Beschluss vom 10.07.2007 -
BVerwG 5 B 4.07ECLI:DE:BVerwG:2007:100707B5B4.07.0

Beschluss

BVerwG 5 B 4.07

  • Hamburgisches OVG - 19.10.2006 - AZ: OVG 3 Bf 275/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Juli 2007
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

2 1. Der Frage,
„a) Kann ein Vormundschaftsgericht nach dem Adoptionswirkungsgesetz [...] eine Feststellung nach § 2 Abs. 1 AdWirkG treffen, dass eine Annahme als Kind im Sinne des § 1 AdWirkG anzuerkennen oder wirksam ist, ohne nach § 2 Abs. 1 AdWirkG festzustellen, ob das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist?“,
kommt die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung nicht zu, weil sie sich in einem durchzuführenden Revisionsverfahren so nicht als entscheidungserheblich stellte.

3 Das Berufungsgericht hatte in dem Verfahren die Frage zu entscheiden, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern Staatsangehörigkeitsausweise auszustellen, weil diese infolge des in der Türkei auf der Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung geschlossenen Adoptionsvertrages (Urteil des Gerichts in Karliova/Türkei vom 17. November 2000 <Geschäfts-Nr. 2000/19; Urteils-Nr. 2000/128>; notariell beurkundeter Adoptionsvertrag vom 28. Februar/ 2. März 2001) im Sinne des § 6 Satz 1 StAG durch eine deutsche Staatsangehörige wirksam als Kind angenommen worden sind, bevor sie das 18. Lebensjahr vollendet hatten. Die Frage, ob und welche Voraussetzungen an eine wirksame Adoption und an eine gerichtliche Feststellung der Anerkennung einer Adoption im Ausland zu stellen sind, ergibt sich lediglich als Vorfrage, und zwar hier mit Blick darauf, dass das Berufungsgericht dahin erkannt hat (BU S. 13), dass aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Hamburg - Vormundschaftsgericht - vom 13. März 2003 nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG mit verbindlicher Wirkung auch gegenüber der Beklagten und den Verwaltungsgerichten die Frage positiv beantwortet worden ist, ob die Adoption der Kläger anzuerkennen bzw. wirksam ist.

4 Da das Amtsgericht hier tatsächlich einen Beschluss nach § 2 AdWirkG erlassen und entschieden hat, dass die „Adoptionsentscheidung des Amtsgerichts Karliova/Türkei ... anzuerkennen und wirksam“ ist, stellt sich allein die - vom Berufungsgericht geprüfte und bejahte - Frage, ob diese Entscheidung in Bezug auf die „Wirksamkeit“ der Adoption selbst im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG eine „Feststellung nach § 2“ ist, die geeignet ist, Bindungswirkung zu entfalten. Ob das Vormundschaftsgericht eine Festsstellung nach § 2 Abs. 1 AdWirkG getroffen hat, beantwortet sich nach dem Inhalt der Entscheidung selbst und nicht danach, ob das Gericht auch die in § 2 Abs. 2 AdWirkG vorgesehenen Feststellungen für den Fall einer anzuerkennenden oder wirksamen Annahme getroffen hat oder die Feststellung, ob eine Annahme als Kind anzuerkennen oder wirksam ist, mit der ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts hiervon zu trennenden Feststellung verbunden hat, ob das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist. Soweit für die Frage, ob (tatsächlich) in einem Beschluss eines Vormundschaftsgerichts (zumindest) eine (isolierte) Feststellung liegt, dass die Annahme als Kind anzuerkennen oder wirksam ist, von Bedeutung sein mag, ob eine solche (isolierte) Festsstellung normativ nicht getroffen werden darf, wenn nicht zugleich ein Ausspruch über das Fortbestehen des Eltern-Kind-Verhältnisses oder eine Feststellung nach § 2 Abs. 2 AdWirkG erfolgt, beträfe dies eine rechtsgrundsätzlicher Klärung nicht zugängliche Frage der Auslegung der gerichtlichen Entscheidung im Einzelfall.

