Urteil vom 28.09.2004 -
BVerwG 1 C 10.03ECLI:DE:BVerwG:2004:280904U1C10.03.0
Leitsätze:
1. Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG darf einem Ausländer dann nicht unter Berufung auf den Ausweisungsgrund nach § 46 Nr. 6 AuslG mit der Begründung versagt werden, dass seine in Deutschland lebenden Eltern Sozialhilfe beziehen, wenn die Eltern ein eigenes Aufenthaltsrecht besitzen, das vom Aufenthaltsstatus des Sohnes unabhängig ist.
2. Der Senat lässt offen, ob die Bindung des Revisionsgerichts an die Zulassung der Sprungrevision ausnahmsweise entfallen oder die Zulassung unwirksam sein kann, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist (unter Bezugnahme auf das Urteil vom 29. Juli 2004 - BVerwG 5 C 65.03 -)
-
Rechtsquellen
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2 AuslG § 24 Abs. 1; § 35; § 46 Nr. 6 VwGO § 6, § 134 -
Instanzenzug
VG Hannover - 03.03.2003 - AZ: VG 4 A 5570/02
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 28.09.2004 - 1 C 10.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:280904U1C10.03.0]
Urteil
BVerwG 1 C 10.03
- VG Hannover - 03.03.2003 - AZ: VG 4 A 5570/02
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und H u n d ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
für Recht erkannt:
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 3. März 2003 aufgehoben.
- Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
- Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
I
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
Der 1982 in Teheran geborene Kläger ist ebenso wie seine Eltern iranischer Staatsangehöriger. Er reiste im März 1988 zunächst nur mit seiner Mutter in das Bundesgebiet ein und beantragte - erfolglos - Asyl. Im Dezember 1990 erhielt der Kläger eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis, die nach In-Kraft-Treten des neuen Ausländerrechts ab 1. Januar 1991 als Aufenthaltsbefugnis fortgalt. Die Aufenthaltsbefugnis wurde in der Folgezeit bis zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ununterbrochen - jeweils auf der Grundlage einer niedersächsischen "Bleiberechtsregelung" - verlängert, zuletzt durch Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2001 bis 18. Juli 2003.
Im Mai und Juni 2001 beantragte der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juli 2002 ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Eltern des Klägers, denen er nach § 1601 BGB zum Unterhalt verpflichtet sei, Sozialhilfe in Anspruch nähmen. Hierin liege ein Versagungsgrund nach § 35 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 46 Nr. 6 AuslG. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, der erst während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beschieden und als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Mit Urteil vom 3. März 2003 hat das Verwaltungsgericht durch den Einzelrichter die im November 2002 erhobene Untätigkeitsklage abgewiesen und die Berufung sowie die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen. Zur Begründung hat sich das Verwaltungsgericht auf die wörtlich wiedergegebenen Gründe einer Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (richtig: vom 19. September 2000) - OVG 10 L 1680/00 - bezogen, die auf den vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden seien. Danach scheitere die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1, § 24 Abs. 1 Nr. 6, § 46 Nr. 6 AuslG am Sozialhilfebezug der Eltern. Die an Sinn und Zweck sowie an der Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung des § 46 Nr. 6 AuslG ergebe, dass trotz der sprachlich missglückten Formulierung sowohl der Hilfeempfänger selbst als auch der Unterhaltsverpflichtete im Falle der Inanspruchnahme von Sozialhilfe ausgewiesen werden könnten. Die Bestimmung diene den fiskalischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Ob eine Unterhaltspflicht bestehe, sei nach deutschem Recht zu beurteilen. Obwohl die Unterhaltspflicht bei mangelnder Leistungsfähigkeit im Einzelfall nach § 1603 Abs. 1 BGB entfalle, ändere dies nichts am Vorliegen eines Ausweisungsgrundes. § 46 Nr. 6 AuslG stelle auf die allgemeine Unterhaltspflichtigkeit ab. Liege danach mit dem Sozialhilfebezug der Eltern ein Ausweisungsgrund vor, komme es nicht darauf an, ob der Ausländer deswegen auch tatsächlich (konkret) rechtsfehlerfrei ausgewiesen werden könnte. Denn für die unbefristete Aufenthaltserlaubnis sei allein maßgeblich, ob ein (abstrakter) Ausweisungsgrund vorliege. Ob der Sozialhilfebezug eines deutschen Familienangehörigen unter Umständen anders bewertet werden müsse, sei nicht entscheidungserheblich.
