Beschluss vom 01.07.2016 -
BVerwG 3 B 59.15ECLI:DE:BVerwG:2016:010716B3B59.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.07.2016 - 3 B 59.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:010716B3B59.15.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 59.15

  • VG Schleswig - 15.11.2012 - AZ: VG 1 A 69/11
  • OVG Schleswig - 02.06.2015 - AZ: OVG 2 LB 20/14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juli 2016
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und Rothfuß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigungsfähigkeit eines Schlags für die Betriebsprämien 2010 und 2011. Durch den in einem ehemaligen Kleingartengelände gelegenen Schlag verläuft ein beidseits durch einen Zaun abgegrenzter, unbefestigter Weg. Die sich daraus ergebenden Teilflächen bleiben für sich gesehen hinter der erforderlichen Mindestgröße zurück. Die Klägerin ist der Auffassung, der Schlag werde durch den Weg nicht geteilt, sondern stelle eine zusammenhängende, als Weide genutzte landwirtschaftliche Fläche dar.

2 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die geltend gemachten Verfahrensfehler rechtfertigen die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO).

3 1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ist die angefochtene Entscheidung selbstständig tragend auf mehrere Begründungen gestützt, so ist die Revision nur dann zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder der verschiedenen Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4 m.w.N. und vom 23. Mai 2013 - 9 B 46.12 - juris Rn. 2).

4 Der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage,
"ob eine Fahrspur auf einer Grünfläche den für eine Förderungsfähigkeit maßgeblichen Bewirtschaftungszusammenhang aufheben kann",
kommt keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu, denn das Oberverwaltungsgericht hat seine Annahme, der Schlag werde nicht zusammenhängend bewirtschaftet, selbstständig tragend darauf gestützt, dass bereits die feste Einzäunung der Wegfläche zu einer dauerhaften Abtrennung führe und den Bewirtschaftungszusammenhang zwischen den Teilflächen aufhebe (UA S. 9). Darauf geht die Beschwerde ebenso wenig ein wie auf die weitere Begründung des Oberverwaltungsgerichts, ein dritter Umstand, die hauptsächliche Funktion des Weges als Verkehrseinrichtung, hebe den Bewirtschaftungszusammenhang auf (UA S. 10). Zur Beihilfefähigkeit eines Weges ist im Übrigen entschieden, dass Landschaftsteile wie Seitenstreifen, Wege und Gräben grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - C-105/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​1126], Vonk Noordegraf - Rn. 47).

5 Ebenso wenig folgt aus der
"Frage der geforderten Messgenauigkeit bei der Ermittlung der Flächenangaben"
eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Wie die Beschwerde selbst ausführt, konnte das Oberverwaltungsgericht ihre Beantwortung dahingestellt sein lassen, so dass sie nicht entscheidungserheblich wurde (UA S. 14).

6 2. Auch ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), liegt nicht vor.

7 a) Die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht habe versäumt, die vorgenannten Fragen dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Eine Frage zur Auslegung des Unionsrechts muss dem Europäischen Gerichtshof jedoch nur dann vorgelegt werden, wenn die Entscheidung gemäß Art. 267 AEUV nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann. Die statthafte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist aber ein Rechtsmittel in diesem Sinne, weshalb eine Verpflichtung zur Einholung einer Vorabentscheidung schon deshalb nicht bestand (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Dezember 2004 - 10 B 21.04 - Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 8 S. 20 f. m.w.N. und vom 8. September 2011 - 3 B 19.11 - juris Rn. 6). Abgesehen davon muss es sich um eine für die Entscheidung erhebliche Frage handeln.

8 b) Die Klägerin macht geltend, das Oberverwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, gegen den die Betriebsprämie 2011 betreffenden Teilrücknahmebescheid sei kein Rechtsmittel eingelegt worden. Sie habe diesen Bescheid versehentlich nicht erwähnt, die Sach- und Rechtslage sei aber 2010 und 2011 mehr oder weniger identisch gewesen. Das Berufungsgericht habe offensichtlich fehlerhaft gehandelt und hätte einen Hinweis geben müssen, dass der Teilrücknahmebescheid nicht mehr Gegenstand des Verfahrens sei. Die Hinweispflicht des Gerichts gemäß § 86 Abs. 3 VwGO dient der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs und soll vermeiden, dass eine Klage an der Unerfahrenheit und mangelnden Vertrautheit eines Klägers mit den selbst für Rechtskundige oft nur schwer übersehbaren gesetzlichen Vorschriften scheitert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 1977 - 4 B 23.77 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 10 S. 2 f.). Sie konkretisiert sich jeweils abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Geht es darum, das im Rechtsmittelverfahren weiterverfolgte Klagebegehren zu bestimmen, besteht bei einem anwaltlich vertretenen Kläger grundsätzlich kein Anlass, die Reichweite seines Rechtsmittelantrags zu hinterfragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 8 C 14.14 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 57 Rn. 31 m.w.N.). Nach dem eindeutigen Wortlaut des Antrags hat sich die Klägerin auf die Betriebsprämie 2010 beschränkt. Weshalb sich dem Gericht gleichwohl ein Hinweis hätte aufdrängen müssen, ist weder ersichtlich noch von der Klägerin in der erforderlichen Weise substantiiert dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. März 2014 - 5 B 48.13 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 12 m.w.N.).

