Verfahrensinformation

Der Beklagte erfüllt in der Form eines Zweckverbandes öffentlich-rechtliche Beseitigungspflichten, die seinen Mitgliedern nach dem Tierkörperbeseitigungsgesetz obliegen. Außerdem verarbeitet er in Konkurrenz mit den Klägerinnen freie Schlachtabfälle. Die durch Gebühren nicht gedeckten Ausgaben werden durch eine von den Verbandsmitgliedern erhobene Umlage ausgeglichen. Die Klägerinnen halten die Umlage für notifizierungspflichtige Beihilfen, die ihre eigenen Marktchancen verschlechterten. Mit ihrer Klage verlangen sie die Rückzahlung der in den Jahren 2005 bis 2008 erhobenen Umlagen nebst der Zahlung von Rechtswidrigkeitszinsen sowie die Feststellung, dass der Beklagte künftige Umlagen nur erheben darf, nachdem sie angezeigt und durch die EU-Kommission genehmigt worden sind.


Das Verwaltungsgericht hat die Feststellung getroffen und die Klage auf Rückzahlung abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Entscheidungen bestätigt. Die Umlage sei eine genehmigungspflichtige Beihilfe im Sinne des Art. 87 EG-Vertrag; bei Verstoß gegen die Notifizierungspflicht könnten sich die Klägerinnen aus eigenem Recht gegen die Erhebung wehren. Die Rückzahlung könnten die Klägerinnen jedoch nicht verlangen, weil die Umlagen das Marktgeschehen in den Jahren 2005 bis 2008 nicht in nennenswertem Umfang zugunsten des Beklagten beeinflusst hätten. Mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Rückzahlungsbegehren weiter. Der Beklagte wendet sich mit der Anschlussrevision gegen die von den Vorinstanzen getroffene Feststellung.


Pressemitteilung Nr. 118/2010 vom 16.12.2010

Zweckverbandsumlagen für Gemeinlasten sind keine Beihilfen nach Europarecht

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, unter welchen Voraussetzungen die Umlage eines Zweckverbandes als Beihilfe im Sinne des Europarechts anzusehen sein kann.


Der Beklagte, ein rheinland-pfälzischer Zweckverband, beseitigt für seine Mitglieder und für weitere Kommunen Schlachtabfälle; dabei hält er auch Reservekapazitäten für Seuchenfälle vor. Außerdem verarbeitet er ungefährliches und deshalb frei handelbares Material etwa zu Tiermehl. Die Klägerinnen sind im In- und Ausland tätige Unternehmen, die mit dem Beklagten im Bereich der frei handelbaren Schlachtabfälle konkurrieren. Sie sehen sich Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt, weil der Beklagte die durch Gebühren nicht gedeckten Kosten der Tierkörperbeseitigung durch eine jährliche Verbandsumlage ausgleicht. Darin liege eine Quersubventionierung der anderen Tätigkeiten, die dem Beklagten erlaube, diese Leistungen zu niedrigeren Preisen anzubieten.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Auffassung der Klägerinnen zurückgewiesen, es handele sich bei der Umlage um eine Beihilfe, die ohne Genehmigung durch die Europäische Kommission nicht erhoben werden dürfe und bis zur Kommissionsentscheidung an die Verbandsmitglieder zurückgezahlt werden müsse. Nach den Umständen des Falles erhebe der Zweckverband die Umlage ausschließlich zum Ausgleich für Ausgaben, die ihm aus der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Bereich der Tierkörperbeseitigung entstünden. Die Umlage verschaffe ihm keinen finanziellen Vorteil, der seine Wettbewerbsposition gegenüber Konkurrenten verbessere; eine Quersubventionierung sei hinlänglich ausgeschlossen.


BVerwG 3 C 44.09 - Urteil vom 16.12.2010

Vorinstanzen:

OVG Rheinland-Pfalz, OVG 6 A 10113/09 - Urteil vom 24.11.2009 -

VG Trier, VG 1 K 533/08.TR - Urteil vom 02.12.2008 -


Beschluss vom 06.01.2010 -
BVerwG 3 C 44.09ECLI:DE:BVerwG:2010:060110B3C44.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.01.2010 - 3 C 44.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:060110B3C44.09.0]

Beschluss

BVerwG 3 C 44.09

  • OVG Rheinland-Pfalz - 24.11.2009 - AZ: OVG 6 A 10113/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Januar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk
beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 300 000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 GKG).

Urteil vom 16.12.2010 -
BVerwG 3 C 44.09ECLI:DE:BVerwG:2010:161210U3C44.09.0

Leitsätze:

Der Anspruch des Konkurrenten eines Beihilfeempfängers auf verzinste Rückzahlung einer wegen Verstoßes gegen das Durchführungsverbot (Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG = Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) rechtswidrigen Beihilfe ist vor den Behörden und Gerichten des Mitgliedstaates nach Maßgabe des nationalen Verfahrensrechts durchzusetzen.

Ist die Beihilfe durch Verwaltungsakt gewährt worden, entsteht der Rückzahlungsanspruch erst mit dessen Aufhebung.

  • Rechtsquellen
    AEUV Art. 107 Abs. 1
    EG-Vertrag Art. 87 Abs. 1; Art. 88 Abs. 3 Satz 3
    VO (EG) Nr. 1774/2002 Art. 4, Art. 5
    TierNebG § 3 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4
    VwGO § 43 Abs. 2, § 82 Abs. 1, § 91 Abs. 1, § 113
    Abs. 1, Abs. 4
    VwVfG § 44 Abs. 1
    LVwVfG Rheinland-Pfalz § 1

  • OVG Koblenz - 24.11.2009 - AZ: OVG 6 A 10113/09 -
    OVG Rheinland-Pfalz - 24.11.2009 - AZ: OVG 6 A 10113/09

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 16.12.2010 - 3 C 44.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:161210U3C44.09.0]

Urteil

BVerwG 3 C 44.09

  • OVG Koblenz - 24.11.2009 - AZ: OVG 6 A 10113/09 -
  • OVG Rheinland-Pfalz - 24.11.2009 - AZ: OVG 6 A 10113/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Buchheister und Dr. Wysk
für Recht erkannt:

  1. Die Revisionen der Klägerinnen werden zurückgewiesen.
  2. Auf die Anschlussrevision des Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2009 geändert. Die Klagen werden insgesamt abgewiesen.
  3. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Gründe

I

1 Der Beklagte ist ein nach rheinland-pfälzischem Landesrecht gegründeter Zweckverband und mit der Tierkörperbeseitigung befasst. Seine Mitglieder sind Landkreise und kreisfreie Städte des Landes Rheinland-Pfalz sowie - aufgrund von Staatsverträgen - des Saarlandes und des Landes Hessen. Für seine Mitglieder verarbeitet der Beklagte tierische Nebenprodukte der Kategorien 1 und 2 im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 und hält Beseitigungskapazitäten für den Fall von Tierseuchen vor (sog. Seuchenreserve). Vertraglich hat er die Fremdentsorgung von Material der Kategorien 1 und 2 für weitere Entsorgungsverpflichtete in Baden-Württemberg und Nordhessen übernommen. Außerdem verarbeitet er frei handelbare Schlachtabfälle der Kategorie 3 im Sinne der Verordnung; dabei steht er in Konkurrenz zu anderen Unternehmen, darunter die Klägerinnen.

2 Für die Beseitigung des Materials der Kategorien 1 und 2 erhebt der Beklagte auf der Grundlage einer Satzung Gebühren. Für die Abholung und Verwertung sonstiger tierischer Nebenprodukte der Kategorie 3 berechnet er privatrechtliche Entgelte (sog. Knochenentgelte). Soweit die Einnahmen zur Bestreitung der Ausgaben im Erfolgsplan nicht ausreichten, hat der Beklagte von seinen Mitgliedern eine Umlage erhoben, die nach Maßgabe seiner Verbandsordnung für jedes Wirtschaftsjahr durch die Haushaltssatzung festgesetzt und durch Einzelbescheide anteilig geltend gemacht wurde. Die Umlage betrug in den Wirtschaftsjahren 2005 bis 2008 jeweils 2,25 Mio. €. Seit der Neufassung der Verbandsordnung vom 2. Februar 2010 darf die Umlage mit Wirkung zum 1. Januar 2009 nur noch als Ausgleich für solche Kosten erhoben werden, die im Zusammenhang mit der Beseitigung von tierischen Nebenprodukten der Kategorien 1 und 2, die auf dem Gebiet seiner Mitglieder anfallen, sowie für die Vorhaltung der Seuchenreservekapazität entstehen.

3 Die Klägerinnen verarbeiten gewerbsmäßig Material der Kategorie 3. Die Klägerin zu 1 ist in allen Bundesländern tätig, die Klägerin zu 2 hat ihren Sitz in Frankreich und will ihre Geschäftstätigkeit auf den deutschen Markt ausweiten. Die Klägerinnen halten die von dem Beklagten erhobene Umlage für eine Beihilfe im gemeinschaftsrechtlichen Sinne, die mangels Beachtung des in Art. 88 Abs. 3 EG vorgesehenen Verfahrens rechtswidrig sei.

4 Mit ihren Klagen haben die Klägerinnen beim Verwaltungsgericht beantragt, den Beklagten zur Rückzahlung der in den Jahren 2005 bis 2008 erhobenen Umlagen an seine Mitglieder zu verurteilen sowie festzustellen, dass der Beklagte zukünftig Umlagen in der bisherigen Art und Weise nur nach vorheriger Genehmigung durch die EU-Kommission erheben darf.

