Beschluss vom 04.07.2008 -
BVerwG 6 B 39.08ECLI:DE:BVerwG:2008:040708B6B39.08.0

Beschluss

BVerwG 6 B 39.08

  • OVG Berlin-Brandenburg - 27.03.2008 - AZ: OVG 1 A 1.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juli 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und Dr. Bier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. März 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionszulassung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

3 1. Die Kläger möchten revisionsgerichtlich geklärt wissen, wer im Falle des Bestreitens des Vorliegens eines Vereins das Verbot des angeblichen Vereins angreifen dürfen soll. Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

4 Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt einer Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung bedarf. Dies ist nach der Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation und auf dieser Grundlage ohne weiteres beantworten lässt (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 11. Oktober 2000 - BVerwG 6 B 47.00 - Buchholz 448.6 § 5 KDVG Nr. 10 S. 6 f. m.w.N.). So liegt es hier.

5 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung nur die verbotene Vereinigung befugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO, nicht hingegen ein Mitglied (vgl. z.B. Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 - BVerwG 6 A 5.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 39 S. 67 m.w.N.; Beschluss vom 2. März 2001 - BVerwG 6 VR 1.01 <6 A 1.01 > - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 34 S. 34 m.w.N.). Diese Rechtsprechung bezieht sich auch auf nicht rechtsfähige Vereinigungen. Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch zu entnehmen, dass einzelne Personen ein individuelles und damit nach § 42 Abs. 2 VwGO zulässiges Rechtsschutzbegehren jedenfalls dann verfolgen, wenn ihnen - wie hier - die Verbotsverfügung zugestellt wurde und soweit sie geltend machen, die Voraussetzungen einer Vereinigung lägen nicht vor (vgl. Beschluss vom 2. März 2001 a.a.O. S. 34). Mithin ist die von den Klägern aufgeworfene und hier in Rede stehende Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung - soweit sie für den Rechtsstreit erheblich ist - geklärt. Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich die grundsätzliche Bedeutung nicht daraus, dass in den Fällen der zulässigen Anfechtung eines Vereinsverbots durch natürliche Personen mit der Begründung, die Voraussetzungen eines Vereins lägen nicht vor, die Kläger auf jenes Vorbringen beschränkt sind und die materiellen Verbotsgründe nicht geprüft werden. Dies ist entgegen der Auffassung der Kläger keine Verletzung „des Rechtsstaatsprinzips“. Handelt es sich nicht um einen Verein, ist die Verbotsverfügung schon deshalb aufzuheben. Liegen hingegen die Voraussetzungen eines Vereins vor, ist dieser nicht gehindert, selbst eine gerichtliche Prüfung herbeizuführen.

6 2. Der Rechtssache kommt auch insoweit keine grundsätzliche Bedeutung zu, als die Kläger geklärt wissen möchten, welche Voraussetzungen ein Verein im Sinne von § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) - VereinsG - vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), in personeller Hinsicht erfüllen muss und „welches Maß an Aktivität“ ein Verein voraussetzt. Nach § 2 Abs. 1 VereinsG ist ein Verein im Sinne des Vereinsgesetzes ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Ob jene Voraussetzungen im konkreten Fall vorliegen, bedarf der Prüfung im Einzelfall und ist deshalb einer grundsätzlichen Klärung im Rahmen eines Revisionsverfahrens nicht zugänglich. Die Kläger beanstanden insoweit im Kern die angebliche Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils. Damit kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt werden.

7 3. Schließlich ist die Revision nicht wegen der von den Klägern sinngemäß aufgeworfenen Frage zuzulassen, ob ein „Verein“, der zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung nicht mehr existiert, verboten werden darf. Es versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Begründung, dass sich eine Verbotsverfügung im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG nur gegen zum Zeitpunkt des Ergehens der Verfügung bestehende Vereine richten darf.

8 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes findet ihre Grundlage in §§ 47 und 52 GKG.