Urteil vom 26.06.2013 -
BVerwG 6 C 1.12ECLI:DE:BVerwG:2013:260613U6C1.12.0
Leitsätze:
1. Betreiber gewerblich errichteter und genutzter Antennenträger können nicht verpflichtet werden, auf einem von ihnen betriebenen Funkturm die Anbringung einer Funkanlage zur Alarmierung von Rettungsdienst und Feuerwehr ohne Entschädigung zu dulden.
2. Eine entschädigungslose Inanspruchnahme ihres Eigentums und ihrer beruflichen Leistung griffe unverhältnismäßig in die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit und das Eigentum ein.
3. Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung erfasst die hier herangezogene Vorschrift des Feuerschutzgesetzes nicht Eigentümer und Besitzer gewerblich errichteter und betriebener Antennenträger.
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Rechtsquellen
GG Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 NW FSHG § 28 -
Instanzenzug
VG Münster - 14.08.2009 - AZ: VG 1 K 680/08
OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 29.12.2011 - AZ: OVG 5 A 2012/09
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 26.06.2013 - 6 C 1.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:260613U6C1.12.0]
Urteil
BVerwG 6 C 1.12
- VG Münster - 14.08.2009 - AZ: VG 1 K 680/08
- OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 29.12.2011 - AZ: OVG 5 A 2012/09
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich, Dr. Möller und
Prof. Dr. Hecker
für Recht erkannt:
- Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Verwaltungsgerichts Münster vom 14. August 2009 und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Dezember 2011 geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 13. August 2007 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 4. März 2008 werden aufgehoben.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I
1 Die Klägerin wendet sich gegen eine feuerwehrrechtliche Verfügung, mit der der Beklagte sie verpflichtete, den weiteren Betrieb einer Funkanlage auf ihrem Funkturm unentgeltlich zu dulden.
2 Die Klägerin errichtet und betreibt Funktürme, Antennenträger und ähnliche Anlagen der Funkinfrastruktur, die sie an Mobilfunkanbieter, Rundfunk- und Fernsehsender sowie andere Nutzer wie beispielsweise Polizei- und Feuerwehrbehörden vermietet. Einer dieser Funktürme steht im Gebiet des beklagten Kreises (Gemeinde Sendenhorst). Auf ihm ist u.a. eine Gleichwellenfunkanlage für den Feuerschutz und Rettungsdienst installiert, die der Beklagte im Jahre 2000 errichtete und seitdem betreibt. Rechtliche Grundlage für diese Nutzung des Funkturms war ursprünglich ein zivilrechtlicher Vertrag, mit dem die Rechtsvorgängerin der Klägerin dem Beklagten gestattete, die Anlage auf einer der Plattformen des Turms gegen Zahlung eines jährlichen Entgelts in Höhe von 3 000 DM (1 533,88 €) zu errichten, zu betreiben und bereitzuhalten.
3 Mit Schreiben vom 16. August 2006 kündigte der Beklagte diesen Vertrag zum 30. September 2007 und stellte mit Bescheid vom 13. August 2007 fest, dass die Klägerin verpflichtet sei, die Errichtung der Gleichwellenfunkanlage ab dem 1. Oktober 2007 ohne Entschädigung zu dulden. Zur Begründung berief er sich auf die Vorschrift des § 28 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG NRW), nach der Eigentümer und Besitzer von Gebäuden und Grundstücken verpflichtet sind, die Anbringung von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen ohne Entschädigung zu dulden. Die Klägerin hat erfolglos Widerspruch und Klage erhoben (Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 4. März 2008 und Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 14. August 2009). Auch ihre Berufung blieb ohne Erfolg. Zur Begründung der Berufungszurückweisung hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 29. Dezember 2011 ausgeführt:
4 Bei § 28 Abs. 1 FSHG NRW handle es sich um eine verfassungsgemäße Ermächtigungsgrundlage. Zwar greife die Vorschrift in die der Klägerin zustehenden Grundrechte der Berufsausübungs- und Eigentumsfreiheit ein. Diese Eingriffe seien jedoch durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Vorschrift sichere die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr und diene damit einem Gemeinwohlgut von überragendem Rang. Für die Klägerin sei es auch zumutbar, die Einschränkung ihrer Grundrechte ohne Entschädigung hinzunehmen. Entscheidend sei, dass das Gesetz das Abwälzen von Einnahmeausfällen auf andere Nutzer nicht verhindere. Eine Existenzgefährdung gehe mit der auferlegten Duldungspflicht nicht einher. Da nur einzelne Sendeplätze belegt würden, führe die Maßnahme auch nicht zu einer Verdrängung zahlender Interessenten.
