzen unterliegt, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht rechtsgrundsätzlich klären lassen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat seine darauf bezogenen Ausführungen auf die Regelungen im Landesrecht sowie die Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls gestützt. Das Bundesrecht regelt die Notwendigkeit, ein Raumordnungsverfahren durchzuführen, nur im Grundsatz, so dass die weiteren Einzelheiten dem hierzu ergangenen Landesrecht zu entnehmen sind. Vorliegend hat das Oberverwaltungsgericht dementsprechend in Anwendung von § 13 Abs. 2 NROG u.a. geprüft, ob das Verlangen nach einem Raumordnungsverfahren ermessensfehlerfrei war. Fragen des revisiblen Rechts sind insoweit nicht ersichtlich.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.