5 Hiervon zu trennen ist die - von der Beschwerde nicht ausdrücklich aufgeworfene und von dem Berufungsgericht mit Blick auf andere Rechtsfragen verneinte - Frage, ob die Bindungswirkung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG deshalb entfällt, weil der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg an einem so offensichtlichen und schwerwiegenden rechtlichen Mangel leidet, dass er wegen greifbarer Rechtswidrigkeit als wirkungslos zu behandeln ist. Hierfür ist nicht darauf abzustellen, ob ein Ausspruch zur Wirksamkeit der Adoption nach dem Gesetz mit Feststellungen zum Fortbestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisse oder nach § 2 Abs. 2 AdWirkG zu verbinden wäre. Entscheidungserheblich ist, ob - was das Oberverwaltungsgericht verneint hat (BU S. 15, 16) - „ein derart beschränkter Ausspruch nach dem Gesetz offensichtlich unzulässig wäre“ oder zu greifbarer Rechtswidrigkeit führte, welche die Bindungswirkung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG entfallen ließe. Soweit hierauf bezogene Fragen als sinngemäß aufgeworfen anzusehen wären, fehlte es bereits an der erforderlichen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) Darlegung der fallübergreifenden grundsätzlichen Bedeutung. Denn es ist nicht substantiiert dargetan, dass die von der Beschwerdebegründung als nach § 2 AdWirkG als geboten erachteten Feststellungen nicht nur im vorliegenden Fall - nach der Rechtsauffassung der Beklagten rechtsfehlerhaft - vom Vormundschaftsgericht unterlassen worden sind, sondern dieser Rechtsfehler auch in anderen Fällen zu erwarten ist und daher seine Folgen für die Bindungswirkung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG grundsätzlicher Klärung bedürften.

6 2. Die hieran anknüpfende Frage,
„b) Kann ein Vormundschaftsgericht die Adoptionswirkung nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Adoptionswirkungsgesetz [...] feststellen, ohne zugleich eine Feststellung zum Nichtvorliegen des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AdWirkG und zum Erlöschen des Eltern-Kind-Verhältnisses nach § 2 Abs. 1 AdWirkG zu treffen - beispielsweise weil das Vormundschaftsgericht sich hinsichtlich des Erlöschens noch keine abschließende Meinung gebildet hat - oder stellt das Vormundschaftsgericht mit der Feststellung nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AdWirkG zugleich immer kraft Gesetzes fest, dass das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern im Sinne von § 2 Abs. 1 AdWirkG nicht erloschen und der Fall des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AdWirkG nicht gegeben ist?“,
stellte sich bereits aus den zu 1. bezeichneten Gründen so ebenfalls nicht. Angesichts der in § 2 Abs. 1 AdWirkG vorgenommenen Unterscheidung zwischen der Feststellung, ob eine Annahme als Kind im Sinne des § 1 AdWirkG anzuerkennen oder wirksam ist, und der Feststellung, ob das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist, bedarf zumindest keiner Klärung, dass die Feststellung einer anzuerkennenden oder wirksamen Annahme nicht das (vollständige) Erlöschen des Eltern-Kind-Verhältnisses zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme voraussetzt. Die weitergehende Frage, ob aus den in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AdWirkG genannten Entscheidungsalternativen ein Ausschließlichkeitsverhältnis folgt, so dass die - positive - Feststellung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AdWirkG notwendig die - negative - Feststellung bedeutet, dass das Eltern-Kind-Verhältnis zu den bisherigen Eltern erloschen sei, ist für sich allein genommen nicht entscheidungserheblich. Dies wäre es nur dann, wenn die Anwendung des § 6 Satz 1 StAG die nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AdWirkG durch ein Vormundschaftsgericht getroffene positive Feststellung voraussetzte, dass das Eltern-Kind-Verhältnis zu den bisherigen Eltern erloschen ist, oder die Wirkungen nach § 6 Satz 1 StAG nicht eintreten können, wenn positiv festgestellt worden ist, dass das Eltern-Kind-Verhältnis nicht (vollständig) erloschen ist. Diese - von dem Berufungsgericht verneinte - Frage wirft die Beschwerde indes weder ausdrücklich noch sinngemäß - auch nicht mit der nachfolgend behandelten Frage - auf. Selbst wenn also der von der Beklagten als geboten erachtete Umkehrschluss zu ziehen und dem Vormundschaftsgericht eine Entscheidung verwehrt wäre, die sich bei nicht abschließend zu treffender Entscheidung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AdWirkG auf die Feststellung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AdWirkG beschränkt - was hier nicht zu entscheiden ist -, folgte hieraus nichts Zwingendes für die Anwendung des § 6 StAG und hinderte insbesondere nicht die - eigenständige - Bewertung, die Annahme stehe für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 6 StAG einer Annahme nach deutschem Recht in wesentlichen Hinsichten gleich (so BU S. 17).

7 3. Die Frage schließlich,
„c) Steht mit der Feststellung des Vormundschaftsgerichts gem. § 2 Abs. 1 AdWirkG, dass das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme nicht erloschen ist, gem. § 4 Abs. 2 S. 1 AdWirkG bindend fest, dass die Voraussetzungen des § 6 StAG nicht gegeben sind?“,
rechtfertigt deswegen nicht die Zulassung der Revision, weil sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, dass dies nicht der Fall ist. Die Bindungswirkung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG erstreckt sich auf die von dem Vormundschaftsgericht getroffenen Feststellungen und damit auf die Frage, ob eine Adoption anzuerkennen bzw. wirksam ist und ggf. auch darauf erweitert, ob von einem Erlöschen des Eltern-Kind-Verhältnisses auszugehen ist (wenn und soweit insoweit der Bindungswirkung zugängliche Feststellungen getroffen worden sind). Welche staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen sich aus den nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG bindenden vormundschaftsgerichtlichen Feststellungen zu Bestand (Anerkennung oder Wirksamkeit) und Reichweite einer Annahme als Kind ergeben, beurteilt sich allein nach § 6 StAG. Die Bindungswirkung der vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung aus § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG erstreckt sich - dies folgt unmittelbar aus dem Gesetz und bedarf nicht revisionsgerichtlicher Klärung - nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck nicht auch auf die staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtsfolgen. Die von der Beklagten herangezogene Passage aus der Gesetzesbegründung (BTDrucks 14/6011 S. 28) rechtfertigt keine andere Beurteilung und erlaubt insbesondere nicht den Schluss, der Gesetzgeber habe durch die Einführung eines vormundschaftsgerichtlichen Feststellungsverfahrens die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 6 StAG ändern wollen. Gegen die von der Beklagten angenommene „Konzentrationswirkung“ auch in Bezug auf staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtsfolgen sprechen nicht zuletzt die in § 5 AdWirkG getroffenen Verfahrens- und Beteiligungsregelungen.

8 4. Soweit sich das Beschwerdevorbringen der Sache nach gegen die von dem Berufungsgericht gefundene Auslegung des § 6 StAG und dort insbesondere die Rechtsauffassung richtet, dass das seinerseits durch Auslegung gewonnene Kriterium der „Gleichwertigkeit“ einer Adoption, welche erst die Rechtsfolgen des § 6 Satz 1 StAG auslöst, „nicht durch das Merkmal näher bestimmt [ist], dass das Eltern-Kind-Verhältnis zu den bisherigen Eltern erloschen sein muss“, werden mit der Beschwerde klärungsfähige oder -bedürftige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung weder ausdrücklich formuliert noch in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise erkennbar. Soweit in Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - BVerwG 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <für den Sonderfall der Adoption eines Kindes nach Eintritt der Volljährigkeit zu den Bedingungen der Minderjährigenadoption>; Hess. VGH, Urteil vom 13. November 1984 - StAZ 1985, 312; BayVGH, Urteil vom 9. November 1988 - 5 B 86.03 280 - NJW 1989, 3107) und staatsangehörigkeitsrechtlichem Schrifttum (GK StAG § 6 StAG Rn. 39 ff.; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., § 6 Rn. 23) für die „Wesensgleichheit“ daran angeknüpft wird, dass die im Ausland vollzogene Adoption nicht „wesentlich“ hinter denen der Minderjährigenadoption deutschen Rechts zurückbleibt, insoweit zwischen einer „starken“ und einer “schwachen“ Adoption unterschieden und regelmäßig auf eine „Volladoption“ abstellt wird, folgt hieraus nicht, dass das Staatsangehörigkeitsrecht de lege lata hierfür allein oder maßgeblich an das (vollständige) Erlöschen des Kindschaftsverhältnisses zu den leiblichen Eltern anknüpft oder sonst die in § 2 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG vorgenommene Differenzierung übernimmt.

9 5. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

10 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG (und den Streitwertkatalog 2004 Nr. 42.2).