5 Der Beklagte habe § 28 Abs. 1 FSHG NRW im Streitfall rechtsfehlerfrei angewendet. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Insbesondere handle es sich bei der Gleichwellenfunkanlage um eine Alarmeinrichtung im Sinne dieser Vorschrift. Eine solche Alarmeinrichtung liege auch dann vor, wenn eine Anlage - wie die streitgegenständliche Gleichwellenfunkanlage - neben der Alarmierung der Einsatzkräfte der Abwicklung des regulären Funkverkehrs zwischen der Leitstelle und den Einsatzkräften diene. Die Maßnahme sei frei von Ermessensfehlern. Der Beklagte habe den Standort nach sachgerechten Kriterien ausgewählt. Die Duldungsverfügung sei für die Klägerin auch zumutbar. Mit Blick auf die geringe in Anspruch genommene Fläche sei nichts dafür ersichtlich, dass eine ausbleibende finanzielle Entschädigung für die Klägerin unzumutbar wäre. Dies gelte jedenfalls für den vorliegenden Einzelfall des Funkturms in Sendenhorst. Ob die Inanspruchnahme weiterer Standorte für die Klägerin zumutbar sei, müsse einer gesonderten Prüfung in diesen Fällen vorbehalten bleiben. Die Klägerin könne nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Duldungsverfügung ihr Geschäftsmodell gefährde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne den durch öffentliche Lasten und Pflichten betroffenen Unternehmen zugemutet werden, rentabilitätsmindernde Auswirkungen der Belastung durch geeignete betriebswirtschaftliche Maßnahmen so gering wie möglich zu halten. Im Übrigen müsse die Klägerin ohnehin jederzeit mit einer Inanspruchnahme nach § 28 Abs. 1 FSHG NRW rechnen.
6 Zur Begründung ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin u.a. ausgeführt, die Duldungsverfügung greife in ihre Berufsfreiheit ein. Sie erbringe die Vermietung von Sendeplätzen auf Funktürmen als marktübliche berufliche Leistung und könne sich deshalb insoweit auf die Berufsfreiheit berufen. In diese Freiheit greife der Beklagte dadurch ein, dass er ihre Leistungen ohne Zahlung einer entsprechenden Vergütung okkupiere. Der Eingriff in ihre Berufsfreiheit liege nicht darin, dass sie die angebrachte Anlage auf ihrem Funkturm dulden müsse, sondern darin, dass sich der Beklagte seiner zivilrechtlichen Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Gegenleistung durch hoheitlichen Zwang entledige und ihr damit eine marktgerechte Vergütung für die Nutzung ihrer beruflich vermarkteten Infrastruktur verweigere.
7 Dieser Zugriff sei nicht durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Der Brandschutz sei zwar eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen habe der Staat aber grundsätzlich über Steuern zu finanzieren. Nehme er stattdessen berufliche Leistungen Privater in Anspruch, sei dies in der Regel nur gerechtfertigt, wenn er ihnen eine Kompensation in Form einer angemessenen Vergütung gewähre.
8 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lasse sich der Eingriff in ihre Berufsfreiheit nicht damit rechtfertigen, dass sie eine besondere Sachnähe zu der öffentlichen Aufgabe des Brandschutzes habe.
9 Der angefochtene Bescheid sei mit Ermessensfehlern behaftet. Der Erlass einer Duldungsverfügung sei nicht erforderlich gewesen, weil der Beklagte bereits auf der Grundlage des vorhandenen Mietvertrages zur Nutzung eines Sendeplatzes auf ihrem Funkturm berechtigt gewesen sei.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Verwaltungsgerichts Münster vom 14. August 2009 und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Dezember 2011 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 13. August 2007 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 4. März 2008 aufzuheben.
