Beschluss vom 11.03.2008 -
BVerwG 1 WB 41.07ECLI:DE:BVerwG:2008:110308B1WB41.07.0

Leitsätze:

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1.  Bei einem Soldaten, der sich im Status eines Reservisten befindet, entfällt die Möglichkeit, nach § 17 Abs. 4 Satz 2 WBO den Antrag auf gerichtliche Entscheidung "bei dem nächsten Disziplinarvorgesetzten" einzulegen. Das Gesetz sieht nicht vor, dass der Antrag auch bei dem früheren nächsten Disziplinarvorgesetzten eingelegt werden kann.

  • Rechtsquellen
    WBO § 17 Abs. 4
    SLV § 2 Abs. 1 Satz 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.03.2008 - 1 WB 41.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:110308B1WB41.07.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 41.07

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Falkenberg und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Pohl
am 11. März 2008 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Die Antragstellerin wendet sich gegen die ihr im Rahmen einer besonderen Auslandsverwendung in M./Bosnien-Herzegowina erteilte Beurteilung.

2 Die 1951 geborene Antragstellerin ist Zivilbeschäftigte des Bundes beim ...amt in B. Nach ihrer Einberufung zu einer besonderen Auslandsverwendung war sie vom 21. Februar 2007 bis zum 22. Juni 2007 mit dem zeitweilig höheren Dienstgrad Oberstleutnant im Soldatenstatus als Stellvertretende Leiterin der Stabsabteilung ... im Headquarter Multinational Task Force ... sowie anschließend im Headquarter Multinational Task Force ... in M. eingesetzt.

3 Der S 8 Chief als zuständiger (französischer) Vorgesetzter bewertete die „overall performance“ der Antragstellerin in der internationalen Beurteilung (International Evaluation Report) vom 28. April 2007 mit „very good“. Dieser Beurteilung schloss sich am selben Tag der zuständige Vorgesetzte der italienischen Armee an.

4 Der Dienstälteste Deutsche Offizier des Hauptquartiers, Oberst i.G. G., äußerte sich in Teil VIII dieses International Evaluation Report am 15. Mai 2007 wie folgt über die Antragstellerin:
„I agree with rater concerning the language skills and the financial issues responding to her work. I do not agree with rater concerning her overall performance which is not more than satisfactory. Her behavoir as staff officer in relationship with the German officers Corps was weak.“

5 Diese internationale Beurteilung wurde der Antragstellerin am 22. Mai 2007 eröffnet.

6 Am 23. Mai 2007 erstellte Oberst i.G. G. für die Antragstellerin die „Beurteilung von Reservistinnen und Reservisten“ nach Nr. 201, 212, 213 Buchst. b, 214 ZDv 20/6 i.V.m. Anlage 14/1, Vordruck E, zur ZDv 20/6 in der Fassung vom 17. Januar 2007. Im Abschnitt 2. („Bewertung der Aufgabenerfüllung“) beurteilte er die Leistungen der Antragstellerin mit der Wertungsstufe 2. Diese Wertungsstufe wird innerhalb einer neunstufigen Skala (mit der Höchstnote 9) in Anlage 4 zur ZDv 20/6 als „die Leistungserwartungen wurden überwiegend erfüllt“ definiert. Ergänzend führte er in freier Beschreibung aus:
„Frau OTL M. hat ihre Aufgaben, die nationalen Haushaltsinteressen im multinationalen Umfeld der Task Force South East unter französischer Lead-Funktion zu vertreten, überwiegend erfüllt. Ihre bisherige haushaltsrechtliche Erfahrung sowie der formale Umgang mit den Vertretern anderer Nationen halfen ihr dabei ebenso wie ihre Fremdsprachenkenntnisse. Frau OTL M. ist für ihr Alter eine ausgezeichnete Langstreckenläuferin und hat dies bei sportlichen Vorhaben im Camp Europe unter Beweis gestellt. Sie ist physisch voll einsatzbereit. Ihr Einfühlungsvermögen im Umgang mit den Offizierskameraden muss jedoch verbessert werden, da Frau M. nur sehr wenig kompromissbereit war. Die militärische Gemeinschaft sowie das Offizierskorps schlechthin waren für Frau OTL M. während ihres Einsatzes eine doch ‚fremde Welt’. Sie tat sich sehr schwer mit der Integration und ‚ließ sich auch nicht helfen’. Zusammenfassend bleibt mir festzustellen, dass Frau OTL M. sich noch intensiv in die Zugehörigkeit zum Offizierskorps einbringen muss, anderweitig wäre für sie ein weiterer Einsatz nicht als Stabsoffizier, sondern ausschließlich als zivile Mitarbeiterin wünschenswert.“