Der Kläger hat die vom Einzelrichter zugelassene Sprungrevision mit Zustimmung der Beklagten eingelegt und verfolgt damit sein Begehren auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis weiter. Zur Begründung macht er weiterhin vor allem geltend, es könne nicht richtig sein, dass junge Ausländer, deren Eltern Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssten, nur dann Aussicht auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis hätten, wenn sie entweder selbst Großverdiener seien und ihre Eltern unterhalten könnten oder wenn die Eltern verstorben seien.
Die Beklagte beruft sich auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils und weist noch darauf hin, dass die von ihr befürwortete strikte Anwendung des Gesetzes einen sinnvollen Druck auf die Vermeidung von Sozialhilfebezug ausübe.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und hält in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium des Innern die Revision für unbegründet. § 24 Abs. 1 Nr. 6 AuslG stelle nur auf das abstrakte Vorliegen eines Ausweisungsgrundes in der Person des betroffenen Ausländers ab. Diese Auslegung sei zweckgerecht. Denn an die Verleihung eines besseren Aufenthaltsstatus müssten andere Anforderungen gestellt werden als an den Entzug einer bestehenden Rechtsposition, die die Abwägung mit Bestands- und Vertrauensschutzgesichtspunkten erfordere. Dass bei der Auslegung der entsprechenden Bestimmungen die Kinder gewissermaßen aufenthaltsrechtlich für ihre Eltern haften würden, sei sachgerecht. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch betrachte unterhaltsrechtlich Eltern und Kinder als eine wirtschaftliche Beistandsgemeinschaft.
II
1. Die Revision ist zulässig.
Sie ist unter Beachtung der besonderen Vorschriften für die Sprungrevision (§ 134 VwGO) form- und fristgerecht mit Zustimmung der Beklagten eingelegt und begründet worden. Zulässigkeitsbedenken ergeben sich im Ergebnis auch nicht daraus, dass die Sprungrevision vom Einzelrichter nach § 6 VwGO zugelassen worden ist. Allerdings lässt der Senat offen, ob die nach § 134 Abs. 2 Satz 2 VwGO in aller Regel zwingende Bindung des Revisionsgerichts an die Zulassungsentscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 134 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausnahmsweise entfallen oder eine Revisionszulassung unwirksam sein kann, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG - d.h. in manipulativer oder objektiv willkürlicher Missachtung der einschlägigen Bestimmungen - ergangen ist (zur Aufhebung und Zurückverweisung von Amts wegen in Fällen einer objektiv willkürlichen Einzelrichterzulassung nach §§ 568, 574 ZPO vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02 -, BGHZ 154, 200). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Zulassung der Berufung oder Sprungrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung durch den Einzelrichter beim Verwaltungsgericht verletzt namentlich nicht schon deshalb Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil der Einzelrichter einerseits nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur mit einer Rechtssache befasst werden darf, die keine grundsätzliche Bedeutung hat und nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen kann, während andererseits die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und der Sprungrevision nach § 134 Abs. 2 Satz 1, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO voraussetzt, dass die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. im Einzelnen das Urteil vom 29. Juli 2004 - BVerwG 5 C 65.03 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, m.w.N.; zur Unzulässigkeit von Vorlagen des Einzelrichters nach Art. 100 Abs. 1 GG vgl. aber BVerfG, Kammer-Beschluss vom 5. August 1998 - 1 BvL 23/97 - NJW 1999, 274). Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO die Entscheidung des Einzelrichters in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung nicht stets ausgeschlossen und eine Rückübertragung auf die Kammer sogar nur zugelassen hat, wenn sich die grundsätzliche Bedeutung erst im Verlauf des Verfahrens aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt (Urteil vom 29. Juli 2004 a.a.O. unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 286/02 -, MDR 2004, 49 = NJW 2003, 2900 zu dem mit § 6 Abs. 3 VwGO vergleichbaren § 526 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). An diese Bestimmungen hat sich das Verwaltungsgericht im vorliegenden Ausgangsverfahren gehalten. Ob bereits zum Zeitpunkt der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter nach § 6 Abs. 1 VwGO die grundsätzliche Bedeutung der Sache erkennbar war, kann dahinstehen; Anhaltspunkte für eine willkürliche Übertragung sind jedenfalls nicht ersichtlich. Die Entscheidung des Einzelrichters gegen eine Rückübertragung auf die Kammer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO und für die Zulassung der Sprungrevision, nachdem die Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hatte, dass das Bundesverwaltungsgericht bereits früher die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung in einem vergleichbaren Verfahren zugelassen hatte, war auch nicht ermessensfehlerhaft, geschweige denn willkürlich. Der Einzelrichter wollte offenbar - wie die vollständige Bezugnahme in den Entscheidungsgründen auf das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. September 2000 (OVG 10 L 1680/00), gegen das der Senat die später nicht durchgeführte Revision zugelassen hatte, zeigt - nur erreichen, dass die seinerzeit unentschieden gebliebene Rechtsfrage nunmehr vom Bundesverwaltungsgericht alsbald rechtsgrundsätzlich geklärt wird. Unter diesen Umständen ist die Zulassung der Sprungrevision durch den Einzelrichter nicht zu beanstanden.
2. Die Revision ist - mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Bescheidungsantrag (§ 113 Abs. 5 VwGO) - auch begründet.
Das Verwaltungsgericht hat mit seiner Annahme, der Sozialhilfebezug der Eltern des Klägers stehe der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis an ihn entgegen, Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der auf Neubescheidung gerichteten Klage kann hierauf nicht gestützt werden. Der Senat kann über das Begehren des Klägers indes nicht abschließend entscheiden, da das Verwaltungsgericht bisher - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob alle weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für die im Ermessen der Beklagten stehende Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG erfüllt sind. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 AuslG kann die Ausländerbehörde einem Ausländer, der seit acht Jahren eine Aufenthaltsbefugnis besitzt und dessen Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder aus eigenem Vermögen gesichert ist, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilen, wenn zusätzlich die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 AuslG vorliegen, d.h. der Ausländer als Arbeitnehmer eine Arbeitsberechtigung besitzt (Nr. 2), er im Besitz der sonstigen für eine dauernde Ausübung seiner Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnisse ist (Nr. 3), er sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann (Nr. 4), über ausreichenden Wohnraum verfügt (Nr. 5) und wenn kein Ausweisungsgrund vorliegt (Nr. 6). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz seit deutlich mehr als acht Jahren im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis gewesen. Die Beklagte hat bislang die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis stets mit der Begründung abgelehnt, der Kläger müsse sich den (unstreitigen) Sozialhilfebezug seiner Eltern als Ausweisungs- und Versagungsgrund nach § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 6, §§ 45, 46 Nr. 6 AuslG entgegenhalten lassen (a). Nur damit hat sich das Verwaltungsgericht auseinander gesetzt. Hingegen ist bisher nicht geprüft, ob der Kläger den weiteren Anforderungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 AuslG genügt (b).