5 Parallel dazu haben die Klägerinnen im Jahr 2008 bei der Europäischen Kommission eine Beihilfebeschwerde eingelegt. Die Kommission hat das formelle Prüfverfahren eingeleitet und mit Schreiben vom 20. Juli 2010 eine Aufforderung zur Stellungnahme veröffentlicht (2010/C 289/07, ABl C 289 S. 8 vom 26. Oktober 2010).

6 Das Verwaltungsgericht hat die begehrte Feststellung getroffen, die Klage auf Rückzahlung aber abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Umlage sei eine Beihilfe im Sinne des Art. 87 EG, deren Erhebung mangels Genehmigung durch die Kommission dem Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG unterfalle. Das Durchführungsverbot gelte unmittelbar und begründe Rechte der Wettbewerber auf Schutz vor Verstößen. Die Klägerinnen seien durch die Erhebung der Umlage in ihren Rechten verletzt, denn sie stünden hinsichtlich der Schlachtabfälle der Kategorie 3 mit dem Beklagten im Wettbewerb. Zur Rückzahlung sei der Beklagte hingegen nicht verpflichtet. Zwar müssten die nationalen Gerichte grundsätzlich einem Antrag auf Rückzahlung einer rechtswidrigen Beihilfe unter dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung stattgeben. Hier lägen jedoch außergewöhnliche Umstände vor, die eine solche Rückzahlung als nicht sachgerecht erscheinen ließen; die Rückzahlung würde die ordnungsgemäße Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben des Beklagten infrage stellen.

7 Die von den Klägerinnen eingelegten Berufungen, mit denen sie ihr Begehren um die Zahlung von Rechtswidrigkeitszinsen an die Mitglieder des Beklagten erweitert haben, und die vom Beklagten eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Hinsichtlich des Feststellungsantrags hat es sich die Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen gemacht und ergänzend ausgeführt, dass die Klägerinnen sich gegen die Folgen des Verstoßes gegen Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG aus eigenem Recht wehren könnten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei es Sache der nationalen Gerichte, die Rechte der Wettbewerber bei Verletzungen des Durchführungsverbotes zu schützen. Das Verwaltungsgericht habe die Umlage auch zutreffend als Beihilfe betrachtet. Die Voraussetzungen der Altmark-Trans-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, unter denen ausnahmsweise nicht von einer Beihilfe gesprochen werden könne, lägen nicht vor. Zwar sei die Seuchenreserve nicht zu groß bemessen. Es sei aber nicht erkennbar, dass die Umlage ausschließlich zur Bestreitung der Ausgaben für die hoheitliche Tierkörperbeseitigung diene. Sie sei daher geeignet, die Betätigung der Wettbewerber auf dem Markt der Schlachtabfälle der Kategorie 3 zu erschweren. Die Berufungen der Klägerinnen blieben ebenfalls erfolglos, weil sie weder die Rückzahlung der Umlagen noch eine Verzinsung verlangen könnten. Ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot ziehe nicht in jedem Fall die Pflicht zur Rückzahlung nach sich. Hier sei vielmehr ein Ausnahmefall gegeben, weil die Umlagen das Marktgeschehen in den Jahren 2005 bis 2008 nicht nennenswert zugunsten des Beklagten beeinflusst hätten. Das ergebe sich auch daraus, dass der Beklagte ohne die Umlage in Zahlungsschwierigkeiten geriete, die das Land oder die Mitglieder durch anderweitige Mittel abwenden müssten. Der wirtschaftliche Effekt der Umlage würde damit auf andere Art herbeigeführt.

8 Mit der Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Rückzahlungs- und Zinszahlungsbegehren weiter. Der Beklagte wendet sich mit der Anschlussrevision gegen die von den Vorinstanzen getroffene Feststellung.

9 Die Klägerinnen pflichten den Vorinstanzen zwar darin bei, dass die Umlage auch nach Maßgabe der Altmark-Trans-Kriterien eine Beihilfe darstelle. Die Seuchenreserve sei aber überdimensioniert; Besitzer von Schlachtabfällen würden so dazu verleitet, diese nicht nach Kategorien zu trennen, weshalb dem Markt mögliches Material der Kategorie 3 vorenthalten werde. Eine Ausnahme von der Rückerstattungspflicht sei nicht anzuerkennen. Das Gemeinschaftsrecht kenne nur das schutzwürdige Vertrauen als Ausnahmetatbestand. Für eine Prüfung des Marktgeschehens sei daneben kein Raum. Das Marktgeschehen sei entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch in den streitigen Jahren erheblich beeinflusst worden. Der Beklagte könne sich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen.

10 Der Beklagte hält die Klage auf Rückzahlung schon für unzulässig, weil Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG Wettbewerbern kein subjektives Recht verschaffe. Die Verbandsumlage stelle aber auch keine Beihilfe dar. Die sogenannten Altmark-Trans-Kriterien seien erfüllt. Die Umlage diene allein der Finanzierung der durch Gebühren nicht gedeckten Kosten aus der Beseitigung von gebietseigenem Material der Kategorien 1 und 2 und bilde damit eine Gegenleistung für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe im Gemeinwohlinteresse. Dies habe er durch Änderung seiner Verbandsordnung mit Wirkung vom 1. Januar 2009 klargestellt. Die Umlage sei auch nicht für verbandsfremde Aufgaben verwendet worden. Die Vorhaltung einer Seuchenreserve, die durch die Umlage mitfinanziert werde, sei eine nicht gebührenfähige öffentliche Aufgabe; die Reserve sei auch angemessen dimensioniert. Ohnehin stehe einem Erfolg der Rückzahlungsklagen entgegen, dass vor einer abschließenden Entscheidung der Kommission keine unbedingte Rückzahlungspflicht bestehe. Außerdem könne er sich auf Vertrauensschutz berufen.

II

11 Die Revisionen der Klägerinnen sind unbegründet (1.), die Anschlussrevision des Beklagten hat hingegen Erfolg (2.).

12 1. Die Klägerinnen verfolgen mit ihren Revisionen ihre Begehren auf Rückzahlung der in den Jahren 2005 bis 2008 erhobenen Umlagen einschließlich zu zahlender Rechtswidrigkeitszinsen weiter. Diese Leistungsbegehren können unabhängig davon, ob es sich bei den Umlagen um Beihilfen handelt, keinen Erfolg haben, weil die Klägerinnen die den Umlagen zugrunde liegenden Bescheide nicht angefochten haben.

13 a) Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass das europäische Gemeinschaftsrecht Marktteilnehmern, die mit einem Beihilfeempfänger potenziell im Wettbewerb stehen, Ansprüche gegen den Subventionsgeber auf verzinste Rückforderung und, wenn es sich wie hier ausnahmsweise um eine vom Subventionsempfänger „erzwungene“ Beihilfe handelt, auch Ansprüche gegen diesen auf verzinste Rückzahlung der Beihilfe schon bei einem Verstoß gegen formelle Anforderungen des Gemeinschaftsrechts einräumt, also ungeachtet der Frage, ob die Beihilfe später von der Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt für vereinbar erklärt wird. Das ergibt sich aus dem unmittelbare Wirkung entfaltenden Art. 88 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG), der für die streitigen Wirtschaftsjahre anzuwenden ist. Nach dieser Vorschrift ist die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen zu unterrichten, damit sie deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt prüfen kann. Solange die abschließende Entscheidung der Kommission nicht vorliegt, darf die Beihilfe nicht ausgezahlt werden (Durchführungsverbot). Bei einer Verletzung dieses Verbots müssen die nationalen Gerichte zugunsten jener Einzelnen, die sich auf die Verletzung berufen können, sämtliche Folgerungen sowohl bezüglich der Gültigkeit der gewährenden Rechtsakte als auch bezüglich der Beitreibung der unter Verletzung dieser Bestimmung gewährten finanziellen Unterstützungen oder eventueller vorläufiger Maßnahmen ziehen (EuGH, Urteile vom 11. Dezember 1973 - Rs. C-120/73, Lorenz - Slg. S. 1471 und vom 21. November 1991 - Rs.
C-354/90, FNCE - Slg. I-5505, 5523). Zu diesen Folgerungen gehört, dass eine entgegen dem Durchführungsverbot ausgezahlte Beihilfe zurückgezahlt werden muss, und zwar ungeachtet ihrer Vereinbarkeit mit dem Markt und unbeschadet des Rechts des Mitgliedstaats, die Beihilfe später erneut zu gewähren (EuGH, Urteile vom 21. November 1991 - Rs. FNCE - a.a.O. <Rn. 16>, vom 11. Juli 1996 - Rs. C-39/94, SFEI - Slg. I-3547 <Rn. 67 ff.>, vom 21. Oktober 2003 - Rs. C-261/01 u.a., van Calster - Slg. I-12272 <Rn. 62 ff.>, vom 5. Oktober 2006 - Rs. C-368/04, Transalpine Ölleitung - Slg. I-9957 <Rn. 47> sowie vom 12. Februar 2008 - Rs. C-199/06, CELF I - Slg. I-469, 486 <Rn. 35 ff., 45, 53>). Ferner ist das nationale Gericht nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet, dem Beihilfeempfänger aufzugeben, für die Dauer der Rechtswidrigkeit Zinsen zu zahlen, und zwar auch dann, wenn die Beihilfe von der Kommission später genehmigt wird (EuGH, Urteile vom 12. Februar 2008 - Rs. CELF I - a.a.O. <Rn. 55> und vom 11. März 2010 - Rs. C-1/09, CELF II - juris <Rn. 37>).