7 In ihrer Erklärung als Beurteilte führte die Antragstellerin in Abschnitt 4. der Beurteilung Folgendes aus:
„Ich bin Reservistin, zum zweiten Mal in M. in derselben Position, jedoch zum ersten Mal mit dem Dienstgrad ‚Oberstleutnant’ eingesetzt. Mir ist durchaus bewusst, dass ich noch eine Menge an Erfahrung und Ausbildung benötige und bin keinesfalls der Meinung, ein perfekter Oberstleutnant (w) zu sein. Dabei ziele ich nicht darauf ab, jemals Führungsverantwortung in militärischen Aktivitäten wahrnehmen zu wollen oder zu können.
Ich begrüße, wenn unter 3.3. als Vorschläge für weitere Ausbildung Stabsdienstlehrgänge an der FüAkBw aufgeführt werden, die ich sehr gern besuchen würde, um Aufgaben im militärischen Umfeld besser wahrnehmen zu können und bei Bedarf ähnliche Dienstposten in Uniform zu besetzen. Ich möchte auch weiterhin militärisch üben und auch in Uniform in Auslandseinsätze gehen.
Trotzdem bin ich der Auffassung, dass die Beurteilung bezüglich der Wahrnehmung meiner Fachaufgaben sowie die Ansicht über meine Eingliederung in die militärische Gemeinschaft nicht angemessen ist.
Den Weg der Gegendarstellung behalte ich mir offen.“

8 Diese Beurteilung hatte Oberst i.G. G. der Antragstellerin am 21. Mai 2007 im Entwurf ausgehändigt und mit ihr am 22. Mai 2007 im persönlichen Gespräch erörtert. Der nächsthöhere Vorgesetzte, der Kommandeur des 7. Deutschen Einsatzkontingents, schloss sich der Beurteilung am 28. Mai 2007 „in vollem Umfang“ an.

9 Mit Schreiben vom 24. Mai 2007 erhob die Antragstellerin eine Gegendarstellung, zu der Oberst i.G. G. am 25. Mai 2007 schriftlich Stellung nahm. Diese Stellungnahme wurde der Antragstellerin am 25. Mai 2007 ausgehändigt und am 26. Mai 2007 im persönlichen Gespräch mit ihr erörtert.

10 Gegen die Beurteilung legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 4. Juni 2007 Beschwerde ein und rügte den Verstoß gegen Beurteilungsgrundsätze. Sie machte u.a. geltend, die Beurteilung stehe nicht im Einklang mit dem Ergebnis der „Fachbeurteilungsbeiträge“ vom 28. April 2007. Zu Unrecht bescheinige ihr Oberst i.G. G., dass sie kein Teamplayer sei. In der fachlichen Qualifikation und in der Aufgabenerfüllung habe sie ein besseres Werturteil verdient.

11 Die Beschwerde wies der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr mit Beschwerdebescheid vom 4. Juli 2007 zurück.