a) Ein Ausweisungsgrund im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1 Nr. 6 AuslG liegt nach dem Grund- und Auffangtatbestand des § 45 Abs. 1 AuslG vor, wenn der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Nach § 46 Nr. 6 AuslG ist das insbesondere auch der Fall, wenn der Ausländer für sich, seine Familienangehörigen, die sich im Bundesgebiet aufhalten und denen er allgemein zum Unterhalt verpflichtet ist, oder für Personen in seinem Haushalt, für die er Unterhalt getragen oder auf Grund einer Zusage zu tragen hat, Sozialhilfe in Anspruch nimmt oder in Anspruch nehmen muss. Der Ausweisungsgrund in der Funktion eines Versagungsgrundes, der die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung (hier: einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis) grundsätzlich ausschließt, muss dabei nur gleichsam abstrakt - d.h. nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen - vorliegen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Ausländer wegen des festgestellten Ausweisungsgrundes im Einzelfall auch (konkret) rechtsfehlerfrei ausgewiesen werden könnte (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 24. Juni 1997 - BVerwG 1 B 122.97 - <juris>; Urteile vom 27. August 1996 - BVerwG 1 C 8.94 - BVerwGE 102, 12 <17> und vom 16. Juli 2002 - BVerwG 1 C 8.02 - BVerwGE 116, 378 <385>, vgl. auch Renner AuslR, 7. Aufl. 1999, § 7 AuslG Rn. 13 ff. <15> ). Denn mit dem Verweis auf Ausweisungsgründe nach §§ 45 ff. AuslG sollen die öffentlichen Interessen bereits bei der Aufenthaltsgewährung (vgl. etwa § 7 Abs. 2 Nr. 1, § 16 Abs. 3 Nr. 2, § 17 Abs. 5, § 19 Abs. 3 AuslG) und Aufenthaltsverfestigung (vgl. auch § 27 Abs. 2 Nr. 5 AuslG) vorbeugend und in weiterem Umfang als bei der Aufenthaltsbeendigung durch Ausweisung zur Geltung gebracht werden. Daran ist festzuhalten.
Allerdings sind bei der Auslegung und Anwendung des Ausweisungsgrundes des Sozialhilfebezugs von Angehörigen gemäß § 46 Nr. 6 AuslG als Erlaubnisversagungsgrund die Ziele zu berücksichtigen, welche der Gesetzgeber hiermit verfolgt. Die Vorschrift dient allgemein und in erster Linie fiskalischen Interessen. Sie soll, soweit sie einer Aufenthaltsgenehmigung und Aufenthaltsverfestigung entgegensteht, die Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu Lasten der Allgemeinheit verhindern und im Falle der Ausweisung beenden. Mit diesem Regelungsgehalt steht die Verweisung auf § 46 Nr. 6 AuslG in einem Spannungsverhältnis zu dem humanitären Begünstigungszweck, den § 35 Abs. 1 AuslG nach der Gesetzesbegründung verfolgt. Die Vorschrift soll danach zwar "denjenigen Ausländern die Möglichkeit zur Erlangung eines rechtlich gesicherten Daueraufenthalts ... eröffnen, deren Aufenthaltsbeendigung seit Jahren aus humanitären, rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist" (BTDrucks 11/6321, S. 68). Ihnen soll diese Vergünstigung aber nur zugute kommen, wenn sie die weiteren gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen und damit zugleich keine "geringeren Integrationsanforderungen" erfüllen als andere Ausländer, die einen rechtlich gesicherten Daueraufenthalt anstreben (vgl. BTDrucks 11/6321, a.a.O.). Die Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere die Mindestdauer eines legalen Aufenthalts von acht Jahren und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts des Ausländers nach § 35 Abs. 1 Satz 1 AuslG, stellen ferner Indikatoren für eine "bereits tatsächlich vollzogene Integration" dar, welche die Aufenthaltsverfestigung nach § 35 AuslG "lediglich ... auch ausländerrechtlich nachvollzieht" (vgl. BTDrucks 11/6321, a.a.O.). Mit der Bezugnahme auf § 24 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 AuslG wird ferner sichergestellt, dass für die humanitäre Aufenthaltsverfestigung nach § 35 AuslG insgesamt keine geringeren (Integrations-) Bedingungen gelten als für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AuslG.
Danach reicht es für die begehrte Aufenthaltsverfestigung - entgegen der Ansicht der Revision - allein nicht aus, dass der Kläger für sich selbst keine Sozialhilfe in Anspruch nimmt und - was bisher allerdings nicht abschließend geprüft worden ist - darüber hinaus sein Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert ist (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AuslG; vgl. auch § 24 Abs. 2 AuslG). Er muss vielmehr nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich auch dafür einstehen, dass seine Familienangehörigen, denen er zum Unterhalt verpflichtet ist, keine Sozialhilfe beziehen, um den Lebensunterhalt in Deutschland zu bestreiten. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass § 46 Nr. 6 AuslG trotz seines unscharfen Wortlauts (Inanspruchnahme von Sozialhilfe "für ... seine Familienangehörigen") nicht anders ausgelegt und verstanden werden kann (vgl. Hailbronner, AuslR, § 46 AuslG Rn. 59; Renner, a.a.O. § 46 AuslG Rn. 41 f.;
Vormeier in: GK-AuslR, § 46 AuslG Rn. 118).