14 Diese Folgerungen sind jedoch, wie der Gerichtshof stets betont, entsprechend dem nationalen Recht zu ziehen. Zwar weisen die Klägerinnen richtig darauf hin, dass Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG infolge seiner unmittelbaren Geltung die nationalen Gerichte dazu nötigt, diese Bestimmung anzuwenden, ohne dass ihr Vorschriften des nationalen Rechts entgegengehalten werden können. Die rechtstechnische Umsetzung dieser Norm richtet sich jedoch mangels einschlägiger gemeinschaftsrechtlicher Regelungen nach nationalem Recht. Das Rückzahlungsbegehren kann daher nur unter Beachtung der Verfahrensvoraussetzungen verfolgt werden, die das jeweilige nationale Recht vorsieht (EuGH, Urteile vom 11. Dezember 1973 - Lorenz - a.a.O. <Rn. 9>, vom 2. Dezember 1997 - Rs. C-188/95, Fantask -, Slg. I-6783 <Rn. 39> - und vom 12. Februar 2008 - Rs. CELF I - a.a.O. <Rn. 53>). Diese Verfahrensvorschriften dürfen freilich für die Durchsetzung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht ungünstiger sein als für die innerstaatlichen Ursprungs (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen ihre Ausübung nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (EuGH, Urteile vom 19. September 2006 - Rs. C-392/04 und C-422/04, i-24 Germany und Arcor - Slg. I-8559 = NVwZ 2006, 1277 und vom 5. Oktober 2006 - Rs. Transalpine Ölleitung - a.a.O. <Rn. 45> m.w.N.).

15 b) Ausgehend davon konnte ein Rückzahlungsanspruch der Klägerinnen nicht entstehen, weil sie es versäumt haben, die Bescheide anzugreifen, mit denen die Umlage erhoben worden ist. Es gehört zu den Anforderungen, die das deutsche Recht an das Entstehen von Ansprüchen auf Rückgewähr einer auf der Grundlage eines Verwaltungsakts gewährten Leistung stellt, dass der Verwaltungsakt - sofern er nicht nichtig ist - beseitigt wird, sei es durch die Behörde (§§ 48 f. VwVfG) oder - auf Klage hin - durch ein Gericht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Umlagebescheide bilden für die Dauer ihrer Wirksamkeit (§ 43 Abs. 2 und 3 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG Rheinland-Pfalz) einen selbständigen Rechtsgrund für die Leistung und damit das Recht, sie behalten zu dürfen (vgl. Urteil vom 19. November 2009 - BVerwG 3 C 7.09 - BVerwGE 135, 238 <Rn. 16>).

16 Der von den Klägerinnen gesehene Verstoß gegen das Durchführungsverbot - diesen hier unterstellt - machte die Umlagebescheide nicht nichtig. Unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt nichtig ist, beurteilt sich mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung ebenfalls nach dem nationalen Recht. Nach § 44 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 LVwVfG Rheinland-Pfalz ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Davon kann hier keine Rede sein. Allein im Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht liegt, ebenso wie bei einem sonstigen Rechtsverstoß, aus sich heraus kein besonders schwerwiegender und offensichtlicher Fehler. Das ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bisher nie infrage gestellt worden (vgl. nur EuGH, Urteil vom 19. September 2006 - Rs. i-24 Germany und Arcor - a.a.O. <Rn. 51 ff.>).

17 c) Das Erfordernis, vor einem Rückzahlungsbegehren den der Leistung zugrunde liegenden Verwaltungsakt anzufechten, erschwert die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts nicht unzumutbar. Dass die Rechte aus Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG auch dann hinreichend effektiv durchsetzbar sind, wenn dazu binnen einer bestimmten Frist Widerspruch oder Anfechtungsklage erhoben werden muss, hat der Europäische Gerichtshof mehrfach bestätigt (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 - Rs. C-312/93, Peterbroeck u.a. - Slg. I-4599 <Rn. 13, 21>, vom 2. Dezember 1997 - Rs. Fantask - a.a.O. <Rn. 40> - und vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96 Aprile - Slg. I-7141 <Rn. 19>). Aus dem von den Klägerinnen angeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29. April 1999 (Rs. C-224/97, Ciola - Slg. I-2517) ergibt sich nichts anderes. Die dortige Entscheidung geht auf die Übergangssituation des Beitritts Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft zurück und betrifft damit eine Sonderlage, die keine Verallgemeinerung erlaubt.

18 Auch der Einwand der Klägerinnen, dass die Umlagebescheide nicht an sie gerichtet und ihnen auch nicht bekannt gegeben worden seien, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass die Umlagebescheide Verwaltungsakte sind, die die Klägerinnen - als Dritte - anfechten können und müssen. Er bewirkt allerdings, dass die Anfechtungsfrist nicht einen Monat, sondern ein Jahr beträgt und erst zu laufen beginnt, nachdem die Klägerinnen von der Existenz und vom Inhalt der Umlagebescheide sichere Kenntnis erlangt haben oder hätten erlangen müssen (vgl. Urteil vom 25. Januar 1974 - BVerwG 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294; stRspr). Diese Kenntnis mussten die Klägerinnen spätestens mit der Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge des Beklagten erlangt haben, die zu einem Großteil aus Mehrfertigungen der Umlagebescheide bestehen. Dass sie die Notwendigkeit der Anfechtung dieser Bescheide nicht erkannt haben, vermag sie nicht zu entlasten.

19 Ebenso wenig führt die Vielzahl der Umlagebescheide zur Unzumutbarkeit einer vorherigen Anfechtung. Die Klage gründet sich darauf, dass dem Beklagten von jedem seiner Mitglieder jedes Jahr aufs Neue eine unzulässige und damit zurückzuzahlende Beihilfe geleistet worden sei. Verlangen die Klägerinnen somit selbst die Rückgewähr einer Vielzahl von Beihilfen, wäre es ihnen auch zumutbar gewesen, gegen alle zugrunde liegenden Bescheide vorzugehen. Dabei wäre ihnen zugute gekommen, dass die Bescheide nicht notwendig einzeln hätten aufgeführt, sondern lediglich hinlänglich hätten bezeichnet werden müssen (vgl. § 82 Abs. 1 VwGO). Hierzu hätte genügt, sich pauschal gegen sämtliche Umlagebescheide zu wenden, die der Beklagte in bestimmten Wirtschaftsjahren erlassen hat.

20 Schließlich hätten die Klägerinnen auch nicht mehrere Prozesse nacheinander führen müssen. § 113 Abs. 4 VwGO eröffnet die Möglichkeit, die Anfechtungsklage gegen die Umlagebescheide mit der Klage auf Rückzahlung der auf deren Grundlage erhobenen Umlagebeträge zu verbinden.

21 2. Die Anschlussrevision des Beklagten ist zulässig und begründet (§ 141 Satz 1 i.V.m. § 127 VwGO). Die Feststellung, dass der Beklagte die Umlage ab dem Wirtschaftsjahr 2009 nicht ohne vorherige Genehmigung durch die Europäische Kommission erheben dürfe, verletzt Bundesrecht und europäisches Gemeinschaftsrecht.

22 Was das Wirtschaftsjahr 2009 anlangt, ist die Feststellungsklage bereits unzulässig. Eine Feststellung kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage hätte verfolgen können. Das war hier der Fall. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unwidersprochen dargelegt, dass die Umlagebescheide für das Wirtschaftsjahr 2009 im März dieses Jahres erlassen worden waren und wegen der Neufassung der Verbandsordnung vom 2. Februar 2010 nicht geändert worden sind. Damit war es den Klägerinnen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht möglich und zumutbar, auch diese Bescheide anzufechten. Es kann dahinstehen, ob die Anfechtungsklage ohne vorheriges Widerspruchsverfahren zulässig gewesen wäre und ob ein Übergang von der Feststellungs- zur Anfechtungs- und Leistungsklage im Berufungsverfahren deshalb eine ohne Weiteres sachdienliche Klageänderung gewesen wäre (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO); eine solche Klageänderung konnte jedenfalls im Revisionsverfahren nicht mehr vorgenommen werden (§ 142 Abs. 1 VwGO).

23 Hinsichtlich der Wirtschaftsjahre ab 2010 ist die Feststellungsklage nach § 43 VwGO zwar zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte ist nicht - wie mit den Klageanträgen zu 2 geltend gemacht - verpflichtet, die Zweckverbandsumlage künftig vor ihrer Erhebung jeweils von der Europäischen Kommission genehmigen zu lassen. In ihrer Ausgestaltung durch die Neufassung der Verbandsordnung vom 2. Februar 2010 ist die Umlage nicht als Beihilfe im Sinne des Unionsrechts anzusehen.

24 Hierfür maßgeblich ist die Begriffsbestimmung in Art. 107 Abs. 1 des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die mit Art. 87 Abs. 1 EG übereinstimmt. Danach sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Zahlungen gleich welcher Art unzulässige Beihilfen, wenn sie durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Eine staatliche Maßnahme fällt jedoch nicht unter Art. 107 Abs. 1 AEUV, soweit sie als Ausgleich anzusehen ist, der die Gegenleistung für Leistungen bildet, die von den Unternehmen, denen sie zugute kommt, zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden, so dass diese Unternehmen in Wirklichkeit keinen finanziellen Vorteil erhalten und die genannte Maßnahme somit nicht bewirkt, dass sie gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine günstigere Wettbewerbsstellung gelangen (EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003 - Rs. C-280/00, Altmark-Trans - Slg. I-7747 <Rn. 87>). Dafür müssen eine Reihe von Voraussetzungen - die so genannten Altmark-Trans-Kriterien - erfüllt sein (ebd. <Rn. 88, 94>). Zu prüfen und festzustellen, ob eine staatliche Zahlung hiernach eine Beihilfe ist, sind die nationalen Gerichte befugt (EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2006 - Rs. Transalpine Ölleitung - a.a.O. <Rn. 39> und vom 11. Juli 1996 - Rs. SFEI - a.a.O. <Rn. 49>); Anlass, den Europäischen Gerichtshof um eine weitergehende Klärung zu ersuchen, besteht nicht.