12 Gegen diese Entscheidung legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 24. Juli 2007 weitere Beschwerde ein, die der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit Beschwerdebescheid vom 28. September 2007 ebenfalls zurückwies. Dieser Bescheid enthielt folgende Rechtsbehelfsbelehrung:
„Gegen diesen Bescheid können Sie die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Wehrdienstsenate), Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, beantragen. Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheides bei mir einzulegen und zu begründen. Sie können den Antrag auch bei Ihrem nächsten Disziplinarvorgesetzten einlegen und begründen. Mit dem Antrag kann nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder Unterlassung rechtswidrig sei. Der Antrag kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift gestellt werden. Wird er schriftlich gestellt, ist die Frist nur gewahrt, wenn der Antrag mit Begründung vor Ablauf der Frist bei der zur Einlegung zuständigen Stelle eingeht.“

13 Gegen diese ihr am 9. Oktober 2007 zugestellte Entscheidung richtet sich der Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung vom 22. Oktober 2007, den sie an das Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenate - in Leipzig adressiert hat. Der Antrag, der lediglich im Bezug den Hinweis „BMVg - FüS/RB-Az 250511/21.07 vom 28. September 2007“ enthielt, ging am 23. Oktober 2007 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Von dort wurde er am selben Tag per Telefax an den Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - übermittelt, der ihn an den Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr weiterleitete. Dort ging der Antrag am 25. Oktober 2007 ein.

14 Zu dem Antrag hat der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr mit Schreiben vom 8. November 2007 Stellung genommen.

15 Zur Begründung ihres Antrages trägt die Antragstellerin insbesondere vor:
Sie habe im internationalen Bereich eine überwiegend positive Beurteilung erhalten. Diese verkehre sich in der von Oberst i.G. G. erstellten Beurteilung total ins Gegenteil. Er habe insbesondere auf negative Aspekte abgehoben, die sich im Verlauf der gesamten Einsatzzeit lediglich auf „formale Aspekte“ des Bundeswehralltags bezogen hätten und nur zu einem kleinen Teil auf ihr eigentliches Fachgebiet als Beauftragte für den Haushalt. Hinweise zur Mängelabstellung insbesondere zu formalen Aspekten habe sie sehr wohl angenommen. Die Beurteilung enthalte zwei Sätze zur Aufgabenerfüllung während ihrer Einsatzdauer. Diese ließen sich durchaus positiv interpretieren. Einem fremden Leser erschließe sich aber nicht, was tatsächlich hinter der Dienstpostenbezeichnung im Tagesbetrieb zu leisten gewesen sei. Darin erkenne sie einen klaren Verstoß gegen die Beurteilungsgrundsätze. Ihre anerkannt sehr guten Fremdsprachenkenntnisse in Englisch, Französisch und Spanisch hätten ihr einen besonderen Zugang zu Offizierskameraden anderer Nationen eröffnet. Innerhalb der neunskaligen Wertung sei das Ergebnis „überwiegend erfüllt“ deprimierend. Die Gesamtbewertung sei widersprüchlich.

16 Die Antragstellerin beantragt,
die Beurteilung im Auslandseinsatz vom 23. Mai 2007 aufzuheben.

17 Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

18 Er hält den Antrag für unzulässig, weil die Antragstellerin die Antragsfrist des § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO nicht eingehalten habe. Erst nach Ablauf dieser Frist sei der Antrag auf gerichtliche Entscheidung am 25. Oktober 2007 bei ihm eingegangen. Der Eingang beim Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - am 23. Oktober 2007 sei unmaßgeblich, weil dieses Referat ausschließlich für den Bundesminister der Verteidigung handele. Die aus der falschen Adressierung resultierenden Zeitverzögerungen seien allein der Antragstellerin zuzurechnen. In der Sache sei der Antrag unbegründet.

19 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr und des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis - FüS/RB - 25-05-11/21.07 - sowie zwei Handakten „Reservisten“, die Antragstellerin betreffend, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

20 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.

21 Seiner Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass er erst am 25. Oktober 2007, zwei Tage nach Ablauf der hier am 23. Oktober 2007 endenden Antragsfrist des § 17 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 und § 22 WBO, beim Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis als der zuständigen Einlegungsstelle eingegangen ist.

22 Dessen Beschwerdebescheid vom 28. September 2007 war der Antragstellerin mit der oben wiedergegebenen Rechtsbehelfsbelehrung am 9. Oktober 2007 zugestellt worden.

23 Diese Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig. Eine Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelbelehrung ist unrichtig, wenn in ihr die zutreffenden Angaben über die Stelle, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, fehlen oder wenn diese Angaben irreführend bzw. durch falsche oder irreführende Zusätze ergänzt sind, die ihrerseits geeignet sind, die Rechtsverfolgung zu erschweren (vgl. Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997, § 7 Rn. 30). Das ist hier der Fall.

24 Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei dem für die Entscheidung über die weitere Beschwerde zuständigen Vorgesetzten (§ 16 Abs. 3 WBO), hier also dem Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis, einzureichen. Die Frist wird auch gewahrt, wenn der Antrag bei dem nächsten Disziplinarvorgesetzten oder in den - hier nicht vorliegenden - Fällen des § 5 Abs. 2 WBO und des § 11 Buchst. b WBO bei den dort bezeichneten Vorgesetzten eingelegt wird (§ 17 Abs. 4 Satz 2 WBO).

25 Die schlichte Angabe im zweiten Satz der Rechtsbehelfsbelehrung des Beschwerdebescheids, der Antrag könne „bei mir“ eingelegt werden, ist geeignet, beim Leser einen Irrtum über den richtigen Adressaten des Antrags auf gerichtliche Entscheidung hervorzurufen. Dieser Hinweis kann zur Identifizierung der richtigen Einlegungsstelle allenfalls dann genügen, wenn er sich inhaltlich auf eine eindeutig und unmissverständlich formulierte Kopfzeile des Bescheids bezieht. Die Kopfzeile des Beschwerdebescheids lautet indessen (lediglich) „Bundesministerium der Verteidigung“. Unter dieser Kopfzeile firmieren allerdings sowohl der Bundesminister der Verteidigung (Referat PSZ I 7) als auch der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis. Diese konkretisierenden Bezeichnungen sind jedoch generell (und auch hier) nicht in der Kopfzeile enthalten, sondern - in abgesetzter Form - Teil der Angaben zu Adresse und Verbindungsdaten. Die infolgedessen mögliche Irreführung des Lesers wird noch dadurch gesteigert, dass die Rechtsbehelfsbelehrung in ihrem ersten Satz auf das Bundesverwaltungsgericht und dessen vollständige Adresse hinweist; damit wird suggeriert, dort könne unmittelbar der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. Genau diesen Eindruck hat diese (unzutreffende) Information ersichtlich bei der Antragstellerin hervorgerufen.

26 Darüber hinaus ist auch der Hinweis auf die Einlegungsmöglichkeit „bei Ihrem nächsten Disziplinarvorgesetzten“ unrichtig. Denn die Antragstellerin als zivile Beschäftigte der Bundeswehr hat keinen nächsten Disziplinarvorgesetzten. An die Stelle des nächsten Disziplinarvorgesetzten tritt in diesem Falle auch nicht, wie dies etwa in der Rechtsmittelbelehrung des Beschwerdebescheids vom 4. Juli 2006 angegeben wurde, der „frühere nächste Disziplinarvorgesetzte“. Eine solche erweiternde Auslegung widerspricht dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 2 WBO, der sich - ebenso wie § 5 Abs. 1 Satz 1 und § 16 Abs. 3 WBO - nur auf das aktuell bestehende, nicht auf ein früheres Vorgesetztenverhältnis bezieht. Sie ist auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht geboten. Denn der Antrag auf gerichtliche Entscheidung soll, wie sich aus dem Verhältnis von § 17 Abs. 4 Satz 1 zu § 17 Abs. 4 Satz 2 WBO ergibt, in erster Linie bei dem für die Entscheidung über die weitere Beschwerde zuständigen Vorgesetzten eingereicht werden; nur dieser ist auch verpflichtet, zu dem Antrag eine Stellungnahme abzugeben und diese mit dem Antrag dem Wehrdienstgericht vorzulegen (§ 17 Abs. 4 Satz 3 WBO). Die Möglichkeit, den Antrag bei dem nächsten Disziplinarvorgesetzten einzulegen, hat dagegen nur eine technische Funktion; sie soll die Antragstellung erleichtern, indem sie dem Antragsteller ermöglicht, sich auf kurzem Wege an den ihm bekannten nächsten Disziplinarvorgesetzten zu wenden. Wenn dieser Erleichterungseffekt nicht mehr eintreten kann, weil das Vorgesetztenverhältnis nicht mehr besteht, gibt es auch keinen Grund, im Wege der erweiternden Auslegung eine zusätzliche Einlegungsmöglichkeit bei dem „früheren nächsten Disziplinarvorgesetzten“ - hier dem Dienstältesten Deutschen Offizier in M./Bosnien-Herzegowina - zu eröffnen.

