Beschluss vom 01.09.2009 -
BVerwG 4 B 49.09ECLI:DE:BVerwG:2009:010909B4B49.09.0

Beschluss

BVerwG 4 B 49.09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. September 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 7. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Klägerin macht geltend, der Senat habe bei der Entscheidung über die im angefochtenen Beschluss unter 1.2 behandelten Grundsatzrüge zentralen Vortrag ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nicht berücksichtigt: Ihr Vortrag habe darauf gezielt, aufzuzeigen, dass die Formulierung „einzelne Grundstücke im Anflugsektor“ eine offenkundige Fehlbezeichnung des Oberverwaltungsgerichts sei und dass das Gericht damit „große dicht besiedelte Bereiche im Umfeld des Flughafens“ gemeint habe (Anhörungsrüge S. 4 - 8). Damit legt die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht schlüssig dar (§ 152 a Abs. 1, 2 Satz 6 VwGO). Die Rüge der Klägerin beschränkt sich auf den Vorwurf, der Senat hätte sich der Auffassung der Klägerin anschließen müssen und habe die tatsächlichen Feststellungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, unzutreffend erfasst. Der Senat hat im Einzelnen dargelegt, auf welchen tatsächlichen Feststellungen das angefochtene Urteil beruht und welche dieser Feststellungen als bindend i.S.d. § 137 Abs. 2 VwGO anzusehen sind. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er die von der Klägerin in der Beschwerde dargelegte Auffassung, bei der Formulierung „einzelne Grundstücke im Anflugsektor“ handele es sich um eine offenkundige „Fehlbewertung“ bzw. „Fehlbezeichnung“, nicht teilt. Dass der Senat darauf verzichtet hat, auf die Argumente der Klägerin im Einzelnen einzugehen, begründet keinen Gehörsverstoß. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet nicht, dass jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden wäre. Das Gericht darf sich auf die Gründe beschränken, die für seine Entscheidung leitend gewesen sind.

3 Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, der Senat entscheide widersprüchlich, wenn er einerseits die Grundsatzrüge zurückweise, weil sie auf einem Sachverhalt beruhe, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt habe, und andererseits eben diesen Sachverhalt der Ablehnung der Aufklärungsrüge zugrunde lege (Anhörungsrüge S. 7), geht an der Begründung des Senatsbeschlusses vorbei: Wie der Senat ausgeführt hat, ist nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts die Belastung im Übergang vom Tag zur Nacht auf Grund eines räumlich umfassenden Vergleichs der Verkehrsspitzen zu beurteilen. Entscheidend ist eine Gesamtbetrachtung der Flughafenumgebung. Auf dieser Grundlage hat das Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht unterstellt, dass die erste Nachtstunde für einzelne Grundstücke im Anflugsektor belastender sein könne als die letzte Tagesstunde (UA S. 120) und damit zugleich festgestellt, dass große dicht besiedelte Bereiche im Umfeld des Flughafens nicht durch eine deutlich spürbare Mehrbelastung gegenüber der Tagzeit geprägt sind.

4 Die Klägerin scheint dagegen zu meinen, dass sich im Fall einer Gesamtbetrachtung der Flughafenumgebung gleichsam zwangsläufig ergäbe, dass nicht lediglich „einzelne Grundstücke“ betroffen sein könnten, weil es - wie Anlage 1 zur Nichtzulassungsbeschwerde belege - im Flughafenumfeld große dicht besiedelte Bereiche gebe. Sie schlussfolgert, wenn eine Gesamtbetrachtung entscheidend sei, dann habe das Oberverwaltungsgericht den der Grundsatzrüge zugrunde liegenden Sachverhalt angenommen oder als richtig unterstellt - in dem es ihn für „unschädlich“ hielt -, dass große dicht besiedelte Bereiche im Umfeld des Flughafens durch eine deutlich spürbare Mehrbelastung gegenüber der Tagzeit geprägt seien (Anhörungsrüge S. 9). Mit den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts deckt sich diese „Schlussfolgerung“ nicht. Die Annahme der Klägerin entbehrt der Grundlage.

5 2. Erfolglos bleibt auch die Rüge der Klägerin, der Senat habe nicht erkannt, dass sie das „Abstellen auf die Flughafenumgebung“ nicht lediglich für verfehlt gehalten, sondern - entgegen der Darstellung im Beschluss des Senats (Rn. 7 a. E.) - hiergegen Rügen erhoben und dies auch in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde deutlich gemacht hätte (Anhörungsrüge S. 8 - 10).