9 c) Weiter rügt die Klägerin eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO), der mit einer Überraschungsentscheidung verbunden sei und damit § 86 Abs. 3 und § 104 Abs. 1 VwGO verletze. Sie führt dazu aus, das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, "es seien keine Öffnungen wie Tore oder Gatter an den Enden des Weges vorhanden"; dies sei von niemandem vorgetragen worden, tatsächlich seien an den Enden Tore. Eine derartige Feststellung hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. Es ist lediglich aufgrund der vorgelegten Lichtbilder davon ausgegangen, dass die Einzäunung nicht durch "Öffnungen wie Tore oder Gatter zum Weg hin unterbrochen" werde (UA S. 9). Richtig ist, dass das Berufungsgericht zur Begründung, der Weg sei seiner hauptsächlichen Funktion nach eine Verkehrseinrichtung, davon ausgegangen ist, es handele sich um einen Gemeinschaftsweg. Hierfür stützt es sich unter anderem darauf, dass der Weg an seinen Enden von den Grundstücken Dritter nicht etwa durch einen Zaun getrennt sei (UA S. 12). Diese Annahme, für die sich das Berufungsgericht auf Lichtbilder beruft, greift die Beschwerde jedoch nicht an.

10 Ferner macht die Klägerin geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den Fahrspuren eine "wassergebundene Decke" unterstellt, was in der mündlichen Verhandlung nicht thematisiert worden sei. Sie habe vorgetragen, ihr Fahrzeug habe sich auf nachverfestigten Spurbahnen, nacktem Boden bewegt, der von ihr gelockert und jährlich zwei- bis dreimal neu eingesät worden sei. Abgesehen davon, dass das Oberverwaltungsgericht nicht von einer "wassergebundenen Decke", sondern von "wassergebundenen festen Fahrspuren" spricht, trägt diese Aussage lediglich die Folgerung, dass diese Fahrspuren nicht als Dauergrünland genutzt würden, ebenso wie Betonspuren. Vor diesem Hintergrund besagt die Feststellung einer "wassergebundenen festen Fahrspur" nicht mehr als der Befund, die Fahrspuren seien ganzjährig nicht bewachsen. Die Klägerin hält dem zwar entgegen, (auch) diese Feststellung des Oberverwaltungsgerichts sei überraschend. Dem steht jedoch entgegen, dass der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 22. Mai 2013 entsprechend vorgetragen hat und die vorgelegten Lichtbilder vom 27. Juli 2010 und vom Sommer 2011 die Aussage bestätigen, zumal der Weg unstreitig täglich befahren wurde. Davon, dass die Klägerin den Weg nachsäe, war das Oberverwaltungsgericht zudem nicht überzeugt; eine Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse hat es abgelehnt, weil es nicht auf die gegenwärtigen tatsächlichen Verhältnisse ankomme. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass sich das Berufungsurteil auf Gründe stützt, mit denen nach dem Sach- und Streitstand des Berufungsverfahrens nicht zu rechnen war. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sich dem Gericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.

11 Schließlich ist nicht dargetan, weshalb das Berufungsgericht der Klägerin rechtliches Gehör dadurch versagt haben soll, dass es ebenso wie die Vorinstanz davon ausgegangen ist, der Weg sei seiner hauptsächlichen Funktion nach Verkehrseinrichtung, hinter der eine landwirtschaftliche Nutzung zurücktrete oder - in den Worten der Klägerin - sich unterordne. Damit greift die Beschwerde im Gewande einer Gehörsrüge lediglich die ihrer Meinung nach unrichtige Rechtsauffassung des Berufungsgerichts an.

12 Würde im Zusammenhang mit den genannten Umständen ein Verfahrensfehler vorliegen, so käme im Übrigen gleichwohl eine Zulassung der Revision nicht in Betracht. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung selbstständig tragend darauf gestützt, dass der Bewirtschaftungszusammenhang durch die Zäune unterbrochen werde. Dieser Begründungsstrang wird von den in Rede stehenden Rügen nicht berührt. Entsprechend beruht das angefochtene Urteil auch nicht auf der vermeintlichen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes oder des Verbots einer Überraschungsentscheidung und des rechtlichen Gehörs.

13 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 3 GKG.

Beschluss vom 22.08.2016 -
BVerwG 3 B 36.16ECLI:DE:BVerwG:2016:220816B3B36.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.08.2016 - 3 B 36.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:220816B3B36.16.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 36.16

  • VG Schleswig - 15.11.2012 - AZ: VG 1 A 69/11
  • OVG Schleswig - 02.06.2015 - AZ: OVG 2 LB 20/14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. August 2016
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und Rothfuß
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 1. Juli 2016 - BVerwG 3 B 59.15 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Senat hat durch den Beschluss vom 1. Juli 2016, mit dem die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen worden ist, den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht im Sinne von § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

2 Die Klägerin meint, der Beschluss übergehe wesentliche Teile ihres Sachvortrags. Ihr Angriff auf die vermeintliche Feststellung des Berufungsgerichts, es seien keine Öffnungen wie Tore oder Gatter an den Enden des Weges vorhanden, beziehe sich auf Tore und Gatter in den seitlichen Begrenzungszäunen; das ergebe sich aus dem Kontext. Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde erhobene Verfahrensrüge spricht zweifach von Öffnungen "an den Enden des Weges", worauf der Senat in seinem Beschluss eingegangen ist (Rn. 9 des Senatsbeschlusses). Das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde steht im Kontext der Rüge weiterer Feststellungen (wassergebundene Decke; Bewuchs der Fahrspuren), ohne einen Bezug zu den jeweils selbstständig tragenden Begründungssträngen des angefochtenen Urteils herzustellen (Einzäunung des Weges, wassergebundene feste Fahrspuren, Funktion des Weges). Ein von den klaren Formulierungen abweichender Bezug auf die seitliche Einzäunung ist der Nichtzulassungsbeschwerde daher nicht zu entnehmen und ein entsprechender Verfahrensmangel mit ihr nicht bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der Senat hat folglich das Vorbringen auch nicht in einer den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzenden Weise falsch gewürdigt. Wäre dies anders zu sehen, so würde es im Übrigen an der notwendigen Entscheidungserheblichkeit fehlen. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung selbstständig tragend auch darauf gestützt, dass der notwendige Bewirtschaftungszusammenhang durch die Funktion des Weges als Verkehrseinrichtung aufgehoben werde (UA S. 10). Dieser Begründungsstrang ist weder von den geltend gemachten Grundsatzrügen betroffen (Rn. 4 und 5 des Senatsbeschlusses), noch greift insoweit eine mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte Verfahrensrüge (Rn. 11 des Senatsbeschlusses).

3 Die Klägerin macht weiter geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts zugelassen, sei diesen Zweifeln jedoch nicht nachgegangen. Das sei von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgegriffen, vom Senat aber überhört worden. Der Nichtzulassungsbeschwerde lässt sich jedoch lediglich die Aussage entnehmen, die Ansicht, eine nicht beihilfefähige Fläche unterbreche quasi automatisch einen Bewirtschaftungszusammenhang, sei falsch und begründe ernstliche Zweifel (S. 4 a.E. der Beschwerdebegründung). Sollte dieses Vorbringen angesprochen sein, so musste hierauf nicht eingegangen werden, weil mit ihm offensichtlich kein Zulassungsgrund in der erforderlichen Weise geltend gemacht worden ist (§ 132 Abs. 2, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Darüber hinaus ist ein Gehörsverstoß nicht substantiiert dargelegt (§ 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO). Soweit die Klägerin ihr Beschwerdevorbringen erweitert und ihre vom Berufungsgericht abweichende Rechtsauffassung vertieft, ist das unbehelflich. Das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO eröffnet nicht die Möglichkeit, durch weiteren Vortrag eventuelle Unzulänglichkeiten der Nichtzulassungsbeschwerde auszuräumen und auf dieser Grundlage eine Überprüfung des Beschlusses über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu erreichen.

4 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.