27 Die Unrichtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung stellt hinsichtlich der Hinderung an der Einhaltung einer Frist nach § 7 Abs. 2 WBO einen unabwendbaren Zufall im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO dar. Diese Bestimmung ist auf Anträge auf gerichtliche Entscheidung entsprechend anzuwenden (Beschluss vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 - m.w.N.). Die mit dem Wegfall dieses unabwendbaren Zufalls einsetzende Nachfrist von drei Tagen im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO beginnt jedoch erst mit Beseitigung des Hindernisses, d.h. für den Falle einer unrichtigen Belehrung erst mit der Richtigstellung zu laufen. Eine derartige Berichtigung der Rechtsbehelfsbelehrung hat die Antragstellerin nicht erhalten. Ihr Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist deshalb nicht verfristet.

28 Der gegen die Beurteilung vom 23. Mai 2007 gerichtete Antrag ist auch im Übrigen zulässig.

29 Dienstliche Beurteilungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV i.V.m. Nr. 201 ZDv 20/6 stellen nach ständiger Rechtsprechung des Senats truppendienstliche Maßnahmen dar, die nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV i.V.m. Nr. 1102 ZDv 20/6 vor den Wehrdienstgerichten angefochten werden können. Das gilt auch für Beurteilungen von Reservistinnen und Reservisten nach Nr. 201 i.V.m. Nr. 212 ff. ZDv 20/6. Zwar findet gemäß § 1 Abs. 3 WBO sowie § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV i.V.m. Nr. 1101 ZDv 20/6 eine Beschwerde gegen die in dienstlichen Beurteilungen enthaltenen Aussagen und Wertungen zur Persönlichkeit, Eignung, Befähigung und Leistung der Beurteilten nicht statt. Derartige Aussagen und Wertungen sind als höchstpersönliche Werturteile einer inhaltlichen gerichtlichen Prüfung nicht zugänglich. Gleichwohl kann ein Soldat oder eine Soldatin eine Beurteilung mit der Begründung anfechten, sie verstoße gegen Rechte, die ihm oder ihr in Bezug auf die Erstellung von Beurteilungen eingeräumt sind (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 8. März 2006 - BVerwG 1 WB 23.05 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 7 <insoweit nicht veröffentlicht>). Nr. 1102 Buchst. b ZDv 20/6 weist insoweit klarstellend darauf hin, dass eine Beschwerde statthaft ist, wenn die Beurteilten glauben, dass bei der Erstellung der Beurteilung solche Rechte verletzt worden sind, die ihnen als Garantie für eine sachgerechte Beurteilung nach der Rechtsordnung eingeräumt sind. Hiernach ist eine Beschwerde im Einzelnen dann statthaft, wenn der Beurteilte z.B. einen Verstoß gegen die Beurteilungsgrundsätze (Nr. 401 bis 409) geltend macht. Das ist hier seitens der Antragstellerin geschehen.

30 Der Antrag ist indessen nicht begründet.

31 Die Beurteilung vom 23. Mai 2007 und die deren Rechtmäßigkeit bestätigenden - sinngemäß ebenfalls angefochtenen - Beschwerdebescheide des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr vom 4. Juli 2007 und des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 28. September 2007 sind rechtmäßig und verletzen die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.