6 Die in der Nichtzulassungsbeschwerde als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,
ob dem Gebot der Rücksichtnahme auf die Nachtruhe der Bevölkerung, § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG, hinreichend Rechnung getragen wird, wenn der Übergang von der Tages- in die Nachtzeit für große dicht besiedelte Bereiche im Umfeld des Flughafens durch eine deutlich spürbare Mehrbelastung gegenüber der Tagzeit geprägt ist,
ist eindeutig formuliert. Eine Grundsatzrüge, mit der die Klägerin Klärungsbedarf aufzeigt hinsichtlich der vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten Rechtsauffassung, dass maßgeblich eine Gesamtbetrachtung der Flughafenumgebung sei, findet sich in der Beschwerdeschrift nicht. Der Einwand, die Ausführungen zur ersten Anhörungsrüge zeigten, dass gerade das Abstellen auf die Flughafenumgebung der zentrale Gegenstand der Grundsatzrüge gewesen sei (Anhörungsrüge S. 8), beruht - wie unter 1. ausgeführt - auf der unzutreffenden Annahme, das Oberverwaltungsgericht „halte tatsächlich eine deutliche Mehrbelastung großer dicht besiedelter Bereiche im Flughafenumfeld im Übergang von der Tages- zur Nachtzeit für unschädlich“ (Anhörungsrüge S. 9 - Unterstreichung durch den Senat). Auch der Vorwurf, die Grundsatzrüge sei angesichts der Beschwerdebegründung auslegungsfähig und der Senat sei unter verfassungsrechtlich nicht hinnehmbarer Überspannung des Begründungserfordernisses dieser Aufgabe nicht gerecht geworden, weil das rechtliche Gehör nicht am unterschiedlichen Verständnis einzelner Formulierungen scheitern dürfe, beruht auf der Annahme, dass sich im Fall einer Gesamtbetrachtung der Flughafenumgebung gleichsam zwangsläufig ergäbe, dass nicht lediglich „einzelne Grundstücke“ betroffen sein könnten. Abgesehen davon formuliert die Klägerin auch mit ihrer Anhörungsrüge keine Fragen, die sich auf die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zur Maßgeblichkeit einer die Verkehrsspitzen vergleichenden Gesamtbetrachtung beziehen.

7 3. Zur Begründung der Rüge (4.3 der Anhörungsrüge), der Senat habe bei der mit in der Nichtzulassungsbeschwerde unter II.3.1.1 geltend gemachten Aufklärungsrüge das zentrale Vorbringen nicht berücksichtigt (Anhörungsrüge S. 10 - 11), führt die Klägerin aus: Sie hätte nicht - wie vom Senat (in Randnummer 16) angenommen - die Gutachten in Zweifel ziehen wollen. Auch wenn die Gutachteninhalte als richtig unterstellt werden könnten, sei damit ein Bedarf für die Erweiterung des Nachtflugkontingents nicht belegt, weil die Gutachten keine Aussagen enthielten, dass die Abwicklung der Flüge in den dort genannten Verkehrssegmenten nicht in der Tageszeit möglich sei. Dazu hat sich der Senat in Randnummer 15 des angefochtenen Beschlusses verhalten. Das behauptete Ermittlungsdefizit leitet die Klägerin aus der dem angefochtenen Urteil nicht zugrunde liegenden Rechtsauffassung ab, dass bei Erhöhung eines Flugbewegungskontingents jeder einzelne Flug in den sog. Nachtrandzeiten der Rechtfertigung bedarf.

8 4. Mit dem Einwand (4.4 der Anhörungsrüge), die Ausführungen des Senats, dass sich mit einem Verweis auf Messergebnisse Berechnungsergebnisse nicht in Frage stellen ließen, sowie zur Methodik der AzB99, gingen angesichts der Rüge mangelnder Aufklärung des Ausmaßes der Fehlberechnungen der Fluglärmbelastung (II. 3.1.2 der Nichtzulassungsbeschwerde) fehl und am Sachverhalt vorbei (Anhörungsrüge S. 11 - 13), zeigt die Klägerin ebenfalls keinen Gehörsverstoß auf. Der Senat hat entgegen der Auffassung der Klägerin zum Messpunkt 13 nicht lediglich darauf hingewiesen, dass - nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - der Messpunkt im März 2004 verlegt worden sei, sondern ausgeführt, dass das Oberverwaltungsgericht die Vergleichsberechnungen für den neuen Messstellenstandort in den Blick genommen, die festgestellten Überschreitungen jedoch nicht als signifikante Abweichung erachtet hat. Damit hat der Senat ersichtlich auch Bezug genommen auf die von der Klägerin genannte Stellungnahme vom 14. November 2006 (Anhörungsrüge S. 12), in der - wie das Oberverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Klägerin ausgeführt hat - die Rede ist von 12,2 Überschreitungen von 65 dB(A) gegenüber 13,3 gemessenen Überschreitungen (UA S. 59). Die Klägerin scheint zu meinen, auf Grund der Vergleichbarkeit sei - entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - ein Rückschluss auf methodische Fehler bei der Berechnung gerechtfertigt. Wie bereits in der Nichtzulassungsbeschwerde erschöpft sich ihr Vortrag darin, aus den Abweichungen zwischen den Messungen und den Berechnungen andere Schlussfolgerungen als das Oberverwaltungsgericht zu ziehen und zu behaupten, angesichts der nach ihrer Auffassung deutlichen Unterberechnung habe es der Aufklärung des Ausmaßes der Fehlberechnungen bedurft. Im Übrigen setzt die Einschätzung, ob eine signifikante Abweichung vorliegt, unter anderem voraus, dass die Berechnungen einer geeigneten Methode zur Erfassung der Lärmbelastung folgen. Darauf hat der Senat mit den Ausführungen zur AzB99 hingewiesen.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GVG; einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.