Der Ausländer "haftet" nach dieser Bestimmung jedoch ausländerrechtlich für seine Familienangehörigen, zu denen die Eltern gehören, nicht voraussetzungslos und unbeschränkt. Das gilt auch, soweit § 46 Nr. 6 AuslG nicht als Ermächtigung für eine Ausweisung, sondern als Versagungsgrund für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis - hier nach § 35 Abs. 1 AuslG - anzuwenden ist. So rechnet § 46 Nr. 6 AuslG den Sozialhilfebezug von Familienangehörigen dem Ausländer nur dann zu, wenn er ihnen zum Unterhalt verpflichtet ist, d.h. wenn er ihnen nach dem anzuwendenden Recht Unterhalt schuldet. Das hat das Verwaltungsgericht durch seine vollständige Bezugnahme auf die Gründe der zitierten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, welche eine libanesische Staatsangehörige betraf, angenommen und für den aus dem Iran stammenden Kläger nicht mehr selbständig überprüft. Mit dieser Annahme verletzt die Entscheidung Bundesrecht, weil für den Kläger als iranischen Staatsangehörigen nicht - wie etwa für libanesische Staatsangehörige - nach Art. 18 Abs. 1 EGBGB, Art. 4 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen anzuwendende Recht (vom 2. Oktober 1973, BGBl 1986 II, 837) deutsches Unterhaltsrecht anwendbar ist. Vielmehr ist die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber seinen in Deutschland lebenden Eltern nach iranischem Recht zu bestimmen. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB i.V.m. Art. 8 Abs. 3 des Deutsch-Iranischen Niederlassungsabkommens (Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17. Februar 1929, RGBl 1930 II, 1002, 1006 und 1931 II, 9), das nach wie vor in Geltung ist (vgl. die Bekanntmachung über die deutsch-iranischen Vorkriegsverträge vom 15. August 1955, BGBl 1955 II, 829; vgl. ferner etwa Hohloch in: Erman, BGB, 10. Aufl. 2000, Art. 18 EGBGB Rn. 3 ff., 6 und Schotten/Wittkowski, Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen im Familien- und Erbrecht, FamRZ 1995, 264 ff.). Ob der Kläger seinen Eltern nach iranischem Recht unterhaltspflichtig ist, ist nicht festgestellt. Dieser Fehler des angegriffenen Urteils wirkt sich auf die Revisionsentscheidung jedoch nicht aus. Er würde eine Zurückverweisung nur gebieten, wenn der Sozialhilfebezug der Eltern - eine Unterhaltspflicht des Klägers nach iranischem Recht unterstellt - der Erteilung der begehrten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis entgegenstünde. Das ist aber nicht der Fall. Die Versagung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 6, § 46 Nr. 6 AuslG hängt nämlich zusätzlich auch davon ab, dass der Sozialhilfebezug von unterhaltsberechtigten Familienangehörigen den mit dem abstrakten Versagungsgrund verbundenen Regelungszweck überhaupt berührt.