32 Dienstliche Beurteilungen sind in der Sache gerichtlich nur beschränkt nachprüfbar. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der beurteilende Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der Beurteilung oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Wenn das Bundesministerium der Verteidigung auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 SLV Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, kann das Gericht bei gegebenem Anlass im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden sind und mit den gesetzlichen Regelungen, speziell mit denen der Soldatenlaufbahnverordnung über die dienstliche Beurteilung, und mit sonstigen Rechtsvorschriften in Einklang stehen (Beschlüsse vom 6. März 2001 - BVerwG 1 WB 117.00 - BVerwGE 114, 80 = Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 15, vom 3. Juli 2001 - BVerwG 1 WB 17.01 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 16 jeweils m.w.N., vom 16. September 2004 - BVerwG 1 WB 21.04 - Buchholz 236.110 § 2 SLV Nr. 5 und vom 8. März 2006 a.a.O.).

33 Die angefochtene Beurteilung hält diese Maßgaben ein und ist rechtlich nicht zu beanstanden.

34 Für den Senat ist nicht erkennbar, dass der beurteilende Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der Beurteilung oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hätte.

35 Oberst i.G. G. ist auch von einem vollständigen und zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Entgegen der Darstellung der Antragstellerin ist ihre Fachtätigkeit ausführlich in der Beschreibung ihrer Aufgaben und Tätigkeiten während der Wehrdienstleistung dokumentiert. Ihre Fremdsprachenkenntnisse sind in Abschnitt 2. der Beurteilung erwähnt worden. Im Feld „Beiträge Dritter“ ist - neben dem Beitrag des Vorgängers im Amt - die internationale Beurteilung, die nach Nr. 504 ZDv 20/6 wie ein Beurteilungsbeitrag zu berücksichtigen ist, als (weitere) Beurteilungsgrundlage genannt. Zusätzliche fachliche Beurteilungsbeiträge waren für die Antragstellerin nicht einzuholen, weil diese nur für Soldatinnen bzw. Soldaten in den Laufbahnen des Sanitätsdienstes, des Militärmusikdienstes oder des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr zu erstellen sind (vgl. Nr. 506 ZDv 20/6).

36 Ohne Erfolg beanstandet die Antragstellerin, dass Oberst i.G. G. die positive internationale Beurteilung nicht genügend in seiner Beurteilung berücksichtigt habe. Internationale Beurteilungen (International Evaluation Reports) stellen keine Beurteilungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV dar. Die Arten der Beurteilungen hat das Bundesministerium der Verteidigung aufgrund der Ermächtigung in § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV in Nr. 201 Buchst. a Nr. 1 bis 5 ZDv 20/6 abschließend geregelt. Internationale Beurteilungen sind hingegen den Beurteilungsbeiträgen gleichgestellt (Nr. 504 ZDv 20/6). Sie sind ebenso wie nationale Beurteilungsbeiträge nach Nr. 503 ZDv 20/6 (lediglich) dafür vorgesehen, dem für die Beurteilung zuständigen nationalen Vorgesetzten zusätzliche Erkenntnisquellen zu erschließen und ihm dadurch eine umfassende und treffende eigene Beurteilung zu erleichtern. Die Feststellungen und Bewertungen in einem derartigen Beurteilungsbeitrag sind (nur) insoweit beachtlich, als sie bei der abschließenden Beurteilung zur Kenntnis genommen und bedacht werden müssen. Der für die Beurteilung zuständige nationale Vorgesetzte ist an die in den Beurteilungsbeiträgen enthaltenen Werturteile indessen nicht in der Weise gebunden, dass er sie in seine Beurteilung „fortschreibend“ übernehmen müsste (stRspr, Beschlüsse vom 29. April 1999 - BVerwG 1 WB 55.98 , 66.98 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 6 = NZWehrr 1999, 204 und vom 8. März 2006 a.a.O.). Demgemäß ist - in rechtlich nicht zu beanstandender Weise - in Nr. 503 Buchst. i ZDv 20/6 ausdrücklich festgelegt, dass der beurteilende Vorgesetzte auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung, die auch die durch Beurteilungsbeiträge vermittelten Erkenntnisse einzubeziehen hat, seine Bewertung in eigener Verantwortung trifft. Deshalb ist der beurteilende Vorgesetzte ferner nicht verpflichtet, im Abschnitt 2. im Einzelnen schriftlich darzulegen, in welchem Umfang die an dieser Stelle getroffene Gesamtwürdigung des Beurteilten auf seinen eigenen Erkenntnissen und auf den Beiträgen Dritter beruht. Die Gesamtwürdigung selbst ist - wie oben dargelegt - einer inhaltlichen gerichtlichen Kontrolle entzogen.