25 Gemessen an den genannten Kriterien liegt hier eine Beihilfe nicht vor; vielmehr dient die Umlage ausschließlich der Finanzierung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung (einer öffentlichen Pflichtaufgabe) des Beklagten. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass sich der vorliegende Fall schon im Ansatz deutlich von demjenigen unterscheidet, der dem Europäischen Gerichtshof Anlass zu der Vorabentscheidung vom 24. Juli 2003 in der Rechtssache Altmark-Trans gegeben hat. Dort ging es um ein privates Busunternehmen, das seine Dienstleistungen (Beförderungsleistungen) am Markt angeboten hat und dem einzelne gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt waren, welche die Art und Weise der Erbringung dieser Dienstleistungen in bestimmter Hinsicht modifizierten (Betriebspflicht, Fahrplanbindung, Beförderungspflicht, Tarifbindung). Demgegenüber geht es im vorliegenden Fall um ein öffentliches Unternehmen (kommunaler Zweckverband), das in erster Linie gemeinwirtschaftliche Pflichtaufgaben für seine Mitglieder erfüllt (die Beseitigung von gefährlichem Material der Kategorien 1 und 2) und daneben auch Dienstleistungen am Markt anbietet (Verarbeitung von frei handelbarem Material der Kategorie 3); dabei sind die gemeinwirtschaftlichen Pflichtaufgaben schon technisch klar von der sonstigen wirtschaftlichen Betätigung geschieden, und hinsichtlich dieser wirtschaftlichen Betätigung bestehen keinerlei zusätzliche gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen. Diese Unterschiede führen nicht dazu, dass die Kriterien der Altmark-Trans-Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall unanwendbar wären. Sie führen aber dazu, dass diese Kriterien teilweise völlig unproblematisch erfüllt sind, weil die Gemengelage aus Marktbetätigung und gemeinwirtschaftlicher Verpflichtung, die dem Europäischen Gerichtshof vor Augen stand und zu deren Sonderung er die vier Altmark-Trans-Kriterien entwickelt hat, von vornherein nicht gegeben ist.

26 a) Der Beklagte als begünstigtes Unternehmen ist hinsichtlich des Materials der Kategorien K 1 und K 2 mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut; seine Verpflichtungen sind in europäischen und nationalen Rechtsvorschriften klar definiert (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, a.a.O. <Rn. 89>), so dass das erste Altmark-Trans-Kriterium erfüllt ist. Das gilt in Ansehung des gebietseigenen wie des gebietsfremden Materials (aa) und schließt die so genannte Seuchenreserve ein (bb).

27 aa) Die gemeinschaftsrechtlichen Pflichten aus Art. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (ABl Nr. L 273 S. 1), gefährliches Material der Kategorien 1 und 2 schadlos zu verarbeiten und zu beseitigen, sind in Deutschland grundsätzlich den durch das Landesrecht bestimmten Körperschaften des öffentlichen Rechts als öffentliche Pflichtaufgaben und damit als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung übertragen. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1 des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes (TierNebG) vom 25. Januar 2004 (BGBl I S. 82). Zwar kann die zuständige Behörde die genannte Verpflichtung gemäß § 3 Abs. 2 und 4 TierNebG unter bestimmten Voraussetzungen auch einem Privaten übertragen. Das ändert indes nichts an dem gemeinwirtschaftlichen Charakter der Verpflichtung. Von der Ermächtigung, die Pflichten zur Verarbeitung und Beseitigung unter bestimmten Voraussetzungen natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts zu übertragen, ist in Rheinland-Pfalz kein Gebrauch gemacht worden. Vielmehr obliegen diese Aufgaben dort kommunalen Gebietskörperschaften, nämlich den Gemeinden und Landkreisen als Pflichtaufgaben zur Selbstverwaltung (vgl. § 1 der Tierkörperbeseitigungssatzung des Beklagten vom 6. Dezember 2004). Diese haben sich aus Gründen des Gemeinwohls entschlossen, die Aufgaben in Ansehung des in ihrem Gebiet anfallenden gefährlichen Materials gemeinsam zu erfüllen, und hierzu den beklagten Zweckverband gegründet (vgl. auch § 1 des rheinland-pfälzischen Zweckverbandsgesetzes vom 22. Dezember 1982 (BS 2020-20). Ein Markt ist insofern nicht eröffnet worden.

28 Nichts anderes gilt hinsichtlich der Verarbeitung und Beseitigung des gebietsfremden Materials der Kategorien 1 und 2. Insofern erfüllt der Beklagte auf ebenfalls hoheitlichem Wege eine entsprechende Pflichtaufgabe anderer Gemeinden und Landkreise, die ihm zwar nicht als Mitglied beigetreten sind, ihm aber die Erfüllung ihrer Pflichtaufgabe gleichwohl - durch Verwaltungsvertrag - übertragen haben. Dass diese Form der Aufgabenübertragung an dem gemeinwirtschaftlichen Charakter der Aufgabe nichts ändert, hat auch der Europäische Gerichtshof anerkannt (Urteil vom 9. Juni 2009 - Rs. C-480/06, Stadtreinigung Hamburg - NVwZ 2009, 898).

29 bb) Die (gemeinwirtschaftliche) Verpflichtung zur schadlosen Verarbeitung und Beseitigung gefährlichen Materials schließt die Pflicht zur Vorhaltung ausreichender Beseitigungskapazitäten ein. Die Bemessung dieser Kapazitäten hat sich im Interesse einer effektiven Aufgabenerfüllung nicht nur am Normalbetrieb zu orientieren, sondern muss durch außergewöhnliche Lagen bedingte Spitzenlasten einrechnen. Die Vorhaltung von Reservekapazitäten in Form einer so genannten Seuchenreserve für Fälle des Ausbruchs übertragbarer Krankheiten wie Maul- und Klauenseuche oder Schweinepest ist daher vom gesetzlichen Auftrag der Tierkörperbeseitigung umfasst.

30 Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die vorgehaltene Seuchenreserve größer ist als erforderlich. Selbst wenn das der Fall wäre, änderte sich nichts daran, dass der Beklagte die Reserve zum Zwecke der Erfüllung seiner gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung vorhielte. Anderes könnte nur angenommen werden, wenn die Kapazitäten außerhalb von Spitzenbelastungszeiten nicht ungenutzt blieben, sondern für andere Zwecke eingesetzt, etwa in den Dienst der wirtschaftlichen Betätigung des Beklagten im Bereich des Materials der Kategorie 3 gestellt werden könnten. Dies haben die Klägerinnen aber nicht geltend gemacht; davon geht auch die Europäische Kommission nicht aus, auf die sich die Klägerinnen beziehen und die insofern selbst von „ungenutzten“ Kapazitäten spricht (Aufforderung zur Stellungnahme vom 20. Juli 2010, a.a.O. <Rn. 81>). Für eine zweckwidrige Nutzung der Reservekapazitäten ist auch nichts ersichtlich.

31 Zu Unrecht betrachtet die Europäische Kommission die Finanzierung einer zu großen Seuchenreserve gleichwohl als Beihilfe (Aufforderung zur Stellungnahme, a.a.O. <Rn. 68 ff.>). Dafür ist die Prämisse maßgeblich, dass die Erzeuger und Besitzer von Schlachtabfällen nach dem Verursacherprinzip die Kosten der schadlosen Beseitigung auch des gefährlichen Materials grundsätzlich selbst tragen müssten. Die Kommission hält mit anderen Worten die Erhebung kostendeckender Preise oder - wenn die Beseitigung wie in Deutschland auf hoheitliche Weise geschieht - die Erhebung kostendeckender Gebühren für geboten und sieht in der Vorhaltung steuerfinanzierter Reservekapazitäten eine Ausnahme, die auf das unbedingt Erforderliche begrenzt werden müsse. Das liegt neben der Sache. Zwar mag die Finanzierung von Kapazitäten zur schadlosen Beseitigung von Tierabfällen aus öffentlichen Haushaltsmitteln die anderenfalls kostenbelasteten Besitzer von Tierabfällen entlasten und insofern als eine Beihilfe erscheinen (vgl. EuGH, Urteil vom 20. November 2003 - Rs. C-126/01, GEMO SA - Slg. I-13769 <Rn. 28 ff.>). Jedoch kann eine solche Entlastungswirkung von vornherein nur von der Finanzierung der Beseitigungskapazitäten im benötigten Umfang - gegebenenfalls unter Einschluss einer unabdingbaren Seuchenreserve - ausgehen, keinesfalls aber von der Finanzierung gar nicht benötigter Überkapazitäten. Gerade die Kosten von Überkapazitäten könnten über Marktpreise auch nach dem Verursacherprinzip nicht auf Kunden abgewälzt werden. Dabei sei noch davon abgesehen, dass insofern allenfalls eine Beihilfe zugunsten der Erzeuger und Besitzer von Tierabfällen vor Augen steht, nicht aber zugunsten des hoheitlich eintretenden Beseitigungspflichtigen.

32 b) Nach dem zweiten Altmark-Trans-Kriterium müssen die Parameter, anhand derer der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufgestellt sein, um zu verhindern, dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt (EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, a.a.O. <Rn. 90 f.>).

33 Dieses Kriterium hat der Beklagte jedenfalls ab dem Wirtschaftsjahr 2010 erfüllt. Der Beklagte hat den Einwänden der Vorinstanzen Rechnung getragen und seine Verbandsordnung am 2. Februar 2010 geändert. Diese Änderung erfolgte vor Erlass der Umlagebescheide für das Jahr 2010, die - wie in den Vorjahren - erst im März ergangen sind. Durch die Änderung der Verbandsordnung ist klargestellt, dass die umstrittene Umlage ausschließlich der Finanzierung der durch Gebühren ungedeckten Kosten aus der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung des Beklagten dient. Der Umlagetatbestand schließt es aus, in die Umlage auch Kosten aus der Verarbeitung des frei handelbaren Materials der Kategorie 3 einzurechnen, und genügt schon damit dem Gebot der objektiven und transparenten Berechnungsgrundlage. Zusätzlich hat der Beklagte sogar die Kosten aus der schadlosen Beseitigung des gebietsfremden Materials der Kategorien 1 und 2 noch ausgespart (vgl. § 9 Abs. 2 der Verbandsordnung), was gegenüber seinen diesbezüglichen Auftraggebern - den gebietsfremden Kommunen - angezeigt erscheint, im Verhältnis zu den Klägerinnen aber nicht geboten gewesen wäre.

34 c) Weiter darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken. Nur bei Einhaltung dieser Voraussetzung ist gewährleistet, dass dem betreffenden Unternehmen kein Vorteil gewährt wird, der dadurch, dass er die Wettbewerbsstellung dieses Unternehmens stärkt, den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht (EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, a.a.O. <Rn. 92>).

35 Es steht nach der Satzungsänderung fest, dass die Umlage nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die durch Gebühreneinnahmen nicht gedeckten Kosten der schadlosen Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 - zudem nur des gebietseigenen Materials - zu bestreiten. Wie oben dargetan, ist es auch in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Beklagte zu große Kapazitäten für diese Beseitigungspflicht vorhält. Es ist allein Sache seiner Mitglieder, ob sie Überkapazitäten zu finanzieren bereit sind oder auf deren Abbau drängen, um ihre Umlagepflicht zu reduzieren.

36 Die Klägerinnen berufen sich auch insofern auf die Europäische Kommission, die die von ihr angenommenen Überkapazitäten für „unrentabel“ hält (Aufforderung zur Stellungnahme vom 20. Juli 2010, a.a.O. <Rn. 81>) und meint, es sei nicht akzeptabel, dass „Verluste“ aus einer „betriebswirtschaftlichen Fehlentscheidung“ nachträglich durch öffentliche Mittel ausgeglichen würden (ebd. <Rn. 82>). Dies verkennt, dass die Entscheidung über die Dimensionierung der Beseitigungskapazitäten einschließlich der Reserve für den Seuchenfall gerade keine betriebswirtschaftliche Entscheidung darstellt, die nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Rentabilität getroffen werden müsste. Die Frage der wirtschaftlichen Rentabilität stellt sich schon deshalb nicht, weil die Kosten für die Seuchenreserve eben nicht durch am Markt erzielbare Preise aufgebracht werden können, sondern durch Erhebung einer Umlage - also einer öffentlich-rechtlichen Abgabe - bei den Zweckverbandsmitgliedern gedeckt werden müssen. Eine Überdimensionierung der Seuchenreserve hat demzufolge keinen Einfluss auf die Gebührengestaltung des Beklagten in Ansehung der Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 und schon gar keinen Einfluss auf die Preisgestaltung bei der Verarbeitung von Material der Kategorie 3. Selbstverständlich kann sich eine Überdimensionierung der Seuchenreserve als „unwirtschaftlich“ erweisen, weil die Kosten für diese Reservekapazität außer Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit des großflächigen Ausbruchs einer Tierseuche stehen. Dies betrifft aber nur die Frage, ob die Entscheidung über die Dimensionierung der Seuchenreserve angesichts der damit verbundenen Belastung der öffentlichen Haushalte politisch verantwortet werden kann; in diesem Sinne steht der Einsatz öffentlicher Haushaltsmittel unter dem allgemeinen Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Grundsätze betriebswirtschaftlicher Rentabilität können in diesem Zusammenhang aber keine strikte Beachtung verlangen.

37 d) Schließlich verlangt der Europäische Gerichtshof in seiner Altmark-Trans-Entscheidung, dass dann, wenn die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, nicht im Rahmen eines Vergabeverfahrens erfolgt, die Höhe des erforderlichen Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt werden, die ein durchschnittliches, gut geführtes und angemessen ausgestattetes Unternehmen bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, a.a.O. <Rn. 93>).

38 Dieses vierte Kriterium der Altmark-Trans-Rechtsprechung kann im vorliegenden Rahmen keine Berücksichtigung finden. Es unterstellt, dass die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung, deren (Mehr-)Kosten ausgeglichen werden dürfen, durch ein privates Unternehmen und damit in einer Gemengelage gemein- und marktwirtschaftlicher Betätigung erfüllt werden könnte. Die schadlose Beseitigung des Materials der Kategorien 1 und 2 im Gebiet der Mitgliedskommunen des Beklagten steht dem Markt jedoch nicht offen. Sie ist, wie oben dargetan, im deutschen Recht als hoheitliche Pflichtaufgabe ausgestaltet. Daher dient die Umlage nicht dem Ausgleich von Mehrkosten aus der Übernahme einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung im Rahmen einer im Übrigen marktwirtschaftlichen Betätigung, sondern der Finanzierung der hoheitlichen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe außerhalb des Marktes.

39 Die Öffnung eines Marktes ist auch nicht erzwingbar. Daher führt der Vortrag der Klägerinnen, den sich die Kommission im Prüfverfahren vorläufig zu eigen gemacht hat, nicht weiter, ihnen sei die Erfüllung der Beseitigungsaufgabe im Bereich des Materials der Kategorien 1 und 2 ohne Qualitätsabstriche zu geringeren Kosten möglich. Es obliegt der - politisch zu verantwortenden - Entscheidung der zuständigen öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften, ob sie ihre öffentlichen Pflichtaufgaben hoheitlich und damit unter Ausschluss des Marktes erfüllen oder ob sie hierfür einen Markt eröffnen. Eine öffentliche Stelle darf ihre im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben auch nach dem europäischen Gemeinschaftsrecht mit ihren eigenen Mitteln und auch im Zusammenwirken mit anderen öffentlichen Stellen erfüllen, ohne gezwungen zu sein, sich an externe Einrichtungen zu wenden, die nicht zu ihren Dienststellen gehören (EuGH, Urteil vom 9. Juni 2009 - Rs. Stadtreinigung Hamburg - a.a.O. <Rn. 44 f.>). Das gilt hier auch mit Blick auf die Beseitigung gebietsfremden Materials der Kategorien 1 und 2, das nach der freien Entscheidung der zuständigen öffentlich-rechtlichen Beseitigungspflichtigen aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung ohne Beteiligung Privater vom Beklagten mit erledigt wird.

40 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Beschluss vom 01.06.2011 -
BVerwG 3 C 14.11ECLI:DE:BVerwG:2011:010611B3C14.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.06.2011 - 3 C 14.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:010611B3C14.11.0]

Beschluss

BVerwG 3 C 14.11

  • OVG Rheinland-Pfalz - 24.11.2009 - AZ: OVG 6 A 10113/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juni 2011
durch die Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Buchheister und Dr. Wysk
beschlossen:

Die Anträge der Klägerinnen, den Tatbestand des Urteils des Senats vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 3 C 44.09 - zu berichtigen, werden abgelehnt.

Gründe

1 Die Berichtigungsanträge haben keinen Erfolg.

2 Der Senat entscheidet über sie gemäß § 119 Abs. 2 Satz 3 VwGO in der Besetzung mit den Richtern, die das Urteil im Verfahren BVerwG 3 C 44.09 gefällt haben. Dass Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert zwischenzeitlich zum Vorsitzenden ernannt worden und aus dem Senat ausgeschieden ist, führt nicht zu einer Verhinderung, die seiner Mitwirkung entgegenstehen würde.

3 Mit einem Antrag nach § 119 VwGO kann verlangt werden, dass tatsächliche Feststellungen des Urteils berichtigt werden, die entscheidungserhebliche Unrichtigkeiten oder Unklarheiten enthalten. Überwiegend zielt das Vorbringen der Klägerinnen aber darauf ab, eigene Bewertungen in das Urteil einzubringen.

4 1. Es ist nicht veranlasst, die Formulierung, der Beklagte verarbeite tierische Nebenprodukte „für seine Mitglieder“ (UA Rn. 1, Zeile 4), durch eine Formulierung zu ersetzen, die den Beklagten als Beseitigungspflichtigen kennzeichnet. Weder ist die Entscheidungserheblichkeit dieser Änderung dargetan noch ist ersichtlich, dass es sich um eine tatsächliche Unrichtigkeit handelt. Die Klägerinnen leiten die Notwendigkeit der Änderung selbst aus einer Rechtsnorm ab und ziehen daraus vom Urteil abweichende Konsequenzen. Zudem ist die Formulierung richtig: Originäre Beseitigungspflichtige sind gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes (TierNebG) die nach Landesrecht zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nach rheinland-pfälzischen Landesrecht sind dies die Landkreise und kreisfreien Städte (vgl. § 1 des Landesgesetzes zur Ausführung des Tierkörperbeseitigungsgesetzes - LTierKBG), die „zur Erfüllung der Aufgabe“ einen Zweckverband bilden (§ 2 Abs. 1 LTierKBG). Dementsprechend lautet § 2 der Verbandsordnung des Zweckverbandes, dieser übernehme alle Rechte und Pflichten, die den - in § 1 der Verbandsordnung namentlich aufgeführten - Beseitigungspflichten obliegen.