Das kommt nur in Betracht, wenn die begehrte Aufenthaltsverfestigung auch tatsächlich die mit dem Versagungsgrund geschützten fiskalischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Das ist zwar regelmäßig und typischerweise dann der Fall, wenn der Ehegatte und die minderjährigen ledigen Kinder des Ausländers Sozialhilfe beziehen, weil deren aufenthaltsrechtlicher Status mit dem Aufenthaltsrecht des Vaters und Ehemanns zusammenhängt und nach § 35 Abs. 2 AuslG verfestigt wird, falls diesem eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 Satz 1 AuslG erteilt wird. Eine in diesen Fällen mit Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG notwendigerweise verbundene "Verfestigung" auch des Sozialhilfebezugs der Familienangehörigen widerspricht den öffentlichen Interessen an der Vermeidung der Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu Lasten der Allgemeinheit und steht deshalb der Gewährung eines humanitären Daueraufenthaltsrechts nach § 35 Abs. 1 AuslG entgegen. Dasselbe muss für alle weiteren Fallkonstellationen gelten, in denen die Aufenthaltsverfestigung für den Antragsteller zugleich Auswirkungen auf die Aufenthaltsrechte von Familienangehörigen (etwa nach § 17 Abs. 2, § 22 AuslG) und anderen Personen hat, deren Sozialhilfebezug sich der Ausländer nach § 46 Nr. 6 AuslG im Sinne eines abstrakten Versagungsgrundes entgegenhalten lassen muss. In allen anderen Fällen jedoch, in denen der aufenthaltsrechtliche Status dieses Personenkreises - und damit auch der den ausländerrechtlichen Anforderungen zuwiderlaufende Sozialhilfebezug - von der Rechtstellung des antragstellenden Ausländers unabhängig ist, werden die durch § 46 Nr. 6 AuslG geschützten fiskalischen Interessen durch die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG tatsächlich nicht nachteilig betroffen. Das gilt beispielsweise auch, wenn ein deutscher Familienangehöriger des Ausländers Sozialhilfe bezieht (vgl. zutreffend VG Düsseldorf, InfAuslR 1993, 344 und Vormeier, a.a.O., Rn. 119). Unter solchen Umständen kann der nach dem Wortlaut des § 46 Nr. 6 AuslG im Einzelfall vorliegende "Ausweisungsgrund" des Sozialhilfebezugs in seiner Funktion als Versagungsgrund einer Aufenthaltsverfestigung nach § 35 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1 Nr. 6 AuslG nicht entgegenstehen.
Nach dieser teleologischen Auslegung des abstrakten Versagungsgrundes der Inanspruchnahme von Sozialhilfe nach § 35 Abs. 1, § 24 Abs. 1 Nr. 6, § 46 Nr. 6 AuslG ist der Sozialhilfebezug der Eltern des Klägers hier nicht geeignet, die Versagung der von ihm begehrten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zu rechtfertigen. Denn die Eltern des Klägers leiten ihren Aufenthaltsstatus in keiner Weise vom Kläger ab. Eine dem Kläger erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 35 AuslG hätte weder auf das Aufenthaltsrecht seiner Eltern noch auf deren Sozialhilfebezug eine rechtlich oder tatsächlich erhebliche Rückwirkung. Mit der Versagung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis lässt sich die Inanspruchnahme von Sozialhilfe durch die Eltern des Klägers weder vermeiden noch beenden.
Soweit die Beklagte hierzu der Sache nach einwendet, die (drohende) Versagung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis könne dem Ziel der Vermeidung von Soziallasten mittelbar dadurch dienen, dass der in § 46 Nr. 6 genannte Personenkreis im Interesse des antragstellenden Ausländers faktisch von der Inanspruchnahme von Sozialleistungen absehen könne, entspricht dies nicht dem gesetzlichen Regelungszweck. Ebenso wenig ist erkennbar, dass der Gesetzgeber - wie der Vertreter des Bundesinteresses geltend macht - dem Ausländer bei der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG eine unbeschränkte aufenthaltsrechtliche "Haftung" (hier: des Sohnes für seine Eltern) im Hinblick darauf aufbürden wollte, dass Eltern und Kinder nach deutschem Unterhaltsrecht als eine wirtschaftliche Beistandsgemeinschaft betrachtet werden. Beides widerspräche den humanitären Absichten des Gesetzgebers, solchen Ausländern einen rechtlich gesicherten Daueraufenthalt zu ermöglichen, die sich seit langem hier aufhalten und die sich selbst in das wirtschaftliche und soziale Leben integriert haben.
b) Das Verwaltungsgericht hat bisher nicht geprüft und keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 Satz 1 AuslG (die bereits erwähnte spezielle Anforderung der Sicherung des Lebensunterhalts aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen) und nach § 24 Abs. 2 Nrn. 2 bis 5 AuslG erfüllt. Dem Bundesverwaltungsgericht ist es verwehrt, hierzu eigene Feststellungen zu treffen (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Diese wird das Verwaltungsgericht nunmehr nachzuholen haben.
Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten.