Beschluss vom 28.08.2012 -
BVerwG 1 WB 40.12ECLI:DE:BVerwG:2012:280812B1WB40.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.08.2012 - 1 WB 40.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:280812B1WB40.12.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 40.12

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant i.G. Petrasch und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Matull
am 28. August 2012 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt die Bewilligung einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 89 % für die Zeit vom 22. Oktober bis 23. November 2012.

2 Der 1981 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit in der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes im Werdegang der militärischen Flugsicherung. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf des 30. September 2013 enden. Am 17. September 2010 wurde er zum Hauptmann befördert. Seit dem 1. Mai 2011 wird er als Flugsicherungskontrolloffizier bei der Flugbetriebsstaffel ... verwendet. Am 1. Dezember 2008 erwarb er die Erlaubnis APS und am 4. Oktober 2010 die Erlaubnis ADI.

3 Am 12. Dezember 2011 beantragte der Antragsteller mit dem entsprechenden Formblatt Teilzeitbeschäftigung gemäß § 30a SG vom 15. März 2012 bis 15. Juni 2013 in Höhe von 89 % sowie für im Einzelnen angegebene Zeiträume innerhalb dieser Zeitspanne in Höhe von 50 %. Zur Begründung gab er an, seine Ehefrau wolle sich nach der Geburt des Sohnes (Januar 2011) wieder auf ihren Beruf als Leistungssportlerin konzentrieren und sich auf die Olympischen Spiele 2012 vorbereiten. Der nächste Disziplinarvorgesetzte befürwortete den Antrag nicht, weil auf dem Dienstposten des Antragstellers Teilzeitbeschäftigung nicht möglich sei. Der Antragsteller sei als Flugverkehrskontrolloffizier und damit als Lizenzhalter im Schichtdienst in der Flugbetriebsstaffel/... eingesetzt. Gemäß § 6 Abs. <1 Nr.> 7 der Verordnung über die Teilzeitbeschäftigung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (STzV) schließe dies eine Teilzeitbeschäftigung aus. Als Einzelfallprüfung und individuelle Lösung in Bezug auf die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf könne jedoch die beantragte Dienstzeitbelastung (gemeint wohl: Dienstzeitentlastung) in den genannten Zeiträumen ohne Weiteres durch eine entsprechend flexible Berücksichtigung im Rahmen der Schichtdienstplangestaltung durch die unmittelbaren Vorgesetzten planerisch sehr gut sichergestellt werden. Die Antragsvoraussetzungen zur Teilzeitbeschäftigung gemäß § 3 STzV seien gegeben. Ein Dienstposten ohne Ausschlussgrund nach § 6 Abs. <1 Nr.> 7 STzV sei für den Antragsteller in seinem Zuständigkeitsbereich aber nicht verfügbar.

4 Der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte befürwortete den Antrag in seiner Stellungnahme vom 6. Februar 2012 ebenfalls nicht. Er stimme der Bewertung durch den Staffelchef zu. Die grundsätzliche Berechtigung für Teilzeit nach § 1 Abs. 1 STzV sowie die Voraussetzungen nach § 3 STzV seien bei dem Antragsteller gegeben. Nach der Feststellung des Disziplinarvorgesetzten könne auch nach Einzelfallprüfung eine individuelle Lösung für den gewünschten Zeitraum gefunden werden. Einer Bewilligung der Teilzeittätigkeit stehe aber § 6 Abs. 1 STzV entgegen. Der Einsatzbereich von Offizieren mit entsprechender Lizenz, wie sie der Antragsteller besitze, sei auf einen engen Bereich begrenzt. Nach eingehender Prüfung und Rücksprache mit dem Personaloffizier der Fluggruppe ... gebe es im Zuständigkeitsbereich der Fluggruppe auch außerhalb des durch den Disziplinarvorgesetzten geprüften Bereichs der Flugbetriebsstaffel keinen Dienstposten, auf dem eine Teilzeitbeschäftigung des Antragstellers möglich wäre.

5 Mit Bescheid vom 12. März 2012 lehnte das Personalamt der Bundeswehr den Antrag des Antragstellers auf Teilzeitbeschäftigung ab. Zur Begründung hieß es, gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 7 STzV sei eine Teilzeitbeschäftigung grundsätzlich nicht möglich bei Verwendungen, die den regelmäßigen Nachweis eines Einsatzbereitschaftsstatus oder einer Lizenz oder die Teilnahme an einem hierzu notwendigen Ausbildungsprogramm erfordern. Dieses Ausschlusskriterium komme beim Antragsteller zur Anwendung, weil er als Flugverkehrskontrolloffizier und somit als Lizenzhalter im Schichtdienst in der Flugbetriebsstaffel/... eingesetzt sei. Es werde empfohlen, von der vom nächsten und nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten angebotenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, den Schichtplan den individuellen Bedürfnissen in Bezug auf die Betreuung des Kindes anpassen zu lassen.