5 2. Die Klägerinnen haben nichts vorgebracht, was die Formulierung als tatsächlich unrichtig erscheinen ließe, der Beklagte habe in Baden-Württemberg und Hessen „vertraglich“ die Fremdentsorgung von Material der Kategorien 1 und 2 übernommen (UA Rn. 1, Zeile 7). Die Klägerinnen ziehen nicht in Zweifel, dass insoweit Verträge abgeschlossen worden sind, was sie mit dem Begriff „Auftrag“ umschrieben sehen wollen. Ob die Tätigkeit des Beklagten in Anschluss daran auf der Grundlage einer Beleihung ausgeübt wird, ist eine Frage der Anwendung des § 3 Abs. 2 TierNebG, worauf die Klägerinnen selbst hinweisen. Abgesehen davon, dass derartige rechtliche Bewertungen von vornherein keiner Berichtigung zugänglich sind, zeigen die Klägerinnen nicht auf, welche Konsequenzen aus der verlangten Ergänzung des Tatbestands zu ziehen wären.

6 3. Es besteht keine Veranlassung, die Worte „haben die Klägerinnen“ (UA Rn. 5, Zeile 1) zugunsten einer passivischen Formulierung („wurde“) auszutauschen. Zwar haben die Klägerinnen dargelegt, dass nicht sie, wie vom Senat angenommen, die Beihilfebeschwerde 2010/C 289/07 bei der Kommission erhoben haben, weil die in Rn. 1 des Schreibens der Kommission vom 26. Oktober 2010 (ABl Nr. C 289 S. 8) genannte Saria Bio-Industries nicht mit der Klägerin zu 2 (vormals: Saria Industries Sud-Est) identisch ist, sondern nur demselben Konzern angehört; jedoch fehlt für die Berichtigung das Rechtsschutzbedürfnis. Es ist in keiner Weise entscheidungserheblich, wer die Beihilfebeschwerde erhoben hat.

7 4. Nicht unrichtig ist die Verwendung der einschränkenden Konjunktion „zwar … aber“ in der Wiedergabe des Revisionsvortrags (UA Rn. 9, Zeilen 1 und 3). Die Klägerinnen teilen „zwar“ die Ansicht der Vorinstanzen, es handele sich bei der Umlage um eine Beihilfe im Sinne des Gemeinschaftsrechts; sie widersprechen „aber“ der Bewertung des Berufungsgerichts, die so genannte Seuchenreserve sei angemessen dimensioniert (dazu UA Rn. 29 ff. und Berufungsurteil S. 13 f.). Diese Annahme beseitigt aus der Sicht des Berufungsgerichts nicht den Beihilfecharakter, steht aber den Ansprüchen auf Rückzahlung und Verzinsung entgegen. Das nötigt zu einer grammatisch angemessenen Darstellung des Vortrags der Klägerinnen.

8 5. Die in Rn. 25, 28 und 35 verlangten Änderungen betreffen keine Unrichtigkeiten oder Unklarheiten. Allerdings ist der Weg der so genannten „Tatbestands“-berichtigung im Sinne des § 119 Abs. 1 VwGO nicht deshalb verschlossen, weil, wie der Beklagte meint, Unrichtigkeiten in den Entscheidungsgründen (den Gründen zu II) des Urteils gerügt werden. Etwaige Unrichtigkeiten bei der Wiedergabe tatsächlicher Feststellungen können ohne Rücksicht darauf geltend gemacht werden, in welchem Teil eines Urteils sie sich befinden (stRspr, vgl. Beschluss vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 4 B 49.10 - juris <Rn. 6> m.w.N.). Von den Änderungswünschen der Klägerinnen sind hier jedoch keine tatsächlichen Umstände betroffen, sondern deren rechtliche Würdigung. Es betrifft ausschließlich die Rechtsfindung, ob der Annahme einer technischen Trennung der Verarbeitungsbereiche hinreichende tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, ob die Übertragung oder Wahrnehmung der Fremdentsorgung auf Verwaltungsvertrag oder Beleihung beruht (dazu oben 2) und ob die Änderung der Verbandsordnung des Beklagten als Satzungsänderung zu qualifizieren ist.

Beschluss vom 09.06.2011 -
BVerwG 3 C 14.11ECLI:DE:BVerwG:2011:090611B3C14.11.0

Leitsatz:

Der Antrag auf Ergänzung eines Urteils nach § 120 Abs. 1 VwGO ist nur zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit des Übergehens eines gestellten Antrags oder der Kostenfolge schlüssig aufgezeigt wird. Ein danach offensichtlich unzulässiger Ergänzungsantrag kann durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung verworfen werden.

  • Rechtsquellen
    AEUV Art. 108
    EG-Vertrag Art. 81 f.; Art. 88 Abs. 3 Satz 3
    VwGO § 120; § 152a

  • OVG Rheinland-Pfalz - 24.11.2009 - AZ: OVG 6 A 10113/09
    VG Trier - 02.12.2008 - AZ: VG 1 K 533/08.TR

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.06.2011 - 3 C 14.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:090611B3C14.11.0]

Beschluss

BVerwG 3 C 14.11

  • OVG Rheinland-Pfalz - 24.11.2009 - AZ: OVG 6 A 10113/09
  • VG Trier - 02.12.2008 - AZ: VG 1 K 533/08.TR

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Juni 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley, die Richter
am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Buchheister, Dr. Wysk und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrügen der Klägerinnen gegen das Urteil des Senats vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 3 C 44.09 - werden zurückgewiesen.
  2. Die Anträge auf Ergänzung des Urteils werden verworfen.
  3. Die Klägerinnen tragen die Kosten der Verfahren je zur Hälfte.


1 Die Anhörungsrügen sind unbegründet (I), die Anträge auf Urteilsergänzung offensichtlich unzulässig (II). Der Senat hat in der nunmehr geschäftsplanmäßigen Zusammensetzung zu entscheiden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 188/09 - NVwZ 2009, 580, 581 <Rn. 16>).

Gründe

I

2 Die Klägerinnen zeigen nicht auf, dass der Senat im Urteil vom 16. Dezember 2010 ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, wie es § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO für die beantragte Fortführung des Revisionsverfahrens voraussetzt.

3 1. Es ist offensichtlich unrichtig, dass der Senat, ohne die Klägerinnen dazu angehört zu haben, unterstellt habe, dass sie die Umlagebescheide für das Wirtschaftsjahr 2009 nicht angefochten haben (UA S. 11 <Rn. 22>). Die Frage der Anfechtung und Aufhebung der Bescheide als Voraussetzung für die Entstehung des gemeinschaftsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs ist vom Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufgeworfen worden und war zentraler Gegenstand der Erörterung. Dabei haben die Klägerinnen die vom Senat offengelegte Annahme, die Umlagebescheide seien nicht angefochten worden, niemals in Zweifel gezogen. Wäre dies unrichtig gewesen, so hätte es nahegelegen, den Bedenken des Senats durch eine entsprechende Klarstellung den Boden zu entziehen. Stattdessen haben die Klägerinnen Notwendigkeit und Zumutbarkeit der Anfechtung in Abrede gestellt und die Anregung zu Protokoll gegeben, die Frage der Anfechtungslast dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Sollten die Umlagebescheide gleichwohl im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Gegenstand von Anfechtungsklagen der Klägerinnen gewesen sein, so hätten sie jedenfalls nicht alles Zumutbare getan, um sich damit in der mündlichen Verhandlung Gehör zu verschaffen.

4 2. Nach diesem Verlauf der mündlichen Verhandlung kann es für die Klägerinnen schlechthin nicht überraschend sein, dass im Tatbestand des Urteils die Schriftstücke, mit denen der Beklagte die Umlage gegenüber seinen Mitgliedern geltend gemacht hat, als „Bescheide“ bezeichnet sind. Den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung lag die Einordnung der Umlagebescheide als Verwaltungsakte ohne Weiteres erkennbar zugrunde. Das ist von den Klägerinnen auch erkannt worden, denn sie haben nicht nur die Erkennbarkeit der Umlageerhebung durch Bescheide, sondern auch deren Verwaltungsaktqualität ausdrücklich verneint, und zwar unter anderem mit den in der Anhörungsrüge erneuerten Erwägungen. Der Hinweis des Beklagten, die Erhebung von den einzelnen Mitgliedern durch Verwaltungsakte sei für die Klägerinnen spätestens mit Vorlage der Verwaltungsvorgänge beim Verwaltungsgericht erkennbar geworden, hat die Klägerinnen dann sogar - nach einer erbetenen Unterbrechung der Verhandlung - dazu bewogen, ihre Revisionen zurückzunehmen, was nur an der fehlenden Zustimmung des Beklagten scheiterte. Die Klägerinnen mussten mithin konkret damit rechnen, dass der Senat die Umlagebescheide im Urteil (S. 8 <Rn. 15>) trotz der hiergegen vorgebrachten Einwände als Verwaltungsakte einordnet. Dies umso mehr, als die Europäische Kommission in ihrer Aufforderung zur Stellungnahme vom 20. Juli 2010 (2010/C 289/07), auf die sich die Klägerinnen ausdrücklich berufen, die Umlagebescheide ebenfalls als Verwaltungsakte bezeichnet hatte (ABl Nr. C 289 S. 8 vom 26. Oktober 2010 <Rn. 19, 87>). Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt keinen Schutz dagegen, dass das Gericht Tatsachen oder Sachvortrag anders bewertet als die Prozessbeteiligten.

5 3. Die Feststellung des Senats, die gemeinwirtschaftlichen Pflichtaufgaben seien „schon technisch klar von der sonstigen wirtschaftlichen Betätigung des Beklagten geschieden“ (UA S. 13 <Rn. 25>), beruht nicht darauf, dass Vortrag der Klägerinnen nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen worden wäre. Das gilt auch für die Feststellung, die Klägerinnen hätten nicht geltend gemacht, die Kapazitäten der Seuchenreserve seien „außerhalb von Spitzenbelastungszeiten nicht ungenutzt geblieben“ (UA S. 15 <Rn. 30>). Diese Ausführungen betreffen die Trennung der Aufgabenbereiche hinsichtlich der Verarbeitung des - dem Markt entzogenen - pflichtigen Materials der Kategorien 1 und 2 auf der einen Seite und des frei handelbaren Materials der Kategorie 3 auf der anderen, die wegen der unterschiedlichen Gefährlichkeit der Stoffe und der europarechtlichen Vorgaben selbstverständlich ist. Sie stellen insbesondere klar, dass die Umlage nicht dazu verwendet wird, diejenigen Kapazitäten zu finanzieren, die der Beklagte für seine wirtschaftliche Betätigung am Markt nutzt. Dass diese Bewertung von den Klägerinnen nicht geteilt wird, verletzt sie nicht in ihrem rechtlichen Gehör. Sie wird von ihnen aber auch mit der Anhörungsrüge nicht infrage gestellt, denn die in Bezug genommenen Passagen aus ihren Schriftsätzen vom 27. Januar und 18. Mai 2010 und 7. November 2010 (gemeint: 2008) sowie 27. Februar, 8. Juni und 20. November 2009 betreffen die Behauptung, der Beklagte habe umlagefinanzierte Kapazitäten dazu genutzt, Material der Kategorien 1 und 2 aus Nord- und Mittelhessen zu entsorgen, und dadurch Wettbewerber verdrängt. Dieser Einwand betrifft nicht die Trennung der Verarbeitungskapazitäten, sondern die in Rn. 28 des Urteils behandelte Frage, ob hinsichtlich des gebietsfremden Materials der Kategorien 1 und 2 Wettbewerb eröffnet ist. Dort ist mithin auch jene Ansicht behandelt, welche die Klägerinnen als den „eigentlichen Kern des Rechtsstreits“ betrachten wollen.

6 4. Der Senat hat es nicht unterlassen, sich mit dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Anspruch auf Zahlung von Rechtswidrigkeitszinsen (betreffend die Umlagen der Jahre 2005 bis 2008) auseinanderzusetzen. Das lässt sich den Gründen zu I (UA S. 5 <Rn. 7>) und den Gründen zu II des Urteils (UA S. 6 f. <Rn. 12 und 13>) ohne Weiteres entnehmen. Unter Rn. 13 sind dort sogar gemeinschaftsrechtliche Ansprüche auf „verzinste“ Rückforderung bzw. Rückzahlung einer Beihilfe bei Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) ausdrücklich anerkannt. Dass der Zinsanspruch nicht näher behandelt worden ist, beruht auf der Selbstverständlichkeit, dass er rechtlich vom Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs abhängig ist, der hier jedenfalls wegen des Fortbestands der Umlagebescheide nicht gegeben ist. Diese Wertung mag auf einem von dem der Klägerinnen abweichenden Verständnis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beruhen, nicht aber auf einem Übergehen ihres Vortrags. Soweit die Klägerinnen in diesem Zusammenhang sinngemäß eine Klärung für nötig erachten, ob die Pflicht zur Zahlung von Rechtswidrigkeitszinsen unionsrechtlich unabhängig von der Pflicht zur Rückzahlung der Beihilfe besteht, benennen sie keine Rechtsprechung des Gerichtshofs, aus der sich dies ergeben könnte.

7 5. Die geltend gemachte Verletzung des § 88 VwGO ist von vornherein keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Rüge, der Senat habe verkannt und dadurch das Rechtsschutzziel verkannt, dass mit dem Klageantrag zu 2 die Umlageerhebung nur „in der bisherigen Art und Weise“ - also ungeachtet der neuen Verbandsordnung - angegriffen worden sei, behauptet einen bloßen Rechtsanwendungsfehler, der zudem offensichtlich nicht gegeben ist, wie zu II auszuführen ist.

8 6. Das Revisionsverfahren ist schließlich nicht deshalb fortzuführen, um dem Europäischen Gerichtshof die von den Klägerinnen unter Nr. 2 der Antragsschrift umschriebenen Fragen vorzulegen. Ob mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG die Möglichkeit zur Fortführung von Verfahren in Analogie zu § 152a Abs. 1 VwGO anzuerkennen ist, um ein unionsrechtlich gebotenes Vorabentscheidungsverfahren nachzuholen (zum Streitstand vgl. Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: Mai 2010, § 152a Rn. 36 m.w.N.), bedarf keiner Klärung; jedenfalls ist eine Veranlassung zu einer Vorlage nicht dargetan und nicht ersichtlich.

9 a) Ob und in welchem Umfang eine Verwirkung der Anfechtungsbefugnis von Verwaltungsakten eintritt, ist eine Frage der verfahrensrechtlichen Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, die sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nach nationalem Recht richtet (UA S. 8 f. <Rn. 14 und Rn. 17>). Dass sich für den vorliegenden Fall etwas anderes aus der so genannten Alcan-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 20. März 1997 - Rs. C-24/95 - Slg. I-1591) ergibt, ist nicht dargetan. Die Entscheidung behandelt die Modalitäten der Rückforderung einer Beihilfe, die in einer Kommissionsentscheidung bereits als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt worden war (vgl. dazu Rennert, DVBl 2007, 400 <404> m.w.N.); eine Entscheidung der Kommission steht hier aber noch aus. Auch hat sich hier nicht der Empfänger einer Beihilfe gegenüber einer behördlichen Rückforderung auf die Bestandskraft des Bewilligungsbescheides berufen; vielmehr steht ein Rückzahlungsanspruch privater Wettbewerber in Rede, dessen Voraussetzungen infolge nicht angefochtener und aufgehobener Umlagebescheide nicht erfüllt sind.

10 b) Das Urteil verstößt auch nicht gegen die so genannte Ciola-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 29. April 1999 - Rs. C-224/97 - Slg. I-2517), soweit es annimmt, die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts sei nicht unzumutbar behindert, wenn nationale Bestimmungen Fristen für die Durchsetzung vorsehen. Die Behauptung, die Rechtsprechung im Ciola-Urteil sei entgegen der Annahme des Senats (UA S. 9 <Rn. 17>) verallgemeinerungsfähig, ist durch nichts belegt und trifft erkennbar nicht zu (auch hierzu Rennert, a.a.O. S. 403). Die behaupteten zahlreichen „Judikate der Unionsgerichte“, in denen diese Rechtsprechung angewandt worden sei, werden dementsprechend nicht bezeichnet.

11 c) Für die behauptete bewusste Missachtung des vierten der so genannten Altmark-Kriterien ist nichts aufgezeigt. Der Senat ist mit seiner Annahme, dieses Kriterium sei im streitigen Fall nicht zu berücksichtigen, nicht von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abgewichen. Diese Aussage betrifft das im Gebiet der Mitgliedskommunen des Beklagten anfallende Material der Kategorien 1 und 2 (UA S. 18 <Rn. 38>). Die Kritik der Klägerinnen stützt sich hingegen auf die Beseitigung des in Nordhessen anfallenden Materials. Dass die Beseitigung des pflichtigen Materials von den Beseitigungspflichtigen dort ausgeschrieben worden ist, ändert nichts daran, dass das entsprechende Material in den Mitgliedskommunen des Beklagten, für deren Beseitigung die Umlage allein erhoben wird, dem Markt entzogen ist und eine Öffnung des Marktes nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch dann nicht verlangt werden kann, wenn die Frage, ob ein Markt eröffnet werden soll, nach den gesetzlichen Grundlagen in die Entscheidung der beseitigungspflichtigen Körperschaft gestellt ist. Was die Klägerinnen als den „eigentlichen Kern des Rechtsstreits“ betrachten, nämlich die „beihilfeinduzierte Verdrängung eines mit den Klägerinnen konzernverbundenen Unternehmens in Nordhessen“, geht daher an den für das vierte Altmark-Kriterium entscheidungserheblichen Fragen vorbei.