11
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
12 Er verteidigt das angefochtene Urteil.
II
13 Die Revision ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht. Die Auslegung des § 28 Abs. 1 FSHG NRW durch das Oberverwaltungsgericht ist mit Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung erfasst § 28 Abs. 1 FSHG NRW nicht Eigentümer und Besitzer gewerblich errichteter und betriebener Antennenträger. Der Beklagte durfte deshalb seine Duldungsverfügung im Falle der Klägerin nicht auf diese Vorschrift als Ermächtigungsgrundlage stützen. Das Oberverwaltungsgericht hätte die Duldungsverfügung daher auf die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin als rechtswidrig aufheben müssen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
14 Der Beklagte hat als Ermächtigungsgrundlage für seine Duldungsverfügung § 28 Abs. 1 FSHG NRW herangezogen. Nach dieser Vorschrift sind Eigentümer und Besitzer von Gebäuden und Grundstücken verpflichtet, die Brandschau und die Anbringung von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen sowie von Hinweisschildern zur Gefahrenbekämpfung ohne Entschädigung zu dulden.
15 Nach der für das Revisionsgericht bindenden Feststellung im Berufungsurteil handelt es sich bei der im Tatbestand beschriebenen Gleichwellenfunkanlage des Beklagten allerdings um eine Alarmeinrichtung im Sinne der Vorschrift. Hierunter sind technische Einrichtungen zu verstehen, die eine Alarmierung der Feuerwehr ermöglichen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Feuerwehr durch die Bevölkerung alarmiert werden soll oder ob - wie hier - Angehörige der Feuerwehr durch die Leitstelle alarmiert werden sollen.
16 Unter Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Gebäuden im Sinne des § 28 Abs. 1 FSHG NRW fallen jedoch nicht Eigentümer und Besitzer gewerblich errichteter und betriebener Antennenträger. Eine entschädigungslose Inanspruchnahme ihres Eigentums und ihrer beruflichen Leistung griffe unverhältnismäßig in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum und die Berufsfreiheit ein.
17 1. a) Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit der Klägerin an dem mit dem Funkturm bestandenen Grundstück aus § 1090 BGB stellt eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte eigentumsähnliche Rechtsposition dar.
18 b) Bei § 28 Abs. 1 FSHG NRW handelt es sich um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die anhand von Art. 14 Abs. 1 GG und nicht nach Art. 14 Abs. 3 GG zu beurteilen ist, denn die Regelung entzieht keine konkreten Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben, sondern beschränkt generell und abstrakt die Nutzungsmöglichkeiten eines zur Anbringung von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen geeigneten Gebäudes.
19 c) Der Gesetzgeber muss bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Er muss sich dabei im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten; insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Der Kernbereich der Eigentumsgarantie darf dabei nicht ausgehöhlt werden. Zu diesem gehört sowohl die Privatnützigkeit, also die Zuordnung des Eigentumsobjekts zu einem Rechtsträger, dem es als Grundlage privater Initiative von Nutzen sein soll, als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand (vgl. BVerfGE 70, 191 <200>; 79, 174 <198>; 87, 114 <138 f.>; 91, 294 <308>). Der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers sind unterschiedliche Schranken gezogen. Soweit das Eigentum die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich sichert, genießt es einen besonders ausgeprägten Schutz (vgl. BVerfGE 42, 263 <294>; 50, 290 <340>; 70, 191 <201>; 95, 64 <84>). Demgegenüber ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers umso größer, je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts ist; hierfür sind dessen Eigenart und Funktion von entscheidender Bedeutung (vgl. BVerfGE 53, 257 <292>). Begrenzungen der Eigentümerbefugnisse sind in diesem Rahmen als Ausfluss der Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Überschreitet der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die dargelegten Grenzen, so ist die gesetzliche Regelung unwirksam (BVerfGE 52, 1 <27 f.>), hierauf gestützte Beschränkungen oder Belastungen sind rechtswidrig und können im Wege des Primärrechtsschutzes abgewehrt werden. Zu einem Entschädigungsanspruch führen sie von Verfassungs wegen nicht (vgl. BVerfGE 100, 226 Rn. 76 ff.).
20 aa) Gemessen hieran begegnet § 28 Abs. 1 FSHG NRW im Allgemeinen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschrift dient mit dem Brandschutz und dem Rettungsdienst Gemeingütern von hohem Rang. Die Anbringung von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen stellt einen geeigneten und erforderlichen Beitrag zur Brandbekämpfung und zur Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes dar. Die Verpflichtung der Eigentümer und Besitzer von hierfür geeigneten Grundstücken und Gebäuden, die Anbringung solcher Anlagen zu dulden, belastet sie in der Regel nicht unzumutbar.
21 Dem öffentlichen Interesse an der Alarmierung zur Brandbekämpfung kann nur durch Inpflichtnahme des Eigentümers von Grundstücken und Gebäuden in geeigneter Lage genügt werden, deren Eigentum daher einer gesteigerten Sozialbindung unterliegt. Sie ergibt sich aus der Situationsgebundenheit, hier der Lage und Beschaffenheit des Grundstücks (vgl. BVerwGE 94, 1 <4>; BGHZ 105, 15 <18> jeweils m.w.N.; BayObLG, BayVBl 1999, S. 251 <252>). Durch die Verpflichtung zur Anbringung einer Feuermeldeanlage wird die bestehende Nutzung eines Grundstücks oder Gebäudes nicht wesentlich eingeschränkt. Regelmäßig wird dem Eigentümer und Besitzer aufgrund des Feuerschutzgesetzes lediglich eine zusätzliche, von ihm bislang nicht aktualisierte und als wirtschaftlich unergiebig betrachtete Nutzung (zum Beispiel des Daches seines Hauses für die Anbringung einer Feuersirene) aufgezwungen.
22 bb) Gegenüber Eigentümern und Besitzern gewerblich errichteter und genutzter Antennenträger erweist sich eine entschädigungslose Inanspruchnahme hingegen als nicht verhältnismäßige Beschränkung ihres Eigentums.
23 Bei gewerblichen Betreibern von Antennenträgern wird gerade auf die Nutzung zugegriffen, die der Betreiber bei der Errichtung seiner Anlage im Auge hatte, in die er zielgerichtet investiert hat und die er als Basis seiner geschäftlichen Aktivität verwendet.
24 Mit ihrer Verpflichtung nimmt die Behörde ein kommerzialisiertes, marktgängiges Gut in Anspruch, das anderen - so bislang auch der Beklagten selbst - nur gegen Entrichtung eines frei ausgehandelten Entgelts zur Verfügung steht.
25 Dieser Umstand wird dadurch verstärkt, dass die Klägerin gerade die Bedienung von öffentlichen Nachfragern zu ihrem Geschäftsfeld gemacht hat. Funktional verhält sich ihr Angebot beispielsweise an Sicherheitsbehörden wie die Auslagerung vormals öffentlich-rechtlich betriebener Infrastrukturen in den privaten Bereich. Diese Tätigkeit dürfen die Nachfrager nicht wie einen fortbestehenden Teil von öffentlicher Infrastruktur behandeln. Sie steht vielmehr wie die sonstigen Angebote von Waren und Dienstleistungen im privaten Sektor auch unter dem Schutz der Eigentums- und Vermögensordnung. Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die vom Beklagten eingenommene Rechtsposition gegenüber ihrem Eigentum zu einem massiven geschäftlichen Einbruch führen würde, weil sie sich dann entsprechenden - entschädigungslosen - Inanspruchnahmen durch eine Vielzahl von Feuerwehren, Polizeidienststellen usw. ausgesetzt sehen würde. Deshalb handelt es sich bei dem Ausmaß des ihr drohenden Eingriffs - in der zu erwartenden Summe - auch nicht um vernachlässigungsfähige Geringwertigkeiten, sondern um beachtliche Beeinträchtigungen ihrer Eigentümerposition, die unverhältnismäßig und damit unzumutbar ist.
26 cc) Der staatliche Zugriff wäre nur zumutbar, wenn er einen Ausgleich erhielte, den das Gesetz hier gerade nicht vorsieht. Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die für sich genommen unzumutbar wären, aber vom Gesetzgeber mit Ausgleichsmaßnahmen verbunden sind, können ausnahmsweise mit Art. 14 Abs. 1 GG im Einklang stehen. Dafür hat der Gesetzgeber vorliegend aber keine Regelung getroffen. Im Gegenteil bestimmt § 28 Abs. 1 FSHG NRW sogar, dass die Anbringung der Alarmeinrichtungen „ohne Entschädigung zu dulden“ ist. Dieser Mangel des Gesetzes kann nicht durch verfassungskonforme Auslegung ausgeglichen werden. Denn zu den Anforderungen an Ausgleichsregelungen im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehört, dass sie einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers. Er ist gehalten, die verfassungsrechtlichen Grenzen inhaltsbestimmender Gesetze zu wahren, und darf, wenn er ein zwingendes Verbot ausspricht, nicht darauf vertrauen, dass die Verwaltung oder die Gerichte Verletzungen der Eigentumsgarantie gegebenenfalls durch ausgleichende Vorkehrungen oder Geldleistungen vermeiden. Soweit kompensatorische Entschädigungsansprüche begründet werden sollen, kann dies ohnehin, auch mit Rücksicht auf das Budgetrecht des Parlaments, nur durch ein Gesetz geschehen (vgl. BVerfGE 100, 226 Rn. 93).
27 dd) Eine Inanspruchnahme kann zwar ausnahmsweise entschädigungslos zulässig sein, wenn ein hinreichender Verantwortungszusammenhang zwischen dem Zugriffsobjekt bzw. dem Eigentümer auf der einen und dem verfolgten Gemeinwohlziel auf der anderen Seite besteht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. März 1971 - 1 BvR 52/66 u.a. - BVerfGE 30, 292 und vom 14. Juli 1991 - BVerfGE 58, 137 ff.). Der Betreiber eines gewerblichen Funkturms trägt aber keine besondere, herausgehobene Verantwortung für den Brand- und Katastrophenschutz, die eine Abkehr von dem Prinzip rechtfertigen würde, dass die öffentliche Aufgabe des Brandschutzes aus Steuermitteln zu finanzieren ist. Die überdurchschnittliche Eignung des Funkturms der Klägerin für die Anbringung der Funkanlage begründet eine solche Verantwortung nicht.
28 Es kommt hinzu, dass nach der vorstehend genannten Rechtsprechung ein entschädigungsloser staatlicher Zugriff auf marktgängige Güter selbst bei Vorliegen eines besonderen Verantwortungszusammenhangs in aller Regel voraussetzen wird, dass dem Staat ihr kommerzieller Erwerb nicht mit geringem Aufwand möglich wäre. Eben dies wäre hier jedoch der Fall. Die in Rede stehende Entgelthöhe ist für den Beklagten unter fiskalischen Aspekten ohne weiteres zu verkraften, insbesondere wenn man sie in Beziehung zur Höhe der öffentlichen Gesamtaufwendungen für den Brandschutz und das Rettungswesen setzt.
29 Mit Blick auf die grundrechtliche Sicherung des Eigentums greift auch nicht der Einwand durch, die Klägerin könne die aus der entschädigungslosen Verpflichtung entstehenden Kosten auf die übrigen Kunden ihres Funkturms abwälzen. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG kann es nicht allein darauf ankommen, ob der Eigentümer sich für ihm auferlegte Bindungen an anderer Stelle oder auf andere Weise schadlos halten kann. Die Eigentumsgewährleistung soll dem Rechtsträger eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Wirkungsbereichs ermöglichen (z.B. BVerfGE 24, 367 <389, 396>; 50, 290 <339>). Diese verfassungsrechtliche Funktion würde in der Regel verfehlt, wenn der Staat Eigentümerpflichten begründen und das Ausmaß der Beschränkung mit einer mehr oder weniger spekulativen wirtschaftlichen Betrachtung legitimieren könnte. Eigentumsbeschränkungen und Eigentumsbelastungen finden ihre verfassungsrechtliche Legitimation in Art. 14 Abs. 2 GG. Der Hinweis auf eine mögliche Schadloshaltung des Eigentümers würde in den Fällen der vorliegenden Art diese sich aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsordnung ergebenden Grenzen überschreiten und wäre mit der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar (BVerfGE 58, 137 Rn. 54).
30 2. Die Tätigkeit der Klägerin als kommerzielle Anbieterin von Plätzen für die Anbringung von Funkanlagen unterfällt dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG. Durch die gesetzliche Verpflichtung, die Anbringung von Fernmeldeanlagen für den Brandschutz entschädigungslos zu dulden, wird die Klägerin daran gehindert, eine entsprechende Nutzung - beispielsweise mit der Beklagten - vertraglich und entgeltlich zu vereinbaren. Zwar wird die Vertragsfreiheit auch durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet (vgl. BVerfGE 65, 196 <210>; 74, 129 <151 f.>). Betrifft eine gesetzliche Regelung jedoch die Vertragsfreiheit gerade im Bereich beruflicher Betätigung, die ihre spezielle Gewährleistung in Art. 12 Abs. 1 GG gefunden hat, scheidet die gegenüber anderen Freiheitsrechten subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab aus (vgl. BVerfGE 68, 193 <223 f.>; 77, 84 <118>; 95, 173 <188>). Es besteht auch kein Zweifel, dass die Regelung in § 28 Abs. 1 FSHG NRW in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts eine objektiv berufsregelnde Tendenz erkennen lässt und daher als Regelung der Ausübung des Berufs im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zu qualifizieren ist (vgl. BVerfGE 113, 29 <48> m.w.N.). Die Vorschrift begründet - in dieser Auslegung - ihre Verpflichtung gerade mit Blick auf den wirtschaftlichen Bedeutungszusammenhang der betroffenen Gebäude und Grundstücke. Sie erfasst voraussetzungsgemäß auch eine abstrakt abgrenzbare Gruppe von Gewerbetreibenden, weil sie aufgrund ihres Gewerbes geeignete Anlagen für die Anbringung von Alarmeinrichtungen vorhalten.
31 Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 7, 377 <405 f.>; 94, 372 <390>; 101, 331 <347>). Die Beschränkungen stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 36, 212 <219 ff.>; 45, 354 <358 f.>; 93, 362 <369>). Der Eingriff muss zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weiter gehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern. Ferner müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl. BVerfGE 54, 301 <313>; 101, 331 <347>).
32 Die mit der entschädigungslosen Inanspruchnahme von Adressaten nach Art der Klägerin verbundene Beschränkung ihrer durch die Berufsausübungsfreiheit geschützten Befugnis, Vermietungen nur gegen Entgelt vorzunehmen, ist jedoch nicht durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass der Staat die Bürger auch für Aufgaben, die im öffentlichen Interesse liegen, regelmäßig nur dann beruflich in Anspruch nehmen darf, wenn er im Gegenzug eine angemessene Vergütung leistet (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Mai 2009 - 1 BvR 2251/08 - BVerfGE 15, 413 <416>, vom 17. Oktober 1984 - 1 BvL 18/82 u.a. - BVerfGE 68, 155 <172> und vom 1. Juli 1980 - 1 BvR 349/75 u.a. - BVerfGE 54, 251 <271>).
33 3. Die fehlerhafte Anwendung des § 28 Abs. 1 FSHG NRW durch das Oberverwaltungsgericht auf den vorliegenden Fall führt allerdings nicht dazu, die Regelung überhaupt als verfassungswidrig ansehen zu müssen. Sie lässt sich nämlich ohne weiteres verfassungskonform dahin gehend auslegen, dass sie auf solche Sachverhalte nicht angewandt wird, in denen ein Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigter das fragliche Grundstück oder Gebäude gewerblich zur Vermietung von Kommunikationsflächen nutzt. Unter diesen Umständen bleibt es den Brandschutzbehörden unbenommen, eine vertragliche Vereinbarung wegen der Überlassung eines für notwendig gehaltenen Standplatzes zu schließen.
34 4. Die Kosten des Verfahrens hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO der Beklagte zu tragen, weil er unterlegen ist.