6 Mit Schreiben vom 11. April 2012 beschwerte sich der Antragsteller über die Ablehnung seines Antrags auf Teilzeitbeschäftigung. Auch im Fall des Kataloges des § 6 Abs. 1 STzV sei die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung im Einzelfall möglich. Eine Einzelfallprüfung könne nicht darin bestehen festzustellen, dass ein Antragsteller zum Kreis der in § 6 Abs. 1 STzV genannten Personen gehört.

7 Mit Bescheid vom 26. Juni 2012 wies der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - die Beschwerde zurück. Der Antragsteller sei im Besitz der Lizenzen APS und ADI und falle daher unter den Ausschlusskatalog des § 6 Abs. 1 STzV. Gemäß § 7 Abs. 1 STzV könne die beantragte Teilzeitbeschäftigung nur bewilligt werden, wenn ein Dienstposten benannt werde, auf dem die Teilzeitbeschäftigung wahrgenommen werden könne. Das sei hier nicht der Fall. Auch bei einer Einzelfallprüfung könne die zuständige Behörde ihr Ermessen lediglich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ausüben und dürfe insbesondere über diesen Rahmen nicht hinausgehen. Der Regelung der Soldatinnen- und Soldatenteilzeitbeschäftigungsverordnung sei eindeutig zu entnehmen, dass bei bestimmten Verwendungen eine Teilzeitbeschäftigung nicht in Frage komme. Über dieses Verbot könne sich die zuständige Behörde nicht hinwegsetzen. Es sei bereits zu Recht auf die Möglichkeit einer Gestaltung des Schichtdienstplanes hingewiesen worden, die seinen Bedürfnissen entgegenkomme.

8 Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 9. Juli 2012 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Dabei hat er die begehrte Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 89 % abweichend vom ursprünglichen Schreiben auf den Zeitraum vom 22. Oktober bis 23. November 2012 begrenzt. Die anderen ursprünglich beantragten Zeiträume seien ersatzlos zu streichen.

9 Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 13. Juli 2012 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

10 Er beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

11 Der Antrag sei, wie im Beschwerdebescheid dargelegt, offensichtlich unbegründet.

12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - R II 2 - ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A - D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

13 Der Antragsteller hat keinen förmlichen Sachantrag gestellt. Er begehrt sinngemäß, die Bescheide des Personalamts der Bundeswehr vom 12. März 2012 und des Bundesministers der Verteidigung vom 26. Juni 2012 insoweit aufzuheben, als sie der Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung für die Zeit vom 22. Oktober bis 23. November 2012 entgegenstehen, und den Dienstherrn zu verpflichten, für den Zeitraum vom 22. Oktober bis 23. November 2012 Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 89 % zu bewilligen.

14 1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet.

15 Für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis ist nach § 82 Abs. 1 SG der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Die Wehrdienstgerichte haben hiernach über die Verletzung solcher Rechte und Pflichten zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung beruhen, also in truppendienstlichen Angelegenheiten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB 61.04 - m.w.N. <insoweit nicht veröffentlicht in NZWehrr 2005, 212>, vom 9. März 2010 - BVerwG 1 WB 9.09 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 78, Rn. 14 = NZWehrr 2010, 159 und vom 27. April 2010 - BVerwG 1 WB 13.09 , Rn. 19 -).

16 Zu den truppendienstlichen Angelegenheiten, die die Rechte eines Soldaten aus dem genannten Vorschriftenbereich des Soldatengesetzes betreffen, gehören auch die Entscheidungen der zuständigen Vorgesetzten oder der zuständigen Dienststelle der Bundeswehr über die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung nach § 30a SG. Bei Streitigkeiten über die Bewilligung ist deshalb gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet. § 30a SG stellt keine Vorschrift dar, die aus der Rechtswegzuweisung an die Wehrdienstgerichte in § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO ausgeklammert ist.

17 Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist keine Erledigung der Hauptsache eingetreten. Der Antragsteller hat sein ursprüngliches Begehren der Teilzeitbeschäftigung auf den Zeitraum vom 22. Oktober 2012 bis 23. November 2012 reduziert.

18 2. Der Antrag ist aber nicht begründet.

19 Gemäß § 30a Abs. 1 SG kann einem Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit auf seinen Antrag Teilzeitbeschäftigung u.a. dann bewilligt werden, wenn er mindestens ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreut. Das Nähere zur Teilzeitbeschäftigung der Soldaten wird gemäß § 30a Abs. 5 SG in einer Rechtsverordnung geregelt, in der auch bestimmte Verwendungen oder Truppenteile festgelegt werden können, für die Teilzeitbeschäftigung nicht in Frage kommt. Aufgrund dieser Ermächtigung hat der Bundesminister der Verteidigung die Verordnung über die Teilzeitbeschäftigung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (Soldatinnen- und Soldatenteilzeitbeschäftigungsverordnung - STzV) vom 9. November 2005 (BGBl. I S. 3157) erlassen. Nach diesen Regelungen steht die Entscheidung über die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung im Ermessen der zuständigen Stelle. Das ist das Bundesministerium der Verteidigung oder die von ihm beauftragte Stelle (§ 30a Abs. 2 Satz 1 SG).

20 Dass der Antragsteller gemäß § 1 STzV antragsberechtigt ist und die Antragsvoraussetzungen gemäß § 3 STzV erfüllt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Ebenso unstreitig ist auch, dass er im Besitz der Lizenzen APS und ADI ist und damit unter den Ausschlussgrund des § 6 Abs. 1 Nr. 7 STzV fällt. Diese Regelung ist durch die Ermächtigungsnorm des § 30a Abs. 5 2. Satzteil SG gedeckt.

21 Der Antragsteller begehrt jedoch eine Ermessensentscheidung, die nicht allein auf die normativen Ausschlussgründe abstellt, sondern seinen Einzelfall prüft. Auf diese (weitere) Einzelfallprüfung hat er keinen Anspruch, denn sie hat bereits stattgefunden. Die dabei getroffene Ermessensentscheidung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

22 Entgegen der Auffassung des Antragstellers muss eine Einzelfallprüfung nicht zwangsläufig zu einem für den Antragsteller positiven Ergebnis führen. Eine Einzelfallprüfung kann auch - wie hier - mit dem Ergebnis enden, dass den dienstlichen Interessen Vorrang gegenüber den privaten Interessen des Antragstellers zukommt. Denn auch die Ermessensausübung im Einzelfall ist an den gesetzlichen Rahmen gebunden.

23 Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die Regelung des § 6 Abs. 1 STzV, derzufolge bei den dort aufgeführten Verwendungen Teilzeitbeschäftigung grundsätzlich nicht möglich ist, dahin auszulegen ist, dass bei diesen Verwendungen eine Teilzeitbeschäftigung immer ausgeschlossen ist, wie es der Bundesminister der Verteidigung unter Bezug auf den Wortlaut des § 30a Abs. 5 SG meint, oder ob diese Bestimmung einen Grundsatz darstellt, der auch Ausnahmen zulässt. Denn hier hat das Personalamt der Bundeswehr als für die Entscheidung zuständige Stelle in dem angefochtenen Bescheid für seine Ermessensentscheidung darauf abgestellt, dass sowohl der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 7 STzV als auch den Belangen des Antragstellers dadurch Rechnung getragen werden kann, dass ihm zwar nicht Teilzeitbeschäftigung bewilligt wird, seinen individuellen Bedürfnissen in Bezug auf die Betreuung seines Kindes aber durch entsprechende Regelungen in seinem Schichtplan Rechnung getragen werden kann. Eine solche Abwägung der widerstreitenden Belange ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie stellt sich auch nicht als unverhältnismäßig dar, weil dem Begehren des Antragstellers nach Einschätzung seiner Disziplinarvorgesetzten in vollem Umfang Rechnung getragen werden kann.

24 Aus der „Teilkonzeption Vereinbarkeit von Familie und Dienst in den Streitkräften“, die der Generalinspekteur der Bundeswehr am 21. Mai 2007 erlassen hat, ergeben sich keine weitergehenden Rechte des Antragstellers. Diese Teilkonzeption stellt - wie bereits der Titel dokumentiert - ein Konzept zur „Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst“ dar; aus ihr folgt aber kein konkreter Rechtsanspruch eines einzelnen Soldaten auf bestimmte Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Familienbetreuung und Dienst fördern. Vielmehr überlässt es die Teilkonzeption den zuständigen Stellen, im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung „geeignete“ Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels zu treffen (vgl. Beschlüsse vom 9. Januar 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 10.07 - und vom 29. April 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 6.08 -).

25 Soweit das Begehren des Antragstellers, trotz der ihm aufgezeigten Möglichkeit seinen Antrag auf Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung aufrecht zu erhalten, darauf beruht, dass er diese Möglichkeit für nicht hinreichend verlässlich in der Durchführung hält, ist darauf hinzuweisen, dass entsprechende Absichtserklärungen sowohl von seinem nächsten als auch von seinem nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten gegenüber dem Personalamt der Bundeswehr abgegeben wurden. Auf die sich daraus ergebenden Bindungen kann der Antragsteller verweisen, falls die Schichtdienstplangestaltung für den betreffenden Zeitraum seine Bedürfnisse nicht hinreichend berücksichtigen sollte.