37 Oberst i.G. G. hat in der Beurteilung auch nicht gegen allgemeingültige Wertmaßstäbe verstoßen. Insbesondere ist die Beurteilung selbst in sich widerspruchsfrei und entspricht damit den Vorgaben der Nr. 401 Abs. 1 ZDv 20/6. Die Vergabe der Wertungsstufe 2 in Abschnitt 2. („Bewertung der Aufgabenerfüllung“) korrespondiert mit der Bewertung der fachlichen Leistungen als „überwiegend erfüllt“ im freien Text der Beurteilung. Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin im Hinblick auf ihr persönliches Verhalten eine besonders negative Bewertung durch Oberst i.G. G. Nach Nr. 402 ZDv 20/6 sind besonders positiv oder auch negativ hervortretende Leistungen im Rahmen der Gesamtleistung zu werten; dabei ist nicht das Zufällige, sondern das Charakteristische im (fachlichen und im charakterlich-persönlichen) Erscheinungsbild des Beurteilten zu betonen. Diese Vorgabe schließt es nicht aus, in die Wertung auch die dienstgrad- und dienstpostenbezogene Stellung des Beurteilten einzubeziehen. Es liegt innerhalb des Beurteilungsspielraums des beurteilenden Vorgesetzten, ob er bestimmten besonders positiven oder besonders negativen Leistungen im Hinblick auf die Anforderungen des Dienstpostens bzw. der Tätigkeit des Beurteilten und im Vergleich zu anderen Soldaten ein spezifisches Gewicht zuschreibt (vgl. Nr. 404 Satz 1 und 2 ZDv 20/6). Deshalb ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass Oberst i.G. G. auch die Stellung der Antragstellerin als Stabsoffizier innerhalb des Offizierskorps als wesentlich für die Beurteilung eingeschätzt und dazu eine Bewertung abgegeben hat.

38 Soweit die Antragstellerin den aus ihrer Sicht gegebenen Widerspruch zwischen der guten internationalen Beurteilung und der hier angegriffenen Beurteilung beanstandet, verkennt sie, dass sie damit die eigentliche Leistungsbewertung durch Oberst i.G. G. inhaltlich in Frage stellt. Dieser Kern der Beurteilung ist aber - abgesehen von dem Fall sachfremder Beeinflussung des Werturteils - durch § 1 Abs. 3 WBO der richterlichen Nachprüfung ausdrücklich entzogen (Beschluss vom 29. April 1999 a.a.O.). Die Ausfüllung des Persönlichkeits- und Leistungsbildes einer Soldatin oder eines Soldaten, und zwar sowohl die Gewichtung der Einzelmerkmale als auch die zusammenfassende Beurteilung, ist allein Sache des beurteilenden Vorgesetzten und fällt in den Kernbereich seines gerichtlich nicht nachprüfbaren subjektiven Werturteils.

39 Es ist auch nicht ersichtlich, dass Oberst i.G. G. bei seiner Beurteilung sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hätte. Das Anhörungs- und Erörterungsverfahren nach Nr. 618, 619 ZDv 20/6 ist eingehalten worden. Oberst i.G. G. hat mit der Antragstellerin überdies - wie er in seiner Stellungnahme vom 25. Mai 2005 zu ihrer Gegendarstellung ausführt - am 17. April und am 30. April 2007 zwei Beurteilungsgespräche geführt; damit hat er den Vorgaben der Nr. 508 ZDv 20/6 entsprochen.