12 d) In den Raum gestellt ist schließlich die Behauptung, die Kritik des Senats am Schreiben der Europäischen Kommission vom 20. Juli 2010 (UA S. 15 <Rn. 31>) sei nach der so genannten Masterfoods-Rechtsprechung unzulässig. Es ist nicht erkennbar, dass Ausführungen der Kommission in einer Aufforderung zur Stellungnahme in einem Beihilfeverfahren nach Maßgabe des von den Klägerinnen angesprochenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Dezember 2000 (Rs. C-344/98, Masterfoods Ltd. gegen HB Ice Cream Ltd. - Slg. I-11369) Bindungswirkung für nationale Gerichte entfalten könnten. Die genannte Entscheidung betrifft die wettbewerbsrechtlichen Zusammenhänge der Art. 81 f. EG (nunmehr Art. 101 f. AEUV). Sie verbietet es nationalen Gerichten, die zu einer Vereinbarung oder einer Verhaltensweise im Sinne des Art. 81 EG Stellung nehmen, sich in Widerspruch zu einer Kommissionsentscheidung zu setzen, die sich bereits rechtsverbindlich zur wettbewerbsrechtlichen Vereinbarkeit des gerichtlichen Prüfungsgegenstandes mit Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 82 EG geäußert hat. Es spricht alles dagegen, dass diese Rechtsprechung auch außerhalb kartellrechtlicher Zusammenhänge Geltung beansprucht. Ihr geht es um den Schutz verbindlicher Entscheidungen der Kommission, die den Gegenstand auch des Verfahrens vor dem nationalen Gericht betreffen. Eine entsprechende Befugnis ist der Kommission in Beihilfeverfahren bei Verletzungen des Durchführungsverbotes nicht eingeräumt. Bei der Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus den Art. 87 und 88 EG fallen den nationalen Gerichten und der Kommission einander ergänzende und unterschiedliche Rollen zu (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juli 1996 - Rs. C-39/94, SFEI - Slg. I-3547 <Rn. 41> und vom 21. Oktober 2003 - Rs. C-261/01 u.a., van Calster - Slg. I-12272 <Rn. 74> sowie Erläuterungen in der Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte vom 9. April 2009 - 2009/C 85/01 - ABl Nr. C 85, S. 1 <Rn. 19 ff.>). Dabei betont der Europäische Gerichtshof die Eigenständigkeit der Entscheidungsbefugnis der nationalen Gerichte vorbehaltlich der abschließenden Entscheidung der Kommission im Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG (Art. 108 Abs. 2 AEUV) (EuGH, Urteil vom 12. Februar 2008 - Rs. C-199/06, CELF I - Slg. I-469, 486 <Rn. 38 ff.>). Eine solche Entscheidung steht hier noch aus. Die Kommission hat bislang nur gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV zur Stellungnahme aufgefordert und in der Aufforderung ihre vorläufige Bewertung der Sache mitgeteilt. Selbst die Kommission beansprucht in solchen Fällen keine Verbindlichkeit ihrer Auffassung; sie räumt einem nationalen Gericht lediglich die Möglichkeit ein, bei ihr eine Stellungnahme zu Fragen über die Anwendung der Beihilfevorschriften einzuholen (vgl. Bekanntmachung der Kommission vom 9. April 2009, a.a.O. <Rn. 89 ff.>). Im Prüfverfahren fehlt es daher an einer verbindlichen Kommissionsentscheidung, zu der sich ein Gericht im Sinne der Masterfoods-Rechtsprechung in Widerspruch setzen könnte.

II

13 Die hilfsweise gestellten Anträge auf Ergänzung des Urteils gemäß § 120 Abs. 1 VwGO sind offensichtlich nicht statthaft und können daher entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 144 Abs. 1, § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO durch Beschluss verworfen werden; die in § 120 VwGO vorausgesetzte Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Anträge ist in solchen Fällen entbehrlich.

14 Ein Urteil ist gemäß § 120 Abs. 1 VwGO auf Antrag durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen, wenn ein nach dem Tatbestand von einem Beteiligten gestellter Antrag oder die Kostenfolge bei der Entscheidung ganz oder zum Teil übergangen ist. Der Antrag ist nur zulässig, wenn ein nicht erledigter Teil des Verfahrens so konkret aufgezeigt wird, dass die Möglichkeit der verlangten Ergänzung in Betracht gezogen werden kann. Das lassen die Anträge der Klägerinnen vermissen. Sie verlangen im Ergebnis die Richtigstellung einer von ihnen für falsch gehaltenen Entscheidung; dazu dient das Verfahren nach § 120 VwGO aber nicht (vgl. Urteil vom 22. März 1994 - BVerwG 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269 <274> m.w.N.; zu der vergleichbaren Regelung des § 321 ZPO ebenso BGH, Urteil vom 27. November 1979 - VI ZR 40/78 - NJW 1980, 840 <841>).

15 1. Der im Berufungsverfahren ergänzend angebrachte und mit ihren Revisionen weiterverfolgte Anspruch der Klägerinnen auf Zahlung von Rechtswidrigkeitszinsen ist vom Senat ausdrücklich bedacht worden (oben I. 4.). Dieser Anspruch ist daher von der im Revisionsverfahren umfassend erfolgten Klageabweisung erfasst. Es stellt keinen Fall des Übergehens dar, wenn das Revisionsurteil hierzu keine weitere Begründung enthält.

16 2. Die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 VwGO sind offensichtlich nicht erfüllt, soweit die Klägerinnen geltend machen, der Senat habe den Klageantrag zu 2 übergangen, weil nur die Umlagenerhebung „in der bisherigen Art und Weise“ zum Gegenstand der Feststellung habe gemacht werden sollen. Damit ist keine Nichtbescheidung des Klageantrags zu 2, sondern eine bloße Verkennung des Rechtsschutzziels unter Verletzung von § 88 VwGO geltend gemacht. Auch übersehen die Klägerinnen, dass bei dem von ihnen nunmehr bevorzugten Verständnis der Klageantrag bereits als unzulässig hätte abgewiesen werden müssen. Denn für eine Feststellung auf der Grundlage der alten Verbandsordnung bestand kein anzuerkennendes Interesse. Die Umlagenerhebung auf Grundlage der bisherigen Verbandsordnung war bereits Gegenstand des Klageantrags zu 1, und die künftige Umlagenerhebung wird durch die alte Verbandsordnung nicht mehr bestimmt. Daher kann die Formulierung „in der bisherigen Art und Weise“ nur auf den Umstand bezogen werden, dass der Beklagte weiterhin - auch nach der Verbandsordnung in der Fassung 2010 - keine Veranlassung sieht, die Umlage im Verfahren nach Art. 107 ff. AEUV bei der Kommission anzuzeigen und von ihr genehmigen zu lassen.

17 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Beschluss vom 19.09.2016 -
BVerwG 3 C 22.15ECLI:DE:BVerwG:2016:190916B3C22.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.09.2016 - 3 C 22.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:190916B3C22.15.0]

Beschluss

BVerwG 3 C 22.15

  • VG Trier - 02.12.2008 - AZ: VG 1 K 533/08.TR
  • OVG Koblenz - 24.11.2009 - AZ: OVG 6 A 10113/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. September 2016
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und Rothfuß
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2009 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 2. Dezember 2008 sind unwirksam.
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Die Klägerinnen und der Beklagte haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das hat zur Folge, dass die Urteile der Vorinstanzen wirkungslos sind und das Verfahren einzustellen ist (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1, § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung). Über die Kosten des Verfahrens ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). In der Regel entspricht es der Billigkeit, dem Beteiligten die Kosten aufzuerlegen, der ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich unterlegen wäre.

2 Der Rechtsstreit betrifft die Umlagefinanzierung des beklagten Zweckverbands durch Landkreise und kreisfreie Städte. Mit ihrer Negativentscheidung vom 25. April 2012 (SA.25051) hat die Europäische Kommission beschlossen, dass die Umlage eine staatliche Beihilfe darstelle und mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei. Zugleich hat sie Deutschland verpflichtet, die ausgezahlten Beihilfen zurückzufordern und weitere Zahlungen einzustellen. Das Gericht der Europäischen Union (Urteile vom 16. Juli 2014 - T-309/12 [ECLI:​EU:​T:​2014:​676], Zweckverband Tierkörperbeseitigung/Kommission - und T-295/12 [ECLI:​EU:​T:​2014:​675], Deutschland/Kommission -) und der Gerichtshof der Europäischen Union (Urteil vom 18. Februar 2016 - C-446/14 P [ECLI:​EU:​C:​2016:​97], Deutschland/Kommission -) haben die gegen die Negativentscheidung der Kommission gerichteten Nichtigkeitsklagen rechtskräftig abgewiesen. Der bestandskräftige Beschluss der Kommission ist gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV verbindlich und verbietet den nationalen Gerichten zuwiderlaufende Entscheidungen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 - C-344/98 [ECLI:​EU:​C:​2000:​689], Masterfoods und HB - Rn. 50, 52).

3 Der Zweckverband wurde auf das Urteil des Gerichts der Europäischen Union aufgelöst und befindet sich in Liquidation. Auf der Grundlage des Gesetzes zur Neuorganisation der Tierkörperbeseitigung in Rheinland-Pfalz ist der Beklagte vollständig aus dem Markt ausgeschieden, weshalb eine Notwendigkeit zur Beseitigung einer Wettbewerbsverfälschung nicht mehr gegeben ist und die Kommission auf die Rückforderung der unzulässigen Beihilfe verzichtet hat. Darauf beruht die Erledigungserklärung der Klägerinnen, der sich der Beklagte angeschlossen hat.

4 Vor diesem Hintergrund und auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Oktober 2015 - 2 BvR 1493/11 -, mit dem das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2010 - 3 C 44.09 - aufgehoben und die Sache zurückverwiesen wurde, wäre der auf Rückzahlung und Unterlassen ungenehmigter Beihilfen gerichteten Klage ohne das erledigende Ereignis aller Voraussicht nach in vollem Umfang stattzugeben gewesen. Es entspricht daher billigem Ermessen, dem Beklagten die Kosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen.

5 Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht. Er ergibt sich aus den fortbestehenden Beschlüssen der Vorinstanzen sowie für das Revisionsverfahren aus dem Beschluss des Senats vom 16. Dezember 2010 (300 000 €).