Beschluss vom 01.11.2004 -
BVerwG 5 B 81.04ECLI:DE:BVerwG:2004:011104B5B81.04.0

Beschluss

BVerwG 5 B 81.04

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 17.06.2004 - AZ: OVG 2 A 1229/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. November 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t
und Dr. F r a n k e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Kläger ist nicht begründet.
1. Die Revision kann nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Divergenz zugelassen werden.
1.1 Die Kläger haben nicht, wie es danach erforderlich ist (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - <NVwZ-RR 1996, 712>), aufgezeigt, dass der Berufungsbeschluss mit einem tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in den angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht. Die Gegenüberstellung der voneinander abweichenden Rechtssätze ist aber unverzichtbar (BVerwG a.a.O.). Zu Unrecht behaupten die Kläger, das Berufungsgericht stelle "allein auf die Eintragung im Inlandspass ab" (Beschwerdebegründung S. 2 Abs. 2). Vielmehr ist auch für das Berufungsgericht entscheidend, "ob der Aufnahmebewerber ein Bekenntnis nur zum deutschen Volkstum im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG abgegeben hat" (Beschluss S. 4 Abs. 1). Dabei geht das Berufungsgericht im Regelfall - vorbehaltlich substantiierten Vortrags zu Abweichungen vom üblichen Passantrags- und Passbearbeitungsverfahren (Beschluss S. 5 Abs. 2) - davon aus, dass dem Eintrag einer nichtdeutschen Nationalität in einem Inlandspass eine entsprechende Erklärung in der Forma Nr. 1 vorausgegangen ist (Beschluss S. 4 Abs. 3) und in "der Angabe einer anderen als der deutschen Nationalität gegenüber amtlichen Stellen grundsätzlich ein die deutsche Volkszugehörigkeit ausschließendes Gegenbekenntnis zu einem anderen Volkstum" liege (Beschluss S. 4 Abs. 2).
1.2 Der Vortrag der Kläger, das Berufungsgericht habe, wenn man von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und den festgestellten Tatsachen ausgehe, falsch entschieden, weil sich der Kläger zu 1 vor wie nach dem Eintrag der Nationalität in das Passantragsformular, die Forma Nr. 1, ausdrücklich dahin erklärt habe, er "möchte als Deutscher eingetragen werden" (Beschwerdebegründung S. 2 Abs. 5 ,6), rechtfertigt die Zulassung wegen Divergenz nicht. Zum einen ist mit fehlerhafter Rechtsanwendung keine Divergenz bezeichnet (BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2001 - BVerwG 4 BN 21.01 - <NVwZ 2002, 83 [86]>). Zum anderen fehlt es nach der von den Klägern angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dann an einem durchgängigen Bekenntnis zum deutschen Volkstum, wenn einer Erklärung zu einer nichtdeutschen, hier zur russischen, Nationalität ein Bekenntnis zur deutschen Nationalität, wie vom Kläger zu 1 behauptet, vorausgeht oder folgt. Dass sich aber der Kläger zu 1 in der Forma Nr. 1 ohne die Freiheit der Willensentschließung ausschließenden Zwang zur russischen Nationalität erklärt hat, hat das Berufungsgericht festgestellt (Beschluss S. 7). Die Behauptung der Kläger, "dass nach den vorläufigen Richtlinien des Bundesministeriums des Innern davon ausgegangen wird, dass im Zeitpunkt der Passbeantragung durch den Kläger in Estland, Lettland und Litauen die deutsche Nationalität durchweg nicht eingetragen werden konnte" (Beschwerdebegründung S. 4 Abs. 5), ist von ihnen nicht belegt. Ungeachtet der Volljährigkeit im Übrigen war nach dem Passrecht der ehemaligen Sowjetunion der Antrag für den ersten Inlandspass (alle sowjetischen Bürger ab dem 16. Lebensjahr mussten den Pass eines Bürgers der UdSSR besitzen) vom Antragsteller selbst zu unterschreiben. Jedenfalls in Bezug auf die Nationalitätenerklärung war der jugendliche Antragsteller geschäftsfähig (in der 1977 geltenden Verordnung über das Passwesen in der UdSSR von 1974 heißt es - in deutscher Übersetzung -: "Gehören die Eltern verschiedenen Nationalitäten an, dann wird bei der Erstausstellung des Passes nach dem Wunsch des Passinhabers die Nationalität des Vaters oder der Mutter eingetragen"). Damit war auch die Erklärung des Klägers zu 1 zu seiner Nationalität in der Forma Nr. 1 wirksam (BVerwGE 99, 133 <141>) und stand nicht unter dem Vorbehalt von Erklärungen der Eltern.
2. Die Revision kann auch nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden.
2.1 Mit dem Vortrag, ein 16-Jähriger könne zum Passantrag keine wirksamen Erklärungen abgeben und die Eltern könnten diese Erklärungen umgestalten bzw. durch Nichtgenehmigung annullieren (Beschwerdebegründung S. 6 f.), und es müsse entschieden werden, "ab wann von einer rechtswirksamen Bekenntniserklärung gegenüber einer Behörde ausgegangen werden kann" (S. 7), legen die Kläger keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dar, die in einem Revisionsverfahren zu klären wäre. Diese Frage ist bereits entschieden (BVerwGE 99, 133 <141>). Wie bereits ausgeführt, waren die Jugendlichen nach dem Passrecht der ehemaligen Sowjetunion befugt, den Antrag für den ersten Inlandspass selbst zu unterschreiben, und damit für die Erklärung im Passantrag zur Nationalität geschäftsfähig.
2.2 Die Frage, "welche Bedeutung der Passeintragung beigemessen werden kann, wenn im Voraus eine auf dem inneren Bewusstsein beruhende Erklärung zu einem Volkstum abgegeben wurde" (Beschwerdebegründung S. 7), bedarf ebenfalls keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung. Denn das Berufungsgericht hat für das Bekenntnis nicht auf die Eintragung im Pass, sondern in dem vom Kläger zu 1 unterschriebenen Passantrag abgestellt. Ist aber dort die russische Nationalität angegeben, fehlt es an dem vom Gesetz geforderten durchgängigen Bekenntnis zum deutschen Volkstum.
2.3 Schließlich ist es entgegen der Auffassung der Kläger keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, "ab welchem Zeitpunkt deutsche Volkszugehörige, die aus verschiedenen Eltern entstammten, ungehindert ihre Nationalität ohne Inkaufnahme von Benachteiligungen angeben konnten und welche Benachteiligungen noch als relevant angesehen werden". Denn der Kläger zu 1 hat nicht geltend gemacht, er habe deshalb nicht Deutsch als seine Nationalität angegeben, weil er sonst Benachteiligungen hätte in Kauf nehmen müssen. Im Übrigen wird nach § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nur unterstellt, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch aufgrund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, beurteilt sich maßgeblich nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Die Behauptung des Prozessbevollmächtigten der Kläger: "Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts in der Zeit der Existenz der ehemaligen Sowjetunion ging man durchweg davon aus, dass ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht möglich ist" (Beschwerdebegründung S. 8), ist falsch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO; es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der unterliegenden Partei oder der Staatskasse aